Europas Energiebedarf unter afrikanischer Sonne versus Atomenergiehype

Darf man gegen Atomkraft sein – Oder ist man damit schon grün versifft?

von Alexander Wallasch (Kommentare: 24)

Ketzerisch gesagt: Wer zu Recht vor den Gefahren von mRNA-Stoffen für den Menschen warnt, muss der nicht automatisch ein glühender Gegner der Atomkraft sein?© Quelle: Pixabay / MagicTV

Bei uns kommt der Strom aus der Steckdose. Aber wie lange noch? Der Wind weht, die Sonne scheint. Und diese neue Atomkraftbegeisterung ist gespenstisch. Gab es da nicht eine jahrzehntealte Debatte um Nutzen und Gefahren?

Ich möchte hier etwas zur Diskussion stellen, das mir schon seit ein paar Wochen durch den Kopf geht, sich dort aber noch nicht zu einer klaren oder gar endgültigen Haltung verdichtet hat. Was ist Ihre Meinung dazu?

Was mich in letzter Zeit zunehmend irritiert, sind diese reflexartigen Bekenntnisse zur Atomkraft, als Reaktion auf die Ampelpolitik, als hätte es die jahrzehntelange Debatte um Energie aus Kernspaltung niemals gegeben.

Der bayerische Ministerpräsident hat Atomkraft jetzt als Heilslösung für Energieerzeugung wiederentdeckt, FDP-Chef-Lindner drückt auf dem Schoß von Habeck leises Bedauern über die Abschaltung der letzten AKWs aus und politische und mediale Kräfte rechts von der Ampel setzen wieder auf Atomkraft.

Sogar eine Umfrage im regierungsnahen Tagesspiegel kommt zu dem Ergebnis, dass unsere Atomkraftwerke weiter betrieben werden müssen. Satte 75 Prozent der Teilnehmer der Abstimmung sind dafür.

War die Diskussion um die Gefahr von Atomenergie über Jahrzehnte hinweg nur eine ideologisch aufgeblasene Chimäre? Das glaube ich nicht. Und ich glaube auch nicht daran, dass die frühen, für diese Debatte relevanten Umweltschutzbewegungen in Deutschland irgendwelche Konstrukte höherer Mächte waren, sie wurden allenfalls später instrumentalisiert.

Ich habe diese Bauernhof-Bewegungen noch selbst miterlebt, unter anderem im Wendland in Lüchow-Dannenberg oder auch in einer grünen Ur-Kommune nahe Lünen.

Dort wohnten Aussteiger, die sich mit gesunder Ernährung beschäftigten, die sich Gedanken darüber machten, wie man den Boden nachhaltiger beackern kann, die sich zur Selbstgedrehten die Nächte um die Ohren schlugen und bis zur Erschöpfung diskutierten und Argumente hin und her wendeten.

Diese Stuhlkreise – oder besser Sofakreise – waren alles andere als Friede, Freude, Eierkuchen.

Dort wurde gerungen, gebrüllt, gestritten und sich sprichwörtlich wieder zusammengerauft. Und wer wie ich nahe der Asse und „Schacht Konrad“ lebt, der weiß um das Problem der Zwischen- und Endlager für Atommüll, der kann sich noch an verzweifelte Mütter erinnern, die auch in Niedersachsen ihre Kinder bei Regen panisch ins Haus holten, weil der Niederschlag der Katastrophe von Tschernobyl über tausende Kilometer hinweg das Land kontaminierte.

Bis heute sammeln nur die Mutigeren im Harz-und-Heideland Pilze. Und Experten mühen sich seit Jahren, den Atommüll in zehntausenden erodierten Fässern wieder aus dem jetzt gar nicht mehr so sicheren Salzstock der Asse herauszukratzen.

Die Urgrünen waren vor allem auch Experten in Sachen Atomkraft. Es müssen Billionen von Fotokopien auf diesem ungebleicht schmuddeligen Umweltpapier gewesen sein, die jede Gefahr der Atomkraft unters Volk brachten.

