Krieg oder Frieden: Es geht der AfD heute also nicht anders als den Grünen und der "taz" Anfang der 1980er Jahre.

Die Grünen geben den Staffelstab weiter: AfD sieht sich an der Spitze der Friedensbewegung

von Alexander Wallasch (Kommentare: 29)

Wenn Deutschland grundsätzlich verdächtig ist, irgendeine pazifistische Grundhaltung in seiner DNA ins Feld zu tragen, mag das auch daran liegen, dass in den 1980er Jahren im freien Teil Deutschlands Hunderttausende für den Frieden auf die Straßen gingen.© Quelle: AfD und Pixabay / Clker-Free-Vector-Images / OpenClipart-Vectors, Montage Alexander Wallasch

Die AfD-Fraktion dürfte im Bundestag jene Partei sein, deren Haltung zum Angriffskrieg Russlands auf ukrainisches Territorium immer noch in der Findungsphase steckt, die internen Debatten halten nach wie vor an, bei Nachfragen ist die Stimmung besonders gereizt.

Wer heute den Begriff „Friedenspartei“ in Internet-Suchmaschinen eingibt, der landet hier nach wie vor etliche Treffer mit Bezug zu den Grünen. Jedenfalls bis zu jenem Treffer, wo die Öffentlich-Rechtlichen via ARD-Magazin Kontraste die AfD als „Sprachrohr der Kreml-Propaganda“ inszenieren, weil sich Vertreter der Partei angemaßt hätten, den Grünen das Label „Friedenspartei“ streitig zu machen.

Bei „Kontraste“ heißt es entsprechend: „Die AfD präsentiert sich neuerdings als ,Friedenspartei' und wettert gegen die vermeintlichen ,Kriegstreiber' von Ampel und Union.“ Hier gilt es zunächst festzustellen, dass „Sprachrohr des Kremls“ nicht mit dem Begriff „vermeintliches“ versehen wurde. Die Fragestellung könnte also lauten: Was ist wahrscheinlicher, dass die AfD tatsächlich so ein Sprachrohr ist oder das die Grünen „Kriegstreiber“ sind?

Beides hängt allerdings unmittelbar zusammen. Noch komplizierter könnte es werden, wenn man statt „Kriegstreiber“ den Grünen nachsagt, sie seien demgegenüber ein „Sprachrohr der USA“, präziser der Ukraine-Politik Washingtons.

Gerade erst erklärte die deutsche Außenministerin Baerbock zum Aufenthalt des US-amerikanischen Präsidenten in Kiew, dieser Besuch sei im deutschen Interesse, die Freundschaft zwischen den USA und Deutschland „sei im Moment sehr eng“. Das ist schon deshalb eine gewagte These, weil laut Bundesregierung seit Monaten der Generalbundesanwalt wegen der Anschläge auf die Nord Stream 2 Pipeline ermittelt und einer der Hauptverdächtigen zweifellos die USA sind.

Aber auch der Begriff „Freundschaft“ dürfte hier unangebracht sein angesichts des fehlenden Beistands, den die Bundesregierung für ihre wenigen zaghaften Zweifel an der Lieferung von immer mehr schweren Waffen in die Ukraine aus Washington bisher bekam.

Es wirkt im Gegenteil mittlerweile sogar so, als wären die teilweise hochkritischen Töne aus Kiew Richtung Berlin von den USA sorgfältig souffliert oder mindestens gebilligt, Verständnis für die Sorgen eines „Freundes“ sehen jedenfalls anders aus. Und beispielsweise der französische Präsident Macron bekommt solche harsche Kritik nicht zu hören.

Wenn nun also Deutschland grundsätzlich verdächtig ist, irgendeine pazifistische Grundhaltung in seiner DNA ins Feld zu tragen, dann ist das wenig verwunderlich und präziser die DNA Westdeutschlands und der Friedensbewegung, die in den 1980er Jahren im freien Teil Deutschlands Hunderttausende auf die Straßen gebracht hat.

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„Kontraste“ moderiert seinen Beitrag folgendermaßen an: „Die AfD hat einen neuen Markenkern: Verkauft sich jetzt als ,Friedenspartei' - als ob es irgendeine Partei gäbe, die für diesen Krieg eintritt – und auch sonst ist ihnen ihr Hang zu Übertreibung geblieben.“

Ist das nur ein sprachliches Dilemma? Kann man tatsächlich gegen Krieg sein, indem man fordert, so viele schwere Waffen in ein angegriffenes Land zu pumpen, bis dieser Krieg gewonnen ist? Das ist zumindest aus der Sicht der traditionellen Friedensbewegung eine mehr als gewagte These.

