Ein deutlicher Hinweis: Die Kosten der drei Verfahren werden halbiert

Die Urteilsbegründung: Drosten wollte Wiesendanger zum Schweigen bringen – missglückt!

von Alexander Wallasch (Kommentare: 6)

Wie bitte? Das Gericht stellt fest, dass es einen „nicht unerhebliche(n) Unterschied“ gäbe zwischen der Behauptung, Drosten hätte die Öffentlichkeit „gezielt getäuscht“ oder sich an einer „Desinformationskampagne“ beteiligt.© Quelle: Roland Wiesendanger / Youtube / NDR, Montage Alexander Wallasch

Einer der renommiertesten Forscher zur Laborthese, Prof. Roland Wiesendanger, muss sich noch eine Weile länger mit dem Staatsvirologen Christian Drosten herumärgern. Jetzt kam die Urteilsbegründung im Berufungsverfahren.

Mitte Mai 2020 veröffentlichte der Focus einen Artikel mit der Schlagzeile:

„,Kompletter Unsinn': Drosten widerlegt Labor-Theorie und bügelt Nobelpreisträger nieder“

Im Intro der Zeitung heißt es dazu:

„Top-Virologe Christian Drosten erklärt, warum es nur eine Antwort darauf geben kann.“

In den letzten drei Jahren entstanden viele Aussagen rund um Corona von Fachleuten, die unter dem Schutzschild der Regierung tätig waren oder es noch sind und die „nur eine Antwort“ und keine Alternativ-Meinung mehr zulassen wollten.

So erklärte beispielsweise der regierungsnahe Blog „Übermedien“ im Februar 2021 in Rahmen eines Diffamierungsartikels gegen den Virologen und Drosten-Kritiker Hendrik Streeck: „Fehler einzugestehen und zu korrigieren ist ein wesentliches Merkmal von seriöser Wissenschaft.“

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Aber wie seriös ist es dann, wenn Christian Drosten die Auffassungen von Kollegen bis hin zu einem Nobelpreisträger diskreditiert bzw. darauf besteht, dass die Laborthese als Ursprungsort des Coronavirus – darum geht es nämlich hier – „damit vom Tisch“ sei?

Kann man ja machen, aber dann sollte man schon felsenfest davon überzeugt sein, den Stein der Weisen entdeckt zu haben. Der aber wurde bröckelig, die Frankfurter Rundschau schreibt im Februar 2022:

„Deutschlands Top-Virologe Christian Drosten schließt einen unnatürlichen Corona-Ursprung nicht aus – vor allem wegen fragwürdiger Experimente in Wuhans Laboren.“

Ist das das berühmte Hintertürchen, wenn Christian Drosten bezugnehmend auf „Gain-of-Function-Experimente“ nebulös andeutet: „Es wurden in Wuhan durchaus Sachen gemacht, die man als gefährlich bezeichnen könnte“?

Im weiteren Verlauf dieses Artikels könnte man tatsächlich auf die Idee kommen, Hintertürchen seien eine Spezialität des 50-jährigen Virologen.

Wieder ein Jahr später ist Drosten von der Bildfläche fast verschwunden, seine „Beisitzer“ bei den Bundespressekonferenzen, Angela Merkel, Jens Spahn und Lothar Wieler, waren schon weg oder machen es ihm nach, als Drosten sich noch einmal umdreht und in den Saal hineinruft: Ätsch, war alles nur Quatsch. Oder im exakten Wortlaut Drostens: „Die Pandemie ist vorbei.“

Und weg war er. Nein, nicht ganz. Einer der renommiertesten Forscher zur Laborthese, Prof. Roland Wiesendanger, muss sich noch eine Weile länger mit Drosten herumärgern, denn der vielfach als „Staatsvirologe von Merkels Gnaden" belächelte oder gar verspottete Fernsehstar-Virologe Christian Drosten hatte Wiesendanger kurzerhand verklagt wegen eines Interviews von Wiesendanger im Cicero.

