Wie alles begann

Die Affäre Weimer: Von seiner Wutrede in Frankfurt bis zu Korruption am Tegernsee

von Alexander Wallasch (Kommentare: 1)

Noch nicht weg. Aber schon nicht mehr ganz da.© Quelle: Youtube/Bundesregierung, Screenshot

Seit über einem Monat steht Kulturstaatsminister Wolfram Weimer unter Verdacht, betrogen, tausende Autoren gefakt und mit Müllmedien seine Visitenkarte für große Events aufgemotzt zu haben, um ganz große Kasse zu machen. Nach einer aktuellen Stunde im Bundestag erfolgte gestern der finale Niederschlag nach Recherchen von Apollo-News und Nius. Schon kurz nach Beginn der Affäre schrieb ich den folgenden Text für die Weltwoche:

Gemeinsam mit meinem Zwillingsbruder betrieb ich schon früh Szenegastronomie in Braunschweig. Wir waren wohl gerade zwanzig Jahre alt, als wir unseren ersten Club eröffneten. Diese Diskotheken, Bars und Cafés lagen mitten im Rotlichtviertel – der Braunschweiger Puff ist einer der schönsten Deutschlands. Hier flaniert man entlang der Damen in einer heimelig anmutenden mittelalterlichen Fachwerkgasse.

Warum dort? Zunächst waren die Mieten billiger als anderswo, aber wichtiger: Fürs Karee gab es Nachtkonzessionen für Gastronomie bis fünf Uhr am Morgen. Was Rotlicht bedeutet? Hier muss man sich unweigerlich mit den Herren dieses Gewerbes auseinandersetzen, wenn man bestehen will. Hier setzt sich durch, wer glaubwürdig und wahrhaftig erscheint; der Rest geht unter.

Eiserne Regel: Wenn du eine Rolle spielst, kein Problem. Aber dann spiel sie gut. Wenn du Show machst, dann richtig. Hier geht es nicht primär um Gewalt, sondern um Psychologie – in jeder Hinsicht.

Warum jetzt der Weimer-ferne Vorspann? Daran musste ich zurückdenken, als ich Wolfram Weimers Eröffnungsrede auf der Frankfurter Buchmesse hörte. Spielt der neue Kulturstaatsminister seine Rolle gut? Nein. Da hatte jemand seine natürliche Deckung verlassen und das Biotop gewechselt.

Als Weimer seine Wutrede über die US-Techkonzerne und Künstliche Intelligenz herunterspulte, als er von „geistigem Vampirismus“ sprach, machte er einen frappierenden Fehler: Seine Metamorphose vom windigen Schrottmedienhändler zum seriösen Staatsminister wurde sichtbar. Da wollte sich jemand sauber machen und als vorbildlicher Moralapostel inszenieren. Der Pimp mit den Goldringen stand in der Pfandleihe um seine falschen Klunker zu versetzen. Das funktioniert nicht!

Zugegeben, ich war im Vorteil: Ich hatte mit Weimer früher schon über Bande zu tun. Als ehemaliger Autor (2012-2014) beim Vorbesitzer von Weimers „TheEuropean“ ahnte ich etwas vom Geschäftsgebaren Weimers. Ich schaute also auf Weimers gigantische Buchmessen-Inszenierung mit seinem überlebensgroßen Porträt hinterm Rücken in SPD-Rot.

Und während ich Weimer so zuhörte, erinnerte ich mich wieder, wie oft ich nach der Übernahme als „Ehemaliger“ peinlich berührt auf „TheEuropean“ schaute, auf diesen Klunker-Journalismus, der sich Texte und Reden aus dem Netz zusammenklaubte und prominente Urheber als „Autoren“ anlegte. Es war schon vor zehn Jahren ein Running-Gag, alles lag offen da!

Und die Vermutung lag nahe, dass diese „Autoren“ nichts von ihrem Glück wissen konnten; die Texte waren nicht einzigartig genug für einen eingekauften Text und nicht spektakulär genug für eine aufwendige Anfrage. „TheEuropean“ nahm einfach alles, als hätte jemand den Staubsauger angemacht und es ginge nur darum, den Beutel vollzumachen.

Zurück zur Rede in Frankfurt: Weimer hatte die Staubsauger-Metapher auf die Tech-Giganten angewandt! Er sprach davon, dass KI-Unternehmen „derzeit das kreative Potenzial aus unzähligen klugen Köpfen“ saugen würden. Der Staatsminister kritisierte die US-Tornados? Klar, dass ich mich an dieser Stelle an den kleinen weimerschen Tischkrümelsauger erinnern musste!

