Britta Haßelmann und der Widerstand gegen Hitler

Der Onkel hing in Plötzensee am Schweinehaken, bis der Tod eintrat

von Alexander Wallasch (Kommentare: 5)

Ein letztes Aufbäumen von Haltung, als Freisler wieder brüllte.© Quelle: gedenkstaette-ploetzensee.de, Screenshot

Britta Haßelmann beruft sich auf Nachfahren des Widerstands im Dritten Reich. Und sie will damit ihre totalitäre antidemokratische Ideologie verteidigen. Ich erzähle Frau Haßelmann, wie es sich anfühlt, Verwandte schon als Kind vom in Plötzensee aufgehängten Onkel erzählen zu hören. Schämen Sie sich!

Britta Haßelmann gehört wohl zu den auffälligsten Abgeordneten des Bundestages. Sie ist Vorsitzende der Bundestagsfraktion der Grünen. Sie ist an den wichtigen Entscheidungen der Ampelkoalition beteiligt und tritt in schöner Regelmäßigkeit jeden weg, der es wagt, die mitregierenden Grünen bzw. die Bundesregierung zu kritisieren.

Sie gibt den Pitbull der Ampel aus dem Parlament heraus. Keine „Nazi“-Beschimpfung ist Haßelmann zu abwegig, Parlamentarier der AfD und, wenn es ein muss, auch solche aus den Reihen der CDU zu diffamieren. Und weil ihr die wenige Redezeit und ihre Zwischenrufe im Bundestag nicht ausreichen, ist Frau Haßelmann auch via X vielfach aktiv. Zuletzt teilte sie einen Artikel des Spiegels mit der Schlagzeile: „Nachfahren von NS-Widerständlern rufen zur Verteidigung der Demokratie auf“.

Die grüne Abgeordnete zitierte dazu aus dem Aufruf von Nachfahren der Widerstandskämpfer folgenden Satz:

„Es waren unsere Eltern, Großeltern und Urgroßeltern, die sich dem NS-Unrecht damals als Widerstandskämpfer entgegengestellt haben….“ #WirSindDieBrandmauer #noafd“

Ich kenne Frau Haßelmanns Familiengeschichte nicht, irgendwo las ich, dass die drei Jahre Ältere (*1961) Bob Dylan mag. Käme Britta Haßelmann aus einer Widerstandsfamilie, dann darf man davon ausgehen, dass sie sich darauf berufen hätte und nicht auf die Nachfahren von Stauffenberg und Co.

Frau Haßelmann hätte aber auch einfach mich fragen können. Ich hätte ihr erzählen können, was das mit einem macht, wenn man selbst bzw. ein enges Familienmitglied aus so einer Familie stammt.

Jede Familie hat ihre eigenen Erzählungen. In unserer Familie hatte der 20. Juli eine Bedeutung, die ich schon früh begriff, weil dieser Tag so dicht auf meinen Geburtstag folgte. Als Folge des Attentatsversuches vom 20. Juli 1944 wurde der Vater meines Onkels in Plötzensee am Schweinehaken aufgehängt.

Der Mann der Schwester meiner Mutter erzählte auch vom Krieg, von der Zeit des Nationalsozialismus, von der Hinrichtung seines Vaters. Diese Geschichten begannen schon mit seiner Kindheit, mit der Zeit in einer Napola, einer dieser Nationalpolitischen Lehranstalten, in denen Hitlers zukünftige Eliten gedrillt wurden. Mein Onkel spielte Querflöte, er war dort am denkbar falschen Ort, aber sein Vater wollte es so.

Er erzählte vom Barfußlauf vor dem Morgengrauen über kilometerlange Kieswege. Von andauerndem Befehlsgeschrei, vom Soldatsein schon mit neunzehn und vom nächtlichen Aufmarsch der Kompanie auf dem Kasernenhof, als der junge Fahnenjunker vortreten musste und ihm der Kommandeur vor den versammelten Kameraden die Rangabzeichen von den Schulternklappen riss, der Verstoßene seine Sachen packen musste und zu Schwerkriminellen und gewöhnlichen Verbrechern in ein Strafbataillon gesteckt wurde: Sippenhaft.