Das Urteil wurde an Nikolaus 2022 verkündet, vor wenigen Tagen nun bekam Prof. Wiesendanger die Begründung zugesandt.

Machen wir es kurz: Wenn wir das Urteil seriös interpretieren, wurden von den ursprünglich neun angezeigten Aussagen von Wiesendanger in besagtem „Cicero“-Artikel vom 2.2.2022 (Unterpunkte der Unterlassungsklage eingerechnet) insgesamt 6 Aussagen Wiesendangers als zulässig erklärt, während lediglich zwei Aussagen vom Hanseatischen OLG als „unzulässig“ bestätigt wurden.

Weiterhin nicht behaupten darf Wiesendanger folgende beiden Punkte:

1. ,,(,..) Christian Drosten habe die Öffentlichkeit gezielt getäuscht“.

2. ,,die Bewegung ,,Scientists for Science“, zu deren Mitbegründer Christian Drosten zählte, habe das Ziel gehabt, die virologische Forschung frei von Beschränkungen zu halten“.

Warum nicht?

Zunächst einmal führt das Gericht dankenswerterweise noch einmal auf, was für Wiesendanger und andere so empörend war:

„Am 19. Februar 2020 wurde ein offener Brief internationaler Corona-Experten - unter ihnen auch der Antragsteller (Red.: Drosten) - in dem Wissenschaftsjournal ,The Lancet' veröffentlicht, in dem es unter anderem heißt (im Original in englischer Sprache): ,,Wir stehen zusammen und verurteilen auf das Schärfste Verschwörungstheorien, die besagen, dass COVID-19 keinen natürlichen Ursprung hat.' (Anlagen Ast 7 und 8).“

Nicht mehr sagen indes darf Roland Wiesendanger, „(...) Christian Drosten habe die Öffentlichkeit gezielt getäuscht". Das allerdings hat er gar nicht. Dieser Satz wurde ihm gewissermaßen vom Interviewer des Ciceros souffliert:

Cicero: „Nun werfen Sie diesen Virologen - zu denen auch Herr Drosten zählt - aber nicht nur vor, sich geirrt, sondern die Öffentlichkeit gezielt getäuscht zu haben.“ Wiesendanger: „So ist es. …“

Dass Gericht entscheidet in dem Punkt für Drosten, der demnach die Öffentlichkeit nicht gezielt getäuscht haben soll, sondern womöglich aus Unvermögen unabsichtlich? Das Gericht schreibt:

„Die Worte, der Antragsteller habe die Öffentlichkeit gezielt getäuscht, werden danach zwar nicht unmittelbar von dem Antragsteller in das lnterview eingeführt, sondern von dem lnterviewer (der damit indessen wiederum eine Position des Antragsgegners wiederzugeben sucht). Mit der ausdrücklichen Affirmation ,,So ist es' nimmt der Antragsgegner die Außerung des lnterviewers indessen explizit auf und macht sie damit ausdrücklich zu seiner eigenen Außerung.“

Die Verteilung der Kosten, der Streitwert der drei Verfahren sind ein starker Hinweis zur Bedeutung des Urteils (Drosten ist hier „Antragsteller“):

„Von den Kosten des Erlassverfahrens erster lnstanz haben nach einem Wert von € 70.000,00 der Antragsteller 67 % und der Antragsgegner 33 % zutragen, von den Kosten des Widerspruchsverfahrens erster lnstanz nach einem Wert von € 35.000,00 der Antragsteller 30 % und der Antragsgegner 70 % und von den Kosten des Berufungsverfahrens nach einem Wert von € 22.500,00 der Antragsteller 33 % und der Antragsgegner 67 %.“

Von insgesamt 127.500 Euro Streitwert muss Christian Drosten also 64.825 Euro tragen, dass sind nach Adam Riese 50,84 Prozent.