Bis dahin war es nicht mehr als ein Schmunzeln über den Rollenwechsel. Aber es blieb nicht dabei, als Weimer meinte, er könne in Frankfurt der Bundesregierung noch ein Geschenk machen, indem er die AfD – freilich ohne sie beim Namen zu nennen –, die mittlerweile größte deutsche Volkspartei geworden ist, diffamieren.

Spektakulär war nicht die Diffamierung an sich, sondern der Move, wie Weimer von den US-Techkonzern-Staubsaugern ansatzlos dahin überleitete und allen Ernstes erklärte, die AfD wolle einen neuen Autoritarismus etablieren, indem sie sich „mit der Macht der KI und den Echokammern einer digitalen Welt“ verbünde. Unglaubwürdiger ging es kaum. Denn auch Herr Weimer musste wissen, dass es doch die neuen, über die Bundesnetzagentur staatsfinanzierten linken Trusted-Flagger-Meldeportale sind, die mittels KI nach regierungskritischen Stimmen auch unterhalb der Strafbarkeitsgrenze fahnden.

Oder noch anders: Wer bei der AfD an KI denkt, muss schon einen 180-Grad-Schwenk machen vom blaulackierten Bleistiftstummel hin zum Algorithmus.

Kurz und gut, ich setzte mich an die Tastatur und schrieb eine sehr persönlich gefärbte Geschichte dazu: Ich erinnerte Weimer daran, dass er nach wie vor an einigen hundert Texten von mir verdient, die seit zehn Jahren bei Weimers „TheEuropean“ samt Werbung online stehen samt von Google generierter Werbung, die sich algorithmisch und mittels KI an den Inhalten und Lesern orientiert.
Ich schaute mir „TheEuropean“ noch genauer an. Und es verwunderte mich Seite um Seite mehr, dass Weimer in seinem neuen Amt die Fingerabdrücke der eingangs geschilderten journalistischen Gaunerei nicht besser verwischt hatte! Die Fährte war so einfach aufzunehmen: „TheEuropean“ öffnen und dann im Menü zu den „Autoren“. Dort wurde beispielsweise Annalena Baerbock als „Autorin“ von Weimers TheEuropean geführt. Die hatte aber mutmaßlich nie für Weimer geschrieben. Ebenso wenig wie der Papst oder Brad Pitt.

Die Resonanz auf meinen Artikel war besonders groß. Das berühmte Wespennest war angestochen. Also beschloss ich, diesen kuriosen AfD-Move noch genauer zu erzählen und titelte: „Kulturstaatsminister Weimer: Im Übrigen bin ich der Meinung, dass die AfD zerstört werden muss“.

Anschließend beschäftigte ich mich weiter. Auf der Autorenliste blieb ich an Alice Weidel hängen. Ich klappte ihre Setcard auf, und dahinter lagen fein aufgereiht die erstaunliche Zahl von 78 Autoren-Artikeln! Es war offensichtlich: Die AfD-Chefin war hier gar nicht befragt worden. Und dann kam auch die Bestätigung aus dem Büro Weidel.

„Weder hat Alice Weidel je als Autorin für die Plattform TheEuropean geschrieben, noch wurde sie über die Nennung als Autorin informiert oder um entsprechende Freigabe dieser Veröffentlichungen gebeten.“

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Parallel setzte sich Rechtsanwalt Dirk Schmitz bereits mit der juristischen Würdigung auseinander – Artikel Nummer 5 ging ans Netz. Schmitz hatte als Erster die weiterhin bestehende 50-Prozent-Gesellschafter-Funktion von Weimer recherchiert; der Staatsminister war also alles andere als von seinem potemkinschen Unternehmen mit über einem Dutzend Medienleichen abgenabelt. Er bleib der Friedhofsbesitzer.

Wer jetzt journalistisch nicht gemütlich wird, schaut sich weitere „Autoren“ auf der Autorenliste an. Ich dachte an Uwe Ochsenknecht in Schtonk!, der als Konrad Kujau immer schneller liefern musste und darüber fast hysterisch wurde. Wie lief das bei den Weimers ab, wenn die Seite befüllt werden musste? Mussten die Namen immer größer werden bis hin zum Papst? Das Promi-Heroin?

