Zwischen Bürokratie, Migration und verlorenem Gemeinschaftsgefühl – eine Bestandsaufnahme

Die Verwahrlosung unserer Städte: Ist der öffentliche Raum noch zu retten?

von Alexander Wallasch (Kommentare: 7)

Wer macht es und warum?© Quelle: Pixabay/schuetz-mediendesign

Warum verwildern unsere Innenstädte, während orange Westen nur von wenigen getragen werden? Ein kritischer Blick auf die Verantwortung für unseren öffentlichen Raum – und wie wir ihm neue Mitte geben können.

Der renommierte, heute 86-jährige Journalist mit dem wohlklingenden Namen Dankwart Guratzsch beschwerte sich Anfang Juni in einem klugen wie emotional gefärbten Artikel für die „Welt“ über die Verwahrlosung des öffentlichen Raumes.

Der Autor fährt starke Geschütze auf: Der öffentliche Raum der Innenstädte biete das Bild einer „zivilen Verrohung und geistig-seelischen Verkrüppelung“. So seien auch die allgegenwärtigen „Ohrstöpsel“ ein Symbol „gegen das Öffentliche“, der Taucherhelm, mit dem sich die kommunikative „Blase“ gegen den Anspruch der Gesellschaft an das Individuum verschanzt.

Guratzsch schließt mit den Worten:

„Der öffentliche Raum, wenn wir ihn denn in Ehren hielten, hätte das Potenzial, der zerrissenen Gesellschaft wieder eine Mitte zu geben. Heute mehr denn je.“

Wer sein Wohnzimmer mag, der pflegt es, der saugt Staub und hegt und gießt seine Grünpflanzen, wenn er so etwas mag. Gästen gegenüber präsentiert sich der Mensch im Privaten grundsätzlich gern von seiner besten Seite. Aber gilt das noch für eine Gemeinschaft von Menschen, für Straßenzüge, Dörfer, Regionen, Städte, das Land und die Republik?

Die Innenstädte verwahrlosen sichtbar noch einmal mehr im Sommer, wenn das Unkraut wuchert und das städtische Grünamt nicht mehr nachkommt. Jeder kennt aber auch die Chain Gangs in ihren orangen Westen, Sozialhilfeempfänger, die noch zu solchen Tätigkeiten unter Anleitung in der Lage sind, aber sonst keinen Job bekommen.

Haben Sie auch schon mal weggeschaut, wenn Sie zu dicht an so eine Gruppe geraten sind und niemanden brüskieren wollten, man weiß ja, was der Hintergrund ist?

Aber noch etwas ist auffällig: Vielfach gewinnt man den Eindruck, dass hier überwiegend herkunftsdeutsche Empfänger das Unkraut jäten, die Büsche schneiden oder den weggeworfenen Müll mit den typischen langen, dünnen Greifarmen einsammeln. Hier sind Statistiken sicherlich hilfreich, um flächendeckend abzufragen, warum die Zusammensetzung mutmaßlich nicht jene der Bürgergeldempfänger widerspiegelt.

Ein Grund dafür ist offensichtlich: Deutsche, die schon länger hier leben, haben in der Bürokratie vielfältige Fingerabdrücke hinterlassen. Das merken sie in allen Bereichen und im gesamten Antragswesen, wenn es darum geht, eine Unterstützung zu beantragen.

Wer so eine Bürokratie-Biografie hat, der ist als Leistungsempfänger klar im Nachteil, bis hin zu Schufa-Einträgen auf der Suche nach einer Mietwohnung. Wer in Syrien Schulden gemacht hat, muss nicht mit einer Übertragung in die deutsche Schufa rechnen, er kommt mit weißer Weste an. Ein Neuanfang, den sich viele Herkunftsdeutsche wünschen würden.

Hinzu kommen Sprachbarrieren und ein vielfach dokumentiert rüdes Auftreten, das den einzelnen Beamten schon einmal überfordern und zur Vermeidung weiteren Ärgers für den Ärgerverursachenden einnehmen kann.

Ist das der Grund, warum vornehmlich Deutschstämmige mit orangen Westen dem Gemeinwohl dienen und etwas zurückgeben, indem sie den öffentlichen Raum sauber halten?

Gemessen an der schieren Masse an Migranten als neue Bürgergeldempfänger müsste der öffentliche Raum doch picobello aussehen. Aber die Städte und Kommunen haben bisher noch keine Idee entwickelt, wie sie dieses große Potenzial aktivieren und nutzen können – warum nicht?

