Waffen, Profite und Moral: Die knifflige Allianz von Börsentipps und politischem Aktivismus

Der Krieg ist scheiße – aber die Rheinmetall-Aktie ballert voll geil

von Alexander Wallasch (Kommentare: 6)

Journalismus und Cross-Marketing – Niedergang oder Chance?© Quelle: Pixabay/Maklay62, Rheinmetall.com, Screenshot, Montage: Wallasch

Während die Welt nach Frieden schreit, boomen die Aktien der Waffenhersteller. Business Insider preist Rheinmetall wie Küchenware, und selbst kritische Geister verkaufen Kriegsprofite mit Kurspotential. Ist das die neue Normalität, wo der kleine Mann vom Sofa aus am Gemetzel verdient?

Domradio schreibt mit Blick auf die Feiertage, „Christliche Botschaften zu Pfingsten drehen sich um Frieden“. Der Wunsch nach Frieden stehe im Mittelpunkt. Beim Mittagsgebet appellierte der neue Papst an alle Regierenden, „sich für den Frieden einzusetzen.“

Auch unabhängig von einer religiösen Ausrichtung und wo man sein Wertesystem verankert, sind die anhaltenden Kriege in der Ukraine und im Gazastreifen die bestimmenden Themen verbunden mit der Frage, wann hört das Töten endlich auf? Oder aus christlicher Perspektive: Wann kommt die Pfingstbotschaft bei jenen an, die glauben, dass man mit immer mehr Waffen und Gemetzel einen Frieden erzwingen könne?

Die Entmenschlichung schreitet in einem Tempo voran, das einem den Atem rauben kann. Und auch dieses Phänomen ist keines der Neuzeit, es begleitet Kriege von Anbeginn. Oder es stand sogar am Beginn eines Krieges: Die Bereicherung an Waffenverkäufen, die Stunde der Kriegsgewinnler.

Wer sich in diesen Tagen umschaut, muss sich immer öfter schockiert abwenden von einer Flut von Börsen- und Anlagetipps für Jedermann von Mitmenschen, die nichts dabei finden, die Aktien der großen Waffenhersteller dem Aktionär im Reihenendhaus als Investition zu empfehlen. Der kleine Mann verdient vom Sofa aus am Krieg. Andere kleine Männer schreien indes nach ihren Müttern und verrecken zu Hunderttausenden im Schützengraben.

Wahllos einen herausgegriffen: Business Insider Deutschland berichtet über den aktuellen Stand der Rheinmetall-Aktie, als ginge es darum, Mutti die neueste Tupperware zu verkaufen. Das Video wird präsentiert von einem Unternehmen namens NAO, dort heißt es: „Optimiere Dein Portfolio durch Zugang zu einer Vielzahl an exklusiven Assets.“ Das Berliner Unternehmen hat sich auf die Fahne geschrieben, Anlagen für Privatanleger einfach und unkompliziert investierbar zu machen.

Business Insider Deutschland erklärt wörtlich im Pfingst-Video: „Heute ist Pfingstmontag. Viele haben frei. Aber an der Börse wird trotzdem gehandelt.“ Und dann kommt „das Wichtigste von den Märkten“. Im Mittelpunkt die Frage, ob man Geld auf die Waffenschmiede Rheinmetall setzen soll. Wie es um den wichtigen Waffenhersteller bestellt ist, der bereits in der Ukraine selbst Fabriken hochzieht. Business Insider Deutschland macht, was es sich auf die Fahnen geschrieben hat Nicht mehr und nicht weniger. Hier kann man allenfalls die grundsätzlich Frage stellen, wie verwerflich es ist, den Versuch zu unternehmen, an Rheinmetall-Aktien zu verdienen.

Andere pflegen eine Allianz zwischen Geschäft und Aktivismus bzw. Journalismus. Vom Edelmetall-Dealer bis zum Anlageberater haben verschiedene Akteure die kritischen Medien und ihre wachsende Zuschauer- und Leserschaft für sich entdeckt. Die Idee dahinter ist simpel: Ich brauche Publikum, um mein Angebot an den Mann zu bringen. Was spricht dagegen?

Die Anbieter präsentieren sich parallel zu ihrem unternehmerischen Angebot als kritische Geister. Und das machen sie so erfolgreich, attraktiv und sympathisch wie etwa Philip Hopf und Kiarash Hossainpour, grundsätzlich von Berufs wegen zwei Persönlichkeiten in der deutschen Finanzlandschaft.

Die beiden sagen von sich selbst, sie wollen ein offenes Diskussionsumfeld schaffen. Und das gelingt ihnen auch. Aktuell haben sie auf einer Tournee auf Fingerschnipsen ganze Hallen gefüllt. Magisch! Wer so einen Vortrag in seiner Nähe hat, sollte ihn sich auch gönnen.

Hoss & Hopf wollen nicht nur Zuhörer und Zuschauer mit politischen Debatten, sondern als Unternehmer auch Kunden für ihre Anlagetipps gewinnen. Probieren wir es ausnahmsweise mal böse und bissig: Der gefeierte Regierungskritiker verkauft nach dem Applaus seine Heizdecken

Beispiel: Der bereits 271. Podcast von Hoss & Hopf heißt „Russland-Angriff: Stehen wir kurz vor dem 3. Weltkrieg?“. Gleichzeitig stellt sich Philip Hopf für sein Unternehmen HKCM in einem kurzen Clip vor die Zuschauer und empfiehlt die Aktien des Waffenherstellers Rheinmetall mit „60 bis 70 Prozent Kurspotential“.