Bücher über die Funktionsweise von AKWs wurden zu heimlichen Bestsellern und wer unvorbereitet in diese Kaderschmieden der Weltenrettung geriet, der fand sich wieder in einer hochinformierten Gemeinschaft von Atomkraftgegnern.

Ich weiß nicht mehr, wo ich es gelesen hatte, aber die Katastrophe von Tschernobyl soll über einen längeren Zeitraum hunderttausende von russischen Soldaten an den Unglückort und die Umgebung gebunden haben. Ein Aufwand, der den Zerfall der Sowjetunion und damit das Ende des Ost-West-Konfliktes mit beschleunigt haben soll.

Und in der Sowjetunion gab es keine nennenswerte grüne Bewegung, der man hier nun irgendeine Panikmache hätte unterstellen können.

Die Katastrophe von Tschernobyl war unbestreitbar das, was in den dunklen Bauernstuben der „Alternativen“, wie die Grünen lange vor der AfD hießen, mit dem Begriff „Supergau“ als Worstcase, als schlimmste anzunehmende Katastrophe bezeichnet wurde.

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Die Katastrophe von Fukushima veranlasste eine christdemokratische Bundeskanzlerin zum Atomausstieg. In letzter Zeit habe ich etliche Theorien darüber gelesen, warum Merkel den Ausstieg beschlossen hatte.

Am schlüssigsten erscheint mir nach wie vor jene, dass sie damit den Grünen als Wunschkoalitionspartner ein Hochzeitsgeschenk machen wollte für eine Ehe, die dann doch nicht zustande kam, weil ausgerechnet ein Christian Lindner bei der Trauungszeremonie 2017 Einspruch erhob und die Sause schon vor der ersten Nacht platzen ließ.

War Merkels Atomausstieg nur Kalkül zum Machterhalt? Schon diese Behauptung will eine jahrzehntelange Debatte um unkalkulierbare Risiken von Atomkraft vom Tisch wischen. Auf einer niederen Ebene gab es so etwas schon mal mit Mülltrennung und gesunder Ernährung. Heute nutzen mutmaßlich selbst eine Mehrheit der AfD-Politiker und -Anhänger die Mülltrennung. Diese kommt ja dem deutschen Ordnungssinn so prima entgegen.

Und am Samstag geht der AfD-Bundesabgeordnete in den Bio-Markt und kauft die gesunden Nahrungsmittel für den heimischen Kühlschrank. Grinsend möchte man anführen, dass es wohl nirgends ein größeres Warenangebot gibt als bei „Denn’s“, um für Babelsberg einen Krämerladen im Stil der 1920er Jahre auszustatten. Es gibt sie noch, die guten Dinge und sie haben Bio-Qualität.

Aber zurück zu den Gefahren der Atomenergie, die sich ja nicht nur auf den Supergau, also auf eine Havarie, eine Kernschmelze der Brennstäbe eines Atommeilers beziehen, sondern die sich auch mit der Endlagerung des mit tausenden von Jahren Halbwertzeit verstrahlten Atommülls befassen müssen.

Ganz klar: Endlager heißt, ich brauche Platz für etwas, das so gefährlich ist, dass es noch in tausenden von Jahren tief unter der Erde oder anderswo gelagert werden muss, wo es Menschen nicht verstrahlen und verseuchen kann.

Ketzerisch gesagt: Wer zu Recht vor den Gefahren von mRNA-Stoffen für den Menschen warnt, muss der nicht automatisch ein glühender Gegner der Atomkraft sein?

Über diese und weitere Fragen sprach ich mit einem Freund in der Schweiz. Ein alter Freund, bei dem es mir immer leichtfällt, auch mal eine naive Frage zu stellen und so gemeinsam nach Antworten zu suchen. Meine wahrscheinlich vollkommen naive Frage ging in etwa so:

Warum bauen wir nicht jede Menge Solarparks in Afrika, da scheint immer die Sonne und es gibt auch keinen Hagel?