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Was diese Verteilung bedeutet, befragen wir Rechtsanwalt Alexander Christ, er ist als Sprecher des Verteidigerteams von Michael Ballweg derzeit ein viel gefragter Mann:

„Ich kenne die Details des Urteils nicht. Aber anhand der Kostenentscheidung habe ich eher den Eindruck, dass der Rechtsstreit nicht eindeutig zugunsten einer Partei entschieden wurde. Wäre dem so, würde man eine weit überwiegende Kostenlast auf der unterlegenen Partei sehen. Das Gericht hat hier mutmaßlich einige gute Argumente auch auf Seiten des Antragsgegners Wiesendanger gesehen und diesem jedenfalls nicht die vollen Kostenlasten auferlegt.“

Kurz zur Erinnerung, um was Christian Drosten hier eigentlich streitet: Nämlich darum, das Wiesendanger nicht sagen soll, er, Drosten, hätte die Öffentlichkeit „gezielt getäuscht“. Er hätte nur sagen dürfen, Drosten habe sich geirrt.

Hier wird auf Antrag von Drosten per Gericht die deutsche Sprache seziert. Und das vor dem Hintergrund, dass mutmaßlich in gehörigem Maße auch Drostens Empfehlungen dazu beigetragen haben, Millionen Menschen über mehrere Jahre in ihren Grundrechten massiv einzuschränken und eine Atmosphäre zu erzeugen, die mitunter der einer Progromstimmung gegen Ungeimpfte und Kritiker des Corona-Regimes sehr nahe kam.

Die Frage, ob das Virus menschengemacht aus einem Labor entwichen ist, ist dabei von zentraler Bedeutung. Denn es definiert eine Schuld einer dunklen Seite der Wissenschaft versus der Unschuld eines Naturereignisses.

Das Gericht agiert hier auf Drostens Klage hin wie auf dem Germanistik-Proseminar, während beispielweise aktuell in der „Zeit“ schon einige Herrschaften des Corona-Regimes so etwas wie Abbitte leisten.

Das Gericht schreibt in seinem Urteil (hier als Ausschnitt nur exemplarisch abgebildet):

„,lrren' bedeutet in diesem Gegeneinandersetzen eine Aussage tätigen, die unrichtig ist, von der der Äußernde aber nicht weiß, dass sie unrichtig ist, während ,,Täuschen' als expliziten Gegenbegriff dazu von dem Rezipienten aufgefasst wird als eine Aussage tätigen, die unrichtig ist und von der der Äußernde auch weiß, dass sie - Seite 1 von 13 - unrichtig ist, mithin als eine Lüge.“

Es geht absatzweise so weiter. Und es klingt tatsächlich ziemlich irre. Aber was blieb dem Gericht über, das sich nun Mal auf Drostens Klage hin mit so etwas beschäftigen musste, was am Ende einen Streitwert von 125.000 Euro verursacht hat.

Das Gericht stellt zuletzt sogar fest, dass es einen „nicht unerhebliche(n) Unterschied“ gäbe zwischen der Behauptung, Drosten hätte die Öffentlichkeit „gezielt getäuscht“ oder sich an einer „Desinformationskampagne“ beteiligt.

Oder anders: Das Gericht erklärt hier nichts anderes, als dass Wiesendanger besser gesagt hätte, Drosten hätte sich nur an einer solchen Kampagne beteiligt, anstatt ihm eine gezielte Täuschung vorzuwerfen.

Das Gericht zitiert eine NDR-Sendung vom 9. Juni 2021:

,,[Interviewer] Herr Drosten, .., Sie schreiben, dass Sie Verschwörungstheorien verurteilen, die darauf hindeuten, dass Covid-19 keinen natürlichen Ursprung hat. ...

[Antragsteller] Genauso gibt es wahrscheinlich nur wenige Wissenschaftler, die restlos oder überhaupt überzeugt sind von einer Laborherkunft. ... Wenn Sie z.B. auf diese relativ frühe ,Lancet'-Veröffentlichung ... abheben, das war erst mal nur eine Solidaritätskundgebung ..."

