Mut zur Schrumpfung: Das demographische Phantomproblem Deutschlands

Die Kinderzimmer der Deutschen sterben – und niemand stoppt das Massensterben

von Alexander Wallasch (Kommentare: 4)

Vermehrungsprobleme?© Quelle: Pixabay/sbj04769

Das demographische Problem ist kein Naturgesetz, sondern ein politisch-ökonomisches Versagen, das durch Wachstumszwang und Bequemlichkeit verstärkt wird. Wer ein Deutschland der Deutschen noch will, muss raus aus der Wachstumsfalle. Warum die Entscheider Wachstum über Nachwuchs stellen – und wie wir die Wachstumsfalle dennoch sprengen können.

Deutschland, das Land der Dichter und Denker, ist auch das Land der schrumpfenden Kinderzimmer. Seit den geburtenstarken Jahrgängen der Nachkriegszeit hat sich die Nation in ein paradoxes Experiment verwandelt: Eine der reichsten Gesellschaften der Welt ringt mit einer Geburtenrate, die unter dem Reproduktionsniveau von 2,1 Kindern pro Frau dümpelt – aktuell bei 1,35.

Warum hat die Bundesregierung dieses mutmaßliche Problem nicht oder zu spät erkannt? Und warum fehlte es bis heute an einer vernünftigen Familienpolitik, die Geburten von Deutschen massiv subventioniert – stattdessen kleinliche Debatten, schon wenn es darum geht, eine Herdprämie auszuzahlen? 2007 wurde „Herdprämie“ zum Unwort des Jahres erklärt – man war sich demnach durchaus bewusst, dass es sich hier um eine Verunglimpfung der Familien handelt. Aber allenfalls erzkatholische Stimmen wie Bischof Walter Mixa bezogen Stellung und verteidigten das traditionelle Familienkonzept als Garant einer hohen Geburtenrate. Der Begriff „Herdprämie“, so der Bischof, sei eine „Respektlosigkeit gegenüber Eltern, die ihre Kinder nicht in eine Krippe schicken, sondern zu Hause betreuen.“

War es Ignoranz, wirtschaftliches Kalkül oder gar eine verdeckte Agenda, die den deutschen Nachwuchs opferte? Fakt ist: Zuwanderung wird als unvermeidbar verkauft. Aber sie ist kein Naturgesetz. Da klingt folgende rationale Feststellung beinahe schon wie eine radikale These:

Eine Gesellschaft kann auch mit weniger Geburten überleben, nur eben unter anderen Bedingungen: weniger Wachstum, mehr Effizienz, weniger Konsum, mehr Solidarität.

Ist die Solidargemeinschaft ein Auslaufmodell oder ideologisch pfui, weil zu nahe an der deutschen Schicksalsgemeinschaft der 1930er und 1940er Jahre?

Die Nachkriegszeit war eine demographische Explosion, bald so, als wollten sich die Deutschen nach den Schrecken des Krieges einmal komplett neu reproduzieren. Die Geburtenrate stieg schnell in den 1950er und 1960er Jahren. 1964 erreichte sie ihren Zenit mit 1,36 Millionen Neugeborenen – ein Baby-Boom, der die Wirtschaft antrieb und die Gesellschaft neu formierte: Wer Kinder hatte, der musste Kinder versorgen, wer versorgen musste, der musste schaffen, Häusle bauen, den Kühlschrank füllen und finanzielle Mittel erarbeiten etwa für den Sommerurlaub an der Adriaküste im neuen Volkswagen, der wiederum ebenfalls finanziert werden wollte.

Die Geburtenziffer kletterte auf 2,5 Kinder pro Frau, das Leben war geprägt von wirtschaftlichem Aufschwung, familiären Werten und der simplen Biologie: Junge Paare – ehemalige Kriegskinder – hungrig nach Normalität, vermehrten sich.

Dann folgten die 1970er Jahre mit der Antibabypille, der sexuellen Revolution und mit dem Kampf um Gleichberechtigung der Geschlechter. Und mit der Emanzipation der Frau auch der Eintritt der Frauen in den Arbeitsmarkt. Wer sich an die damaligen Verhältnisse erinnert, der weiß um die für viele Frauen oft erdrückende Benachteiligung und Ungleichheit.

Bis 1975 sank die Geburtenrate auf 1,46. 2011 erreichte sie ihren Tiefpunkt mit nur 663.000 Geburten. Seitdem pendelt sie um die 700.000-Marke und begünstigt so Jahr für Jahr mehr die Alterung der Gesellschaft. Bis 2050 wird die Erwerbsbevölkerung um 10 Millionen schrumpfen, während Rentner auf 23 Millionen anwachsen. Der demographische Wandel ist mitten in der Gesellschaft angekommen.