Ist so eine Tätigkeit per se würdelos? Eine Erniedrigung, der gegenüber andere Passanten wegsehen, wie beim Anblick einer Chain Gang aus Schwerverbrechern oder beim Anblick eines Flaschensammlers am Glascontainer?

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Gemessen an der großen Zahl an Soziologen oder Marketing-Fachleuten, die gut und gern öffentliche Gelder für ihre Beratungen nehmen, ist es erstaunlich, dass es bisher noch keine Kampagne gibt, die diese Tätigkeiten in ein positives Licht rückt, etwa so, wie es in den 1970er-Jahren das Müllmännerlied der Sendung mit der Maus schaffte, als alle Kinder plötzlich Müllmänner mit Migrationshintergrund werden wollten: „Wir sind die 6 von der Müllabfuhr, Müllabfuhr, Müllabfuhr …“. Kurz gesagt: Es muss nicht immer nur Zwang sein.

Kritiker könnten jetzt anmerken, die Verwahrlosung der Innenstädte korreliere mit der Inbesitznahme dieser Innenstädte durch junge Migranten und den Rückzug der Deutschen in ihre Vorstädte und in die ländlichen Regionen.

Aber wie passt das zusammen mit der Verlotterung ganzer Regionen, die kaum von Migration belastet sind? Am Beispiel der vielen kleinen Harzstädtchen wird es zu einer Generationenerzählung: Wie lebten die Großmütter der heute kurz vor der Rente stehenden Deutschen mit parallel verlaufenden Familiengeschichten?

Für die Oma waren ihre Fenster das Aushängeschild zur Straße hin. Die schönsten Gardinen wetteiferten mit denen der Nachbarin, der Blumentopf oder Kaktus inklusive, dazu gern etwas Figürliches als Ausdruck der Heimatverbundenheit, das Ensemble mit Brockenhexe für den Alltag, der Schwibbogen aus örtlicher Produktion zur Weihnachtszeit oder die kleine Hasengruppe zur Osterzeit.

Die Enkel haben all das abgeschafft und durch ein beiges oder braunes IKEA-Rollo ersetzt, das schief auf Halbmast steht und abends ganz heruntergezogen wird.

Das Erdrund um die Straßenbäume wurde von der Großmutter noch als Rabatte genutzt, auch hier zeigte der Anwohner, dass er seinen Teil zur Schönheit der Stadt beizutragen bereit war, ein paar Primeln oder Stiefmütterchen wetteiferten mit denen in den Blumenkästen am Haus. Heute gedeiht dort nur noch der Löwenzahn und das Hirtentäschel rund um ein windschiefes Warnschild mit Hundemotiv und „Hier nicht hin!“.

Und dabei sind wir noch gar nicht bei den Vorgärten angekommen oder beim Sonntagsstaat der Großmutter zum Kirchgang, heute ersetzt durch die graue Jogginghose von Oslo über Berlin bis Brindisi.

Mit Migration hat das alles wenig zu tun. Vielmehr mit Identifikation und dem Verlust einer Verbundenheit, die noch tief verankert war mit der natürlichen Umgebung, die mitzugestalten frühere Generationen noch als Aufgabe begriffen haben.

Heute sind das Profilbild und Banner auf X zum Schaufenster geworden, der Aufwand entsprechend groß. Auch dem Status wird große Aufmerksamkeit zuteil, hier erfährt der Besucher, was den Besuchten aktuell umtreibt. Niemand hat ein braunes IKEA-Rollo als Profilbanner. Aber es gibt viele Blumentöpfe zu gewinnen.

Wenn also der Autor der „Welt“ schreibt, der öffentliche Raum müsse in Ehren gehalten werden, dann hätte er „das Potenzial, der zerrissenen Gesellschaft wieder eine Mitte zu geben“, dann sind wir wieder bei der Frage aller Fragen gelandet: Beeinflusst das Sein das Bewusstsein oder ist es umgekehrt?

Und welches Bewusstsein der Deutschen soll nun beispielhaft dafür herhalten, den migrantischen Bürgergeldempfänger dazu zu ermuntern, den öffentlichen Raum in oranger Weste zu durchforsten, um sich damit als Teil der Gastgebergesellschaft zu fühlen, der man etwas zurückgeben will?

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