Wie bitte? Nochmal langsam: Die Stigmatisierung und Diffamierung von Vertretern der Laborthese als Verbreiter einer Verschwörungstheorie ist eine „Solidaritätskundgebung“ mit den Vertretern der Zoonose?

Aber was für eine Art der Solidarität soll das denn sein, sich mit einer Haltung zu solidarisieren, gegenläufige Thesen als „Verschwörungstheorien“ zu bezeichnen?

Noch einmal das Gericht in seinem Urteil:

„(E)ine ,Desinformation' kann auch ohne Lüge betrieben werden, indem - gegebene - Tatsachen in Auswahl oder unter Beigabe von bewertenden Vokabeln vermittelt werden, so dass bei diesem Vorwurf das Moment des Meinens und Dafürhaltens überwiegt, das einer Meinungsäußerung immanent ist.“

Fakt ist: Roland Wiesendangers Berufung wurde in einem Punkt stattgegeben. Explizit heißt es dazu: „Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg vom 14. März 2022, Az 324 O 88122, wird in Punkt l. 2. aufgehoben.“ In den weiteren Punkten wird die einstweilige Verfügung bestätigt. Die Begründungen dazu waren hier eben auszugsweise zu lesen – zu verstehen waren sie absatzweise nicht.

Hier darf man sich auch unter keinen Umständen auf die falsche Fährte locken lassen:

Es geht hier um nicht weniger als die Meinungsfreiheit als besonders hohes Gut. Und es geht um die Freiheit der Wissenschaft. Es geht auch darum, wie wir gedenken, in Zukunft miteinander umzugehen. Und es geht hier um einen – wenn nicht den – hauptverantwortlichen Berater des Corona-Regimes. Es geht um fatale Entscheidungen, die viele Menschen ins Unglück gestürzt haben.

Was man besonders fatal finden darf, ist, dass es hier nur um eine exemplarische Auseinandersetzung geht, die durchaus Ähnlichkeit mit weiteren Auftritten von Christian Drosten hat.

Nehmen wir nur das Beispiel Schulschließungen: Da empört sich Drosten Ende 2021 im Tagesspiegel, dass er das Etikett des „Kinderquälers“ aufgedrückt bekommen hätte, weil Schulen geschlossen worden wären. Er, Drosten, hätte doch „damals nur lokale Schließungen einzelner Schulen“ empfohlen.

Das allerdings seine beratende Tätigkeit und Anwesenheit in der Ministerpräsidentenkonferenz mit Angel Merkel am Ende dafür gesorgt hat, dass die Schulen allesamt geschlossen wurden, will Drosten so nicht zu verantworten haben, gegenüber der „Zeit“ sagt er, „das muss die Diskussionsdynamik dieser Ministerpräsidentenkonferenz gewesen sein, nachdem wir den Raum verlassen hatten.“

So klingt tatsächlich eine gut zurecht gelegte Ausrede, falls etwas schiefgeht und dann, wenn man keine Verantwortung dafür übernehmen will, wie Beratungen von jenen aufgenommen werden, die man berät. Das Orakel von Delphi hat sich demgegenüber deutlicher positioniert.

Und die heilige Dame soll dabei über einer halluzinogenen Verdampfung gesessen haben. Allerdings nur einmal im Jahr am Geburtstag des Apollon, Christian Drosten nutzte gefühlt bald jede Gelegenheit, sich zu offenbaren. Die Oberpriester von Delphi hatten zudem vor jeder Weissagung eine Ziege mit kaltem Wasser besprengt, blieb sie ruhig, fiel das Orakel für diesen Tag aus. Rückblickend wäre es womöglich sinnvoll gewesen, an die Journalisten der Bundespressekonferenz Wasserpistolen auszuteilen. Aber lustig ist das alles selbstverständlich nicht, deshalb nehmen sie es bitte als eine Art Galgenhumor.

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