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Aber das grausige Schicksal hatte ihm noch mehr zu bieten, als der schwer Traumatisierte nach Kriegsende noch ein Jahr lang wegen eines Missverständnisses als Saboteur beim Russen in Einzelhaft sitzen musste.

Der Onkel hatte zu Weihnachten und an Familienfesten die übelsten Launen. Dann übernahm seine sonst mühsam in Schach gehaltene Schwermut das Regiment. Wir Kinder fürchteten seine plötzlichen Gefühlsausbrüche, die, wie aus heiterem Himmel kommend, alles verdüstern konnten, nach denen er aber immer recht bald auf seinem Stuhl zusammensackte wie ein Häufchen Elend.

Eine Naturgewalt, die vorbeizog. Jedenfalls reagierten die Erwachsenen gelassener, man hatte sich wohl über die Jahre gewöhnt, und so etwas wie die Diagnose etwa eines posttraumatischen Stresssyndroms war damals noch unbekannt. Es war halt was hängengeblieben vom Krieg. Und es war kein Einzelschicksal, dachten die anderen, den einen erwischt es eben mehr als den anderen.

Gesprächspartner waren für den Onkel eher die Enkel. Beim Pilzesuchen im Wald, beim Spaziergang in der Stadt – sicher drängelten wir ihn auch oft, zu erzählen, dann redete er halt.

Immer am Vorabend oder am Abend des 20. Juli wurden Dokumentationen im Fernsehen gezeigt: Der brüllende Nazi-Richter Freisler und der Moment, wenn dann auch mein Großonkel auf der Mattscheibe erschien. Wir sahen einen dünnen verängstigten Mann, der seine Hosen mit beiden Händen festhalten musste, weil man ihm den Gürtel und die Hosenträger abgenommen hatte, wohl damit er sich nicht vorzeitig der Todesstrafe durch Selbstmord entziehen konnte – ein Toter zappelt nicht am Schweinehaken.

Und dieses Zappeln wurde gefilmt, wie mein Onkel später erfuhr, als man ihn im engen Kreise zu so einer Vorführung des Materials eingeladen hatte, ihm aber die Kraft fehlte, sich dieses ultimative Grauen anzuschauen.

Der Großonkel also vor Freisler in Schwarz-Weiß-Aufnahme. Ein ganz ängstliches, ein schmales Gesicht mit dünner Rundglasbrille ist mir in Erinnerung. Aber noch viel mehr berührte mich als Kind dieses kurze letzte Aufbäumen von Haltung, als Freisler wieder irgendeine Frage brüllte und der Großonkel den gesenkten Kopf noch einmal mit aller verbleibenden Kraft hochriss, um Antwort zu geben, die dann nur wieder niedergebrüllt wurde.

Mein Onkel wusste nichts vom Attentatsplan auf Hitler. Aber er blieb diesen Ereignissen über tiefe Verletzungen und einen anhaltenden Seelenschmerz bis ins hohe Alter unfreiwillig verbunden.

Und wenn sich jetzt eine Britta Haßelmann als Vertreterin einer Regierungspartei hinstellt und ihre grüne Ideologie und ihre antidemokratischen Intentionen mit den Stimmen der Nachfahren des Widerstands gegen Nazi-Deutschland zu verteidigen sucht – auch mit Hilfe des Spiegels – dann darf Frau Haßelmann sicher sein, dass ich ihr in Gedenken an das schlimme Schicksal meines Onkels entgegentrete und sage:

Schämen Sie sich. Schämen Sie sich für Ihre Diffamierungen, die zweifelsfrei in der Tradition der Nazis stehen. Schämen Sie sich, was sie aus diesem Land gemacht haben oder machen wollen, was sie aus der nach dem Krieg so mühevoll aufgebauten Freiheit und Demokratie gemacht haben, für die mein Großonkel in den Tod gegangen ist und mein Onkel jahrzehntelang gelitten hat. Schämen Sie sich!

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