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Im erfolgreichen Podcast heißt es dann, Deutschland müsse verteidigungsfähig werden, Deutschland sei, so Hopf, aus dem Blickwinkel von Russland aktuell „das schwächste Tier aus der Herde“. In der Savanne liefen Löwen herum, „die beobachten eine Herde von Gazellen, wenn dort ein schwaches Tier ist, eines, das ein bisschen humpelt, das nicht mehr richtig laufen kann, dann wird das ganz gezielt rausgepickt und dann greifen die das an.“

Hopf weiß auch durchaus Kritisches über die Rüstungsindustrie zu berichten. Wie kommt das alles zusammen? Da bekommen Anleger Prognosen und Kauf- oder Abwarte-Empfehlungen für Rheinmetall-Aktien, gleichzeitig wird auf dem Nebengleis erklärt, solche Unternehmen „brauchen Kriege, um zu prosperieren".

Auch Kettner-Edelmetalle ist ein hochspannender Player. Exzellente Beiträge inklusive Engagement interessanter und prominenter oppositioneller Namen wie beispielsweise Peter Hahne, Dr. Daniele Ganser, Ernst Wolff und Tom O. Regenauer. Sie alle treten in einem Umfeld auf, wo es auch mal heißt: „Starten Sie jetzt und erhalten Sie Ihr individuelles Angebot von unserem Edelmetallberater.“ Dazu gibt es „limitierte Highlight-Produkte für Sammler und Anleger“.

Auch Kettner hat eine besonders hohe Zahl an Followern etwa auf seinem YouTube-Kanal. Und mal ehrlich: Schließlich leben wir nicht in einem Nanny-Staat, dass man Zuschauer davor schützen muss, neben exzellenten Beiträgen nicht versehentlich in den geschäftlichen Bereich dieser Herren abzurutschen. Das entscheidet jeder für sich. Manch einer wird sogar beides positiv für sich entdecken. Vertrauen generiert hier Vertrauen.

Möglicherweise geht es hier auch um einen Lerneffekt. Haben sich die Zeiten einfach geändert? Früher wurde Thomas Gottschalk kritisch in den Medien besprochen, weil er bei „Wetten, dass..?“ seinen Gästen Haribo-Gummibärchen in Glasschalen angeboten und gleichzeitig Werbung für das Süßwarenunternehmen gemacht hat. Ein Produktplacement in einer Unterhaltungsshow.

Und heute? Zugespitzt formuliert, werben anspruchsvolle kritische politische Beiträge für Börsentipps und Edelmetallanlagen. Man kann es anerkennend ein erfolgversprechendes neues Guerilla-Marketing nennen, eine unkonventionelle wie kreative Marketingstrategie, die sich ein bestimmtes Feld von Anhängern erarbeitet, Gefallen und Vertrauen generiert, um auf einer Welle der Sympathie auch Produkte zu verkaufen. Eine Win-Win-Situation, eine Hand wäscht hier die andere, jeder bekommt etwas geboten.

Verboten ist nichts davon. Ebenso wenig, wie politische Aktivisten ihren Anhängern bestimmte Produkte anbieten oder exklusive Treffen gegen Honorar.

Ein Cross-Marketing. Oder nicht ganz. Denn hier überlappen sich Unternehmen und Produkte und Dienstleistungen, um voneinander zu profitieren. Bei den Anlage- und Edelmetallhändlern ist es ein Cross-Marketing zwischen Unternehmen, Produkt und Berichterstattung.

Die entscheidenden zwei Fragen gehen so: Ist die Trennung für den Zuschauer erkennbar oder nicht? Und auf der Meta-Ebene: Kann diese Vermischung der Glaubwürdigkeit des politischen Vortrags schaden?

Philip Hopf ist ein gutes Beispiel dafür, wie man diesen Konflikt positiv auflöst. Er geht offen mit beiden Interessen um, hier kommt nichts unterschwellig daher, es bleibt dem Zuschauer überlassen, welche Seite von Hopf er sich zuwendet. Oder beiden! Interessanterweise ist das Lesen im Kaffeesatz der Börsianer mitunter auch ein Hinweis auf kommende politische Entwicklungen – hier ist Hopf dann im Spagat gefragt als Analytiker.

Ein Interessenkonflikt lässt sich aber nicht bei jedem Vorhaben vom Tisch wischen. Wenn ich Aktien von Rheinmetall anbiete und parallel den Krieg verdamme, dann wende ich hier das rhetorische Argument des vorweggenommenen Einwandes an. Und es kann hier getrost dem Zuhörer und Zuschauer überlassen werden, sich seine Meinung zu bilden.

Aus journalistischer Sicht kann es tatsächlich ein Unterschied sein, ob ich für meine journalistische Arbeit um Abos oder Spenden werbe – je nach Geschäftsmodell – oder ob ich meine Reichweite dafür nutze, mich pro-aktiv für das Produkt oder die Dienstleistung eines anderen stark zu machen. Interessant hier auch die Entscheidung, werbliche Fremdartikel zuzulassen oder nicht – Artikel, welche die Seriosität des Portals nutzen, um im Gewand journalistischer Artikel Werbung zu machen. Aber auch hier kann man auf die Kennzeichnung verweisen – der Leser muss nur hinschauen, ob drüber steht: „gesponserter Artikel“ oder Ähnliches.

Einigen kann man sich sicherlich auf diesen eine schlichten Satz: Krieg ist scheiße.

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