Und es spielt mit der Idee eines gerechten Krieges. Es denkt den Akt der Befreiung mit, den Europa erfuhr, als die geballte militärische Macht der Alliierten den Zweiten Weltkrieg im Mai 1945 nach fast sechs Jahren einer apokalyptischen Zerstörung beendete. Deutschland selbst war zu dem Zeitpunkt von alliierten Bombern in Schutt und Asche gelegt und die zerschlagene Wehrmacht hatte eine Blutsspur durch ganz Europa gezogen mit 60 Millionen Toten im Gepäck.

Die ARD zitiert Tino Chrupalla, den Fraktions- und Parteivorsitzenden der AfD:

„Ich halte das wirklich für abwegig, eine Atommacht in die Knie zu zwingen. Und noch dazu auf dem Rücken der Ukrainer. Die Amerikaner kämpfen auf ukrainischem Gebiet bis zum letzten Ukrainer. Sie sind die eigentlichen Profiteure dieses Krieges und so kann es nicht weitergehen.“

Das sei Kreml-Propaganda, so das Magazin Kontraste. Zur Wahrheit gehört allerdings dazu, dass sich Chrupalla schon im März 2022 vom russischen Präsidenten folgendermaßen distanziert hatte:

„Ich bin kein Putin-Versteher, ich bin auch kein Washington-Versteher oder Brüssel-Versteher. Ich sehe mich als Politiker, der deutsche Interessen im In- und Ausland vertritt.“

Kontraste nimmt auch den Abgeordneten Petr Bystron in die Mangel, bezeichnet den Auslandsexperten der AfD als „aggressivsten Kreml-Propagandist“ und bleibt dabei die Bezugsgröße schuldig: Nur der AfD oder der ganzen Welt? Oder nein, es ist nur ein Nachsatz, der sich dann schon wieder mit einer Fernsehsendung des russischen Polit-Moderators Wladimir Solowjow befasst. Das Magazin scheint diese Verwischungen hier ganz bewusst zu setzen, um Bystron zu diskreditieren.

Auch der AfD-Abgeordnete Karsten Hilse wird zitiert, das ist jener Politiker, der den versammelten etablierten Parteien im Bundestag schon einmal seine Verachtung erklärte. Hilse wird zitiert mit dem Satz:

„Das hätte ich mir nicht vorstellen können, dass deutsche Panzer wieder in Richtung Russland wie damals halt in Richtung Sowjetunion fahren und dort quasi in den Krieg eingreifen wollen.“

Interessant ist hier, vorausgesetzt, das Zitat ist nicht aus einem Zusammenhang gerissen worden, dass es da offensichtlich in der AfD Unterschiede in den Formulierungen bzw. im Standpunkt gibt. Denn es ist ja etwas anderes, ob ich sage, deutsche Panzer rollen wieder gegen russische Soldaten oder gegen Russland. Wenn die ukrainische Armee in der Ukraine den russischen Angreifer bekämpft, kann man ja schwerlich von einem Angriff gegen Russland sprechen. Das wäre erst der Fall, wenn der Feind über die Landesgrenzen hinweg vertrieben würde, beispielsweise mit dem Argument, etwa eine Art Sicherheitskorridor schaffen zu wollen.

Über die Motivation für solche ÖR-Berichte muss man nicht lange Rätsel raten. Als maximale Provokation mag bei vielen angekommen sein, dass der Parteichef der AfD das Friedensmanifest von Sahra Wagenknecht (Die Linke) und Alice Schwarzer (Publizistin und Herausgeberin „Emma“) zum sofortigen Stopp der Waffenlieferungen in die Ukraine unterzeichnete.

Mal abgesehen von der Verstörung bei Wagenknecht selbst, ließe sich hier recht einfach auch die Historie der CDU mit ins Spiel bringen, wenn man sich daran erinnert, dass CDU-Generalsekretär Heiner Geißler der SPD für ihre Entspannungspolitik Anfang der 1980er Jahre bescheinigte, eine „Fünfte Kolonne“ Moskaus zu sein. Willy Brandt bedankte sich damals mit der Titulierung in Richtung Geißler, dieser sei der „schlimmste Hetzer seit Goebbels“.