Ich fand Alexander Dobrindt. Und ich fragte beim Ministerium an: Was verdient der Minister bei „TheEuropean“? Die Antwort kam postwendend: Der Minister habe nie für „TheEuropean“ geschrieben, er sei dort auch kein Autor. Oder mit anderen Worten: Ein Kabinettskollege bescheinigt dem Staatsminister derselben Regierung, dass der sich strafbar gemacht hat.

Artikel Nummer sechs? Jetzt kam ich mir selbst schon gehetzt vor wie Ochsenknecht in Schtonk!, nur dass meine Tagebücher von Antworten aus dem Innenministerium gefüllt, also echt waren! Ich hatte bereits 48 Stunden kaum geschlafen. Die Geschichte wurde immer größer. Ich hielt kurz inne und schaute meine Frau an. Und in ihrem Gesicht spiegelte sich die Erkenntnis: Es wird zu viel für Alexander-Wallasch.de.

Panik wurde zum selbstverständlichen Begleiter, dass mir Medien mit größerer Reichweite diese – ich wusste es jetzt – Wahnsinnsstory wegschnappen. Aber meine Batterie war fast leer. Also entschied ich mich, in die Offensive zu gehen und die noch nicht veröffentlichte „Dobrindt-Antwort“ an ein größeres Portal zu geben, um mir so wenigstens den „Entdecker“-Bonus zu sichern. Und so kam es dann auch. Die Freude bei den Hinzugezogenen war verständlicherweise groß.

Aber ich war noch nicht aus dem Rennen, an Schlaf noch nicht zu denken. Der Anwalt rief vom 16. auf den 17. Oktober nachts um 23 Uhr an, es sei jetzt dringend an der Zeit, mit der Sicherung der Seite zu beginnen. Also machten wir uns ans Kopieren der „Weidel-Files“. Und während wir Seite um Seite fotografierten, konnten wir live miterleben, wie auf der anderen Seite Artikel um Artikel verschwand!

Ein spektakuläres Seilziehen der besonderen Art: Wir kopierten, Weimers „TheEuropean“ löschte, wir kopierten, sie löschten. Am Morgen war Alice Weidels Autorenschaft Geschichte – dachte jedenfalls Weimers „TheEuropean“.

Ich schrieb Artikel Nr. 7, parallel veröffentlichte Julian Reichelt die Meldung aus dem Innenministerium. Ich schreibe immer noch weiter, jetzt Artikel Nummer 8, 9, 10 und 11.

Zuletzt meldeten Spiegel-Autor Anton Rainer via Deutschlandfunk, dass auch die weiteren Weimer-Produkte kontaminiert seien; der Berg wird also nicht kleiner, sondern immer noch größer.

Und währenddessen wurden mir die längst vergessenen Braunschweiger Rotlichtgrößen der 1980er Jahre wieder lebendig. Typen mit klaren Regeln. Straßenpsychologen. Denn nur so kann man in diesem Blenderhandwerk bestehen:

Wenn du eine Rolle spielst, dann spiel sie richtig. Wenn du eine Show abziehst, dann überzeuge damit. Aber versuche nie, deiner wahren Natur zu entkommen! Bleibe immer du selbst. Wenn du anderen erzählst, deine Klunker seien echt, dann mach es mit voller Inbrunst. Wenn aber trotzdem herauskommt, dass du nur Dreimarkundfünfzig an den Fingern trägst, dann trenne dich sofort von dem Blech!

Ich frage mich immer noch: Warum hat Wolfram Weimer sein Fake-Imperium Weimer Media Group nicht geschlossen, als er Kulturstaatsminister wurde und diese Goldring-Visitenkarte nicht mehr benötigte? Weimer muss Weimer selbst über den Kopf gewachsen sein. Und dann rief auch noch jemand aus dem bescheidenen Braunschweig: Der Kaiser ist nackt!

Der Artikel erschien zuerst bei www.Weltwoche.ch

Inzwischen sind weitere Weimer-Recherchen dazugekommen. Zuletzt beschäftigte sich der Bundestag in einer aktuellen Stunde mit der Akte Weimer. Und dann schien der Drops gelutscht. Hatte Weimer sich aus der Affäre ziehen können?

Nein, denn das Apollo-News-Team um Max Mannhardt hatte sich längst kilometertief in die Materie eingegraben und zum finalen Schlag ausgeholt: Korruption auf dem Ludwig-Erhardt-Gipfel der Weimer Media Group! Unverhohlen wurden dort nämlich damit beworben, dass man gegen eine hohe fünfstellige Summe Einfluss auf Regierungspolitiker nehmen kann, die Wolfram Weimer seinen Kunden abschussfertig präsentiert.

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