Dann fielen mir diese so bizarr erscheinenden Frackinggas-Lieferungen per gigantischer Transportschiffe aus den USA ein. Wenn so ein offensichtlicher Irrsinn tatsächlich durchgeführt wird, warum sollte es dann eine Fantasterei sein, Energie aus gigantischen afrikanischen Solarparks für Europa zu gewinnen?

Technisch klingt das doch nicht weniger abwegig, als Gas in Schiffen zu transportieren, aber genau das findet aktuell statt.

Mein Freund meinte dann zu meiner Überraschung, das wäre gar nicht so abwegig, denn schon kurz nach der Jahrtausendwende beschäftige sich eine Millionen Euro schwere Initiative mit der Frage afrikanischer Solar- und sogar Windparks. Ob ich denn noch nie etwas von der „Desertec Foundation“ gehört hätte. Ich könnte hier behaupten, dass mir etwas dämmerte, aber dem war nicht so.

Also kurz zusammengefasst: Desertec verfolgt das Ziel, Ökostrom dort zu erzeugen, wo Wind und Sonne reichlich zur Verfügung stehen. Grundidee: Der Strom soll regional genutzt und mittels Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung – was immer das in der Praxis heißt - auch in entfernte Industrieregionen exportiert werden.

Im Fokus von Desertec stehen - schon dem Namen nach - sonnenreiche Wüsten. Aber was ist daraus geworden? Studien hatten sogar Szenarien zur Meerwasserentsalzung entwickelt, bis 2050 sollten fast zwanzig Prozent des EU-Strombedarfs gedeckt sein.

Besagte Studien ergaben tatsächlich, dass die ambitionierten Pläne technisch und wirtschaftlich realisierbar seien und ökonomische bzw. ökologische Vorteile für die Beteiligten bereithalten würden.

Später begann ich zu recherchieren, was aus „Desertec“ eigentlich geworden ist. Und da kam mir ein Jakob vom Youtube-Kanal „Breaking Lab“ zur Hilfe, der sich vor vier Wochen zufällig genau mit der Frage nach Desertec beschäftigt hatte und in seinem Video Erstaunliches zu berichten weiß, beispielsweise von einem Unterseekabel für 600 Megawatt, das aktuell zwischen Tunesien und Italien verlegt wird.

Aber was konkret heißt 600 Megawatt? Das bedeutet Strom für 1,5 Millionen Haushalte. Zum Vergleich: Ein mittleres AKW wie das Kernkraftwerk Emsland produziert 1.400 Megawatt.

Ich will und kann hier fachlich nicht ins Detail gehen. Aufhorchen muss man aber beispielsweise, wenn hinter Desertec wiederum dieser private gigantische und elitäre Thinktank „Club of Rome“ steht. Gedanken muss man sich machen, warum es so lange dauert, diesen preiswerten und umweltfreundlichen Strom auf den langen Weg zu bringen.

Und noch etwas ist wahr: Es ist bedauerlich, sich von den Grünen solche Themen einfach aus der Hand schlagen zu lassen. Die Stromdebatte ist zudem auch eine Kapitalismus-Diskussion um eine elende Konsumspirale und zwanghaftes Wirtschaftswachstum. Solche Fragen wurden viel zu lange den Grünen überlassen.

Und noch ein paar Fragen, die mir unbeantwortet blieben: Welche neuen Abhängigkeiten entstehen, wenn Afrika uns den Strom dann theoretisch einfach abschalten kann und wie reagieren die USA, die uns dann kein teures Frackinggas mehr verkaufen können? Wie lange halten die Unterseekabel von Nordafrika nach Europa?

Das alles ging mir heute am Samstag durch den Kopf. Was ist Ihre Meinung dazu?

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