Aber das kam ja alles nicht aus heiterem Himmel! Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen? Ab wann realisierten die Bundesregierungen diese Entwicklung und entwarfen Gegenmaßnahmen? Frühe Warnsignale gab es in den 1970er Jahren. Der Bevölkerungswissenschaftler Rainer Mackensen diagnostizierte einen „Bevölkerungsrückgang“und forderte pronatalistische https://de.wikipedia.org/wiki/Pronatalismus Maßnahmen.

Doch unter Willy Brandt (SPD) und Helmut Schmidt hatte die Welt andere Probleme. Man war viel mehr mit dem Kalten Krieg und dem weltweiten Kampf um Öl als zentralen Antriebsstoff der Wirtschaft beschäftigt.

Das änderte sich in der öffentlichen Wahrnehmung erst Anfang der 1990er Jahre in den Jahren nach der deutschen Wiedervereinigung. Es gab zwar mit einem Mal 16 Millionen Deutsche mehr, auch die Geburtenrate in der DDR war etwas höher als in der Bundesrepublik, aber insgesamt war der Schrumpfungstrend ein gesamtdeutsches Phänomen.

In 16 Jahren unter CDU-Kanzler Kohl wurde das demografische Problem zwar benannt, aber auch hier kam man nicht über große Gesten hinweg – eine nationale Anstrengung im Sinne eines Notstands wurde nicht ausgerufen.

Schließlich betrachtete man das deutsche Kind als sprichwörtlich in den Brunnen gefallen: Schröders Rote-Grüne Koalition erklärte zur Jahrtausendwende eine Art „Demographie-Sachzwang“-Diskurs. Die Förderung der Familie und einer Steigerung der Kinderzahl der Deutschen wurde endgültig ad acta gelegt und durch die ideologisch als „Vielfalt“ geschmückte Idee ersetzt, dass man junge Menschen aus dem Ausland nach Deutschland holt, wenn man sie benötigt: Einwanderung als unvermeidbare Kompensation.

Die Merkel-Regierungen knüpften hier nahtlos mit einer „Demografiestrategie der Bundesregierung“  an, die zwar noch halbherzig und pro forma von Familienförderung sprach, diese aber explizit mit Zuwanderung verknüpfte.

Deutschland verweigerte sich dem japanischen Modell, das allerdings seit Jahrzehnten zeigt: Eine Gesellschaft kann mit Schrumpfung leben – auch ohne Masseneinwanderung. Das Narrativ einer Massenzuwanderung als eine Art Naturkatastrophe hält sich dennoch hartnäckig.

Die illegale Zuwanderung der Massen ist in Deutschland zweifelsfrei eine politisch gewollte. Aber warum wurde hier niemals vernünftig gegengesteuert? Warum kam Deutschlands Familienpolitik niemals über den Status des Flickwerks hinaus? Die Ineffizienz könnte ja kaum größer sein!

In der Nachkriegszeit war das „deutsche Familienmodell“ unangefochtenes Mehrheitsmodell: Der Mann als Brotverdiener, die Frau und Mutter als Hausfrau. Adenauers CDU subventionierte Mütter, die zu Hause blieben. Adenauers Familienminister Franz-Josef Würmeling erklärte damals etwa:

„So ist die Mutter daheim, zumal der Vater weithin nicht daheim ist, heute noch vielfach wichtiger als früher. Eine Mutter daheim ersetzt vielfach Autos, Musiktruhen und Auslandsreisen, die doch allzu oft mit ihrer Kinder gestohlenen Zeit bezahlt wurden.“

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Die Geburten sanken danach trotzdem unaufhaltsam, der Wandel kam. Hier kann man nochmal auf die DDR schauen, wo Vollzeitjobs für Frauen und Krippen für alle die Geburtenziffer höher hielten als im Westen. Vorbildhaft für die Bundesrepublik konnte das dann aber schon aus ideologischen Gründen nicht sein.

Fusionierte man nach der Wiedervereinigung das Beste aus beidem? Fehlanzeige. Hätte die Bundesregierung hier eine Idee gehabt, dann wären gesteigerte Geburten von damals die Leistungsträger von heute – ganz ohne diese echte bzw. künstlich erzeugte Demografiepanik.

Die Schröder-Fischer-Regierung trieb die Idee vom Import von Menschen weiter voran: Die Hartz-Reformen scheuchten viele deutsche Frauen in den Niedriglohnsektor, ohne Betreuungsinfrastruktur. Erst Jahre später wurde unter Merkel das Elterngeld eingeführt. Zu spät?

Fakt bleibt, dass die Geburtenrate zwar kurzfristig stieg, aber bald wieder sank – eine Korrelation ist nicht einmal erwiesen.

Aber wenn das Demografieproblem so einflussreich ist, warum wurde dann nicht früher und radikaler gegengesteuert? Es gibt hier grundsätzlich nur zwei erfolgversprechende Wege: die Förderung des klassischen Familienmodells und die Kita-Modelle der DDR.