Da muss man dann auch nicht lange recherchieren um einen SPD-Funktionär zu finden, der seine Parteigeschichte nicht vernünftig verinnerlicht hat und seinerseits die AfD als Fünfte Kolonne Moskaus bezeichnet, so wie zuletzt Jörg Nürnberger, der Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Hof.

Jetzt können die Auftritte von Chrupalla, Bystron, Hilse und anderen AfD-Politikerin allesamt nicht verhehlen, dass es innerhalb der Partei in der Ukrainefrage durchaus ambivalente Stimmen gibt. So war ein am Vortag von alexander-wallasch.de geführtes Gespräch mit dem Büro eines solchen Vertreters geprägt von einem sorgfältigen Abwägen der Worte und einer erstaunlichen Gereiztheit bei offensichtlich vom Büroleiter als unbequem eingeordneten Nachfragen.

Das ZDF titelte schon im Mai 2022: „Das Russland-Dilemma der Rechten: Putins Krieg spaltet die AfD“. Und die Welt griff genüsslich eine Reise des verteidigungspolitischen Sprechers der AfD nach Kiew auf, die Zeitung will Warnungen im russlandfreundlichen AfD-Lager der AfD gefunden haben, die von einer „Amerikanisierung der Rechten“ sprechen. Wer das wo gesagt haben soll, bleibt hinter der Bezahlschranke verborgen, weitere Recherchen ergeben keine Treffer.

Die grüne Tageszeitung taz schrieb schon wenige Tage nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine über die Haltung der AfD, vermessen an einer Bundestagsrede des Parteichefs:

„Chrupallas Sicht auf den Krieg und Russland ist alles andere als Konsens in der Partei. Die Basis rumort, derzeit vergeht kaum ein Tag, in denen es keinen Bericht gibt über ausgetretene AfD-Abgeordnete in Land- oder Kreistagen, oft mit Bezug auf den Ukraine-Kurs. Der Krieg ist eine weitere Zerreißprobe für die ohnehin tief zerstrittene AfD.“

Aber die "taz" geht noch weiter, wenn es da im direkten Vergleich maximal diskreditierend heißt: „Während einige Neonazis gar zum Kämpfen in die Ukraine fahren wollten, verteidigen andere Putins Positionen.“ Hier muss man dann daran erinnern, dass das von Grünen mitgegründete und heute entsprechend regierungsnahe Blatt selbst alles andere als friedensbewegt ist. Der Gründungsmythos der taz war sogar geprägt von Spendenaufrufen für Waffenlieferungen für südamerikanische Guerillas.

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Und die Stimmung in der grünen taz-Redaktion zu den Waffengeld-Sammlungen – aufgeschrieben hier von der taz selbst – könnte übersetzt so ähnlich bald fünfzig Jahre später auch die Debatten innerhalb der AfD beschreiben:

„Dabei war ,das Waffenkonto', wie es in der Szene bald nur noch genannt wurde, immer umstritten gewesen, und schon der erste Aufruf war nur unterschrieben mit ,Die Mehrheit in der taz'. 1980, das war nicht nur Häuserkampf in Berlin, Anti-Atom-Kampf in Brokdorf und Solidarität mit den Befreiungsbewegungen in Lateinamerika und anderswo. Es war auch die Zeit der Friedensbewegung, und ein Gutteil derjenigen, die im Bonner Hofgarten und anderswo gegen die Pershing II und Cruise Missiles demonstrierten, waren PazifistInnen, die mit einer Geldsammlung für Waffen nichts anfangen konnten.“

Es geht der AfD heute also nicht anders als den Grünen und der taz Anfang der 1980er Jahre. Mit nur einem Unterschied vielleicht: Diese internen Debatten, die man auch als Kerndebatten innerhalb einer funktionierenden Demokratie bezeichnen darf, werden bei den etablierten Parteien systematisch unterdrückt. Und nicht verhehlen darf man hier, dass es sich die AfD dabei alles andere als leicht macht.

Insbesondere beispielsweise dann, wenn Landtagsabgeordnete der AfD im September 2022 ernsthaft die Idee hatten, sich auf die Reise zu machen, über die Route Russland-Ukraine die eroberten Gebiete im Donbas zu besuchen, die Reise wurde vorzeitig abgebrochen.

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