„Kinder müssen geschützt werden. Stoppen Sie den Krieg gegen Kinder"

Die Vereinen Nationen warnen eindringlich vor einer humanitären Katastrophe in Gaza

von Alexander Wallasch (Kommentare: 9)

Das 40 Kilometer lange und zwischen 6 und 12 Kilometer breite Territorium bietet kaum Sicherheitszonen© Quelle: Youtube/ Tagesschau Screenshot

Die Vereinten Nationen sind in größter Sorge um die Bewohner des Gaza-Streifens, die von der israelischen Armee dazu aufgefordert wurden, binnen kurzer Zeit die nördlichen Gebiete zu verlassen. Weiteren Meldungen zufolge sollen sie von der Hamas davon abgehalten werden.

Tagesschau.de zitierte im Liveticker kurz nach 12 Uhr eine Sprecherin des Menschenrechtsbüro der Vereinten Nationen:

„Wir fordern einen globalen, unmissverständlichen Aufruf aller Mitgliedsstaaten der internationalen Gemeinschaft, vor allem jenen mit Einfluss, darauf zu bestehen, dass internationales humanitäres Völkerrecht respektiert wird.“

Der israelische Militärsprecher Daniel Hagari hatte kurz darauf bekräftigt, dass der Norden des Gazastreifens für die israelische Armee eine „Kriegszone“ sei. Der Sprecher bestätigte, dass es der israelischen Führung durchaus bewusst sei, dass eine Evakuierung der Zivilisten länger als 24 Stunden dauern würde.

Aber wohin sollen hunderttausende von diesem Räumungsbefehl betroffene Menschen innerhalb des Gazastreifens gehen? Der Sprecher sagte dazu lapidar: „Wir werden die Attacken kontrollieren, damit sie sich sicher bewegen können.“

Nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa soll die islamistische Hamas Menschen in Gaza bereits daran hindern, in den Süden des Küstenstreifens zu fliehen. Aber selbst, wenn es gelänge, müsste dort binnen kurzer Zeit für sehr viele Menschen eine Infrastruktur geschaffen werden, welche die zum Leben nötigsten Dinge wie Ernährung, Behausung und ärztliche Betreuung garantiert.

Janti Soeripto, Präsidentin der mit über 15.000 Mitarbeitern weltweit vertretenen NGO „Save the Children“, gab schon gestern zur Lage in Gaza eine Erklärung für die Organisation ab:

„Soforthilfe muss ungehindert geliefert werden. Kindern und ihren Familien muss es erlaubt sein, Sicherheit zu suchen. Die humanitäre Hilfe muss ausgeweitet werden, um den Anforderungen der Krise gerecht zu werden. Lebensrettende Hilfe darf Kindern nicht vorenthalten werden. Kinder müssen geschützt werden. Stoppen Sie den Krieg gegen Kinder".

Via X (Twitter) teilte die Organisation weiter mit:

„Wir sind extrem besorgt über die Anweisungen des israelischen Militärs, eine Million Menschen innerhalb von 24 Stunden aus dem nördlichen Gazastreifen zu bringen.“

Um die Dimensionen, um die es hier geht, besser einschätzen zu können: Von geschätzt rund 2,4 Millionen Menschen im Gazastreifen sind etwa die Hälfte Kinder.

Auch UN-Sprecher Rolando Gomez hatte am späten Vormittag in Genf dringend gemahnt, dass so eine Massenevakuierung in kürzester Zeit nicht ohne „verheerende humanitäre Folgen“ stattfinden könne:

„Die Vereinten Nationen rufen nachdrücklich dazu auf, einen solchen Befehl aufzuheben, um zu vermeiden, dass sich eine ohnehin schon tragische Situation in eine Katastrophe verwandeln könnte."