Waren die Bundesregierungen auf diesen Honigtopf „Gastarbeiter“ reingefallen? Denn seit den 1960er Jahren sah man Migration zunehmend als Ersatzlösung: Günstige, flexible Löhne ohne langfristige Sozialkosten. Die Industrie positionierte sich direkt oder mindestens indirekt gegen eine Familienpolitik: Warum Milliarden in Krippen stecken, wenn Türkei, Polen und Syrien Qualifizierte liefert?

Noch 2025 fährt Außenminister Wadephul nach Afrika und besichtigt und fördert dort neue Ausbildungsstätten als eine Art Facharbeiterfabriken für Deutschland. Muss Deutschland zwingend ein Einwanderungsland sein, um zu überleben?

Aber was für ein Deutschland soll das zukünftig sein, wenn nicht das Land des deutschen Volkes? Das Land von Deutschen unterschiedlicher Herkunft und Kultur, die sich zu welchen Werten bekennen? Das Grundgesetz als letztes Bollwerk vor der Beliebigkeit? Wer hat hier die Finger ausgetreckt?

Wie viele Grundgesetzänderungen gab es in den letzten 25 Jahren? Der Neokapitalismus maximiert kurzfristigen Profit. Kinder? Viel zu teure Investitionen mit 18-jährigem Wartezimmer. Zuwanderer? Sofort einsatzbereit, oft ohne Rentenansprüche. Wer wider Erwarten nicht für den Arbeitsmarkt taugt, wird ins Bürgergeld gedrückt. War es nicht der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), der jährlich 400.000 Zuzüge forderte – nicht aus Humanität, sondern aus Wachstumszwang?

Sind das schon Antideutsche? Jedenfalls tickt diese Gruppe ganz anders: Das Bruttoinlandsprodukt muss ihnen steigen, koste es, was es wolle. Schrumpfung würde Löhne steigen lassen, Konsum dämpfen, Immobilienpreise senken – ein Albtraum für Aktionäre. Der demographische Wandel wird nicht bekämpft, sondern gemanagt.

Nein, Zuwanderung ist kein Muss! Historisch schrumpften Gesellschaften immer wieder. Man kann mit weniger Menschen leben. Die Ampel-Regierung hat die Wirtschaft übrigens aus öko-ideologischen Gründen zerstört – vollkommen losgelöst von der Frage eines Demografieproblems.

Aber wie schaffen es nun schrumpfende Bevölkerungen, auch wirtschaftlich zu bestehen? Hier sind KI und Automatisierung zwei Stichwörter für weniger Wachstum und mehr Produktivität. Zudem muss eine höhere Erwerbsquote (Frauen, Ältere) angestrebt werden – selbstverständlich bei kürzeren Arbeitszeiten. Aber auch kulturell sind die Herausforderungen groß, bieten aber – hört, hört! – sogar Chancen für klassisch grüne und linke Themen:

Weniger Konsum, mehr Gemeinschaft, ländliche Reanimation statt Metropolenwahn.

Die Bundesregierungen aber verweigern diese Debatte. Das Problem ist nicht die Demographie, sondern das Wachstumsdogma. Aber welche Regierung würde sich trauen, das zu thematisieren?

Ironie der Geschichte: Ist eine linke antikapitalistische Agenda am Ende viel näher dran an einer Lösung des Demografieproblems als eine konservativ-kapitalistische?

Worauf sich alle einigen können: Deutschlands demographisches Drama ist kein Schicksal, sondern ein Systemfehler. Eine vernünftige Politik muss nicht auf eine illegale Massenzuwanderung bauen. Sie hat alle Möglichkeiten, es besser zu machen: Geburten fördern (Skandinavien-Modell: Massiv Geld in Kitaplätze, Väterurlaub, Wohnraum). Schrumpfen akzeptieren (Japan-Modell: Roboter, Effizienz, Solidarität). Wachstum entkoppeln (Postwachstumsökonomie: Wohlstand ohne BIP-Fetisch).

Es bleibt ein Trauma des Westens: Demographie ist solange unspektakulär, bis der Damm bricht und das Dilemma zuschlägt. Aber noch hat Deutschland die Wahl: Entweder deutsche Kinderzimmer füllen mit Mut und Milliarden und eben nicht ausschließlich mit dem Nachwuchs der illegalen Massenzuwanderung. Dazu den Willen, Schrumpfen zu lernen – mit Weisheit und Anpassung. Anstatt die wohl dringendste Frage unserer Zeit weiter stumpf mit Zuwanderung und Zerfall zu beantworten.

Libertäre Ideen sind hier übrigens Gift, weil potenziell Brandbeschleuniger einer illegalen Massenzuwanderung.

Wenn wir jetzt nicht schnellstens reagieren, wird der Preis der Ignoranz hoch sein: Ein Land ohne Erben – oder mit Erben, die dieses Land nicht mehr verstehen und die Geschichte der Deutschen beenden. Die wird nämlich nicht von der Demografie beendet, sondern durch eine fortlaufende illegale Massenzuwanderung. Zeit, die Wachstumsfalle zu sprengen. Bevor die Geschichte sie zuschnappen lässt.

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