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WHO-Sprecher Tarik Jasarevic mahnte außerdem, dass es eine ganze Reihe von Krankenhaus-Patienten gäbe, die nicht transportfähig seien. Tagessschau.de zitiert: „Diese Menschen zu verlegen, ist eine Todesstrafe. Dies vom medizinischen Personal zu verlangen, ist grausam.“

Ebenfalls am Vormittag sind erneut 150 Raketen gegen Israel in Richtung der Stadt Aschkelon abgefeuert worden.

Eine Mitarbeiterin des UN-Hilfswerks für Palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) im Gazastreifen sprach heute früh von chaotischen Zuständen, niemand verstehe, was jetzt zu tun sei. Dieses Chaos betreffe die Mitarbeiter der UN ebenfalls: Das gesamte UN-Personal in Gaza-Stadt und im Norden des Küstengebiets sei aufgefordert worden, in Richtung Süden nach Rafah zu fliehen.

Ein Ausschnitt der Evakuierungsaufforderung der israelischen Armee lautete folgendermaßen:

„Die Terrororganisation Hamas führt einen Krieg gegen den Staat Israel, und Gaza ist ein Gebiet, in dem militärische Operationen stattfinden. Sie werden erst dann nach Gaza zurückkehren können, wenn eine weitere Ankündigung erfolgt, die dies erlaubt.“

Konkret geht es der israelischen Armee unter anderem darum, das gesamte Tunnelsystem der Hamas zu vernichten. Alexander-wallasch.de sprach mit Israelis, die allerdings noch viel mehr fordern. Einer sprach etwa davon, dass der gesamte Gaza-Streifen „plattgemacht“ gehöre und dauerhaft unter Kontrolle der israelischen Armee gestellt werden müsse.

Demgegenüber sprachen wir mit einem in Deutschland lebenden Palästinenser, der bereits einige Verwandte betrauern muss, die von den massiven Bombardierungen getötet wurden.

Um die Dimension der militärischen Antwort Israels auf den Terroranschlag zu verdeutlichen: Die israelische Luftwaffe greift aktuell 750 angebliche Ziele der Hamas im Norden des Gazastreifens an. Hier geht es demnach kaum noch um punktuelle Nadelstiche, hier wird bereits auf breiter Fläche ein Krieg geführt.

Ursula von der Leyen und Annalena Baerbock sind heute zu einem Solidaritätsbesuch in Israel eingetroffen. Unabhängig davon, was man von der Politik der beiden Frauen halten mag, die wichtige Frage ist, wie von der Leyen und Baerbock den Spagat zwischen Solidarität und der Mahnung etwa der UN an Israel bewältigen werden. Man darf allerdings ernsthafte Zweifel daran haben, dass Israel in der momentanen Situation überhaupt auf Ratschläge aus Europa hören will.

Die Deutsche Presseagentur sprach mit einer Augenzeugin im Gazastreifen. Sie sei wegen der zerstörten Straßen zu Fuß unterwegs. Sie müsse Medikamente für ihren Säugling besorgen, der schon den zweiten Tag in Folge an hohem Fieber leide, erklärte die Frau. Und weiter: „Ich habe das Gefühl, dass ich jeden Moment dem Tod näherkomme, aber das Leben der Kinder ist wichtiger.“

Und ein Bewohner aus dem Stadtteil Al-Nasr berichtet nach den Luftangriffen von ganzen Straßenzügen, die in Schutt und Asche gelegt sind. Jeder, der rausgehe, könne „jeden Moment bombardiert werden und sterben“, sagt Baroud. „Wir können uns nicht bewegen oder wichtige Dinge für unsere Kinder kaufen.“ Nach einem Angriff komme gleich der nächste. „Was hier passiert, ist verrückt.“

Nochmal in Zahlen laut UN-Nothilfebüro (OCHA): Mittlerweile seien fast 340.000 Menschen aus ihren Wohnungen geflüchtet. Und diese Menschen bewegen sich innerhalb des kleinen, nur 40 Kilometer langen und zwischen 6 und 12 Kilometer breiten abgeriegelten Gazastreifens.

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