„Täter-Opfer-Ausgleich“: Abbitte oder Knast – der digitale Schandpfahl als Staatsgnade

Digitaler Pranger: Staatsanwalt Krause plant Mao 2.0

von Alexander Wallasch (Kommentare: 8)

An den Pranger oder in den Knast© Quelle: Pixabay/Momentmal

Der "Spiegel" lässt Hatespeech-Jäger Benjamin Krause aus dem Nähkästchen plaudern: 50.000 Posts geprüft, 12.500 Ermittlungen – und in Kürze soll die öffentliche Abbitte folgen. Von der Hausdurchsuchung bei Norbert Bolz bis zum digitalen Spießrutenlauf: Die Meinungsfreiheit wird nicht verteidigt, sondern liquidiert.

Nachdem sich zur Hausdurchsuchung bei Norbert Bolz auch vereinzelnd Protagonisten des linken Spektrums kritisch zu Wort meldeten (etwa Ricarda Lang und Deniz Yücel), sah sich der regierungsnahe „Spiegel“ wohl genötigt, sich die repressiven Maßnahmen gegen die Meinungsfreiheit, Regierungskritiker und kritische Stimmen genauer anzuschauen.

Das Hamburger Magazin befand zunächst, es sei „ein erbitterter Kampf darüber entbrannt, was man im Netz sagen darf.“ Der „Spiegel“ wollte wissen: „Gängelt der Staat harmlose Onlinenutzer oder verfolgt er die Richtigen?“ Ein „Experte“ wurde dazu befragt. Der sei einer der „wichtigsten Hatespeech-Ermittler“.

Konkret geht es um Benjamin Krause. Der ist leitender Oberstaatsanwalt und laut „Spiegel“ der Fachmann „im komplizierten Kampf gegen digitale „Hasskriminalität““. Krause arbeite „in einer Büroetage über dem Parkhaus“ zusammen mit Ermittlern der „Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT)“, die zur Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main gehört.

Die „ZIT“ zählt zu den aktivsten Cybercrime-Staatsanwaltschaften Deutschlands. Gegenüber dem Magazin berichtet Krause, seine ZIT habe seit 2020 insgesamt 50.000 Posts geprüft. In mehr als 12.500 Fällen sahen Krause und seine Kollegen strafbare Postings und nahmen Ermittlungen auf.

Mit Blick auf die umstrittene Hausdurchsuchung von „Norbert Bolz“ erklärt der Oberstaatsanwalt: „Wir sollten anerkennen, dass unser Vorgehen in der Gesellschaft heute viel stärker hinterfragt wird als noch vor drei Jahren.“

Ein merkwürdiger Satz. Denn welche Rechtsgrundlage sollte hinter so einer Anerkennung stehen? Übersetzt heißt das doch eigentlich: Wir müssen aufpassen, die Gesellschaft ist nach „unseren“ Übergriffen sensibler geworden.

Benjamin Krause bedauert, „dass das Vorgehen gegen strafbare Onlinekommentare so in Verruf geraten ist“.

Aber für sein Bedauern können sich Opfer wie Norbert Bolz wenig kaufen. Niemanden interessiert irgendein Bedauern von Juristen wie Krause. Sollen sie halt ihre Übergriffe einstellen und ihre Arbeit selbst einmal hinterfragen und im stillen Kämmerlein selbstkritisch überdenken, was sie da eigentlich treiben und wofür sie sich hergeben, um im Job zu bleiben und ihre Familien zu ernähren.

Da ist zunächst jeder für sich allein verantwortlich. Und Benjamin Krause hat eine Entscheidung gefällt. Ihm liegt mutmaßlich daran, den repressiven Verfolgungsapparat gegen Oppositionelle noch weiter auszubauen. Bei den Kollegen des „Spiegel“ fühlt er sich im Gespräch mit Gleichgesinnten pudelwohl und plaudert aus dem Nähkästchen, was man sich für die Zukunft alles noch ausgedacht hat.

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Und da muss man sich die Augen zweimal wischen, um zu erfassen, was der Oberstaatsanwalt aus Frankfurt plant. Der „Spiegel“ zitiert:

„Man sei außerdem fast mit der Entwicklung eines digitalen Täter-Opfer-Ausgleichs fertig. Auf einer Videoplattform spricht dabei ein Beleidiger mit einem Beleidigten – unter Aufsicht von Sozialarbeitern. »Das Mittel ist etwa bei einer Kneipenschlägerei vorgesehen. Wir wollen das auf digitale Delikte übertragen«, so Krause.“

Oder mit anderen Worten: Wer eine empfindlichere Strafe vermeiden will, der stellt sich freiwillig einem öffentlichen Pranger („Videoplattform“) und lässt sich dort im ungünstigsten Falle mit gesenktem Haupt von einer linksradikalen Soziologie-Pony-Trulla belehren, um anschließend vor dem Objekt seiner Kritik (oder Beleidigung) zu Kreuze zu kriechen und Besserung zu geloben. Und diese Abbitte ist dann für ewig im Internet verfügbar?

Das digitalisierte Spießrutenlaufen. Das ist die Eselsmütze, mit der Nazis ihre Gegner vor der Vernichtung lächerlich gemacht haben. Oder der spitze Papierhut auf dem Kopf der Regimegegner Maos, oft mit beschämenden Aufschriften wie „Konterrevolutionär“, „Kapitalistenschwanz" oder „Rechtsabweichler" versehen.

Was der Frankfurter Oberstaatsanwalt Benjamin Krause da ohne mit der Wimper zu zucken anbietet, ist die heruntergelassene Zugbrücke hin zu öffentlichen Denunziations- und Kritikversammlungen, die dazu dienen sollen, Regierungskritiker zu demütigen, zu brechen und als Warnung für die Massen zu präsentieren.

Diese Praxis wurzelt in Techniken von Diktaturen, um ihre Macht zu festigen und „bürgerliche Elemente“ aus der Partei und Gesellschaft zu tilgen.

Wer sich nun fragt, wie so eine ungeheuerliche Entwicklung („fast mit der Entwicklung eines digitalen Täter-Opfer-Ausgleichs fertig“) möglich ist, dem kann man nur antworten: Niemand kann in den Kopf von Juristen wie Krause schauen. Aber offenbar ist hier etwas gefährlich verrutscht, das man mit einer Ideologisierung erklären muss. Ist ein Verrutschen des Kompasses in Sachen Berufsethos und Meinungsfreiheit schon hinreichend, den Wunsch zu hegen, Oppositionelle so vorführen zu wollen?

Es reicht diesen abhängigen Juristen als willfährige Erfüllungsgehilfen der Politik nicht mehr aus, Oppositionelle mit Hausdurchsuchungen und Strafen zu überziehen. Jetzt sollen sie – wie in totalitären Systemen gängige Praxis – auch noch öffentlich Abbitte leisten müssen: bestrafe einen, erziehe hundert.

Und im digitalen Zeitalter sind der Verbreitung keine örtlichen Grenzen mehr gesetzt. Stand der Pranger früher auf dem Marktplatz, ist er jetzt mit einem Klick im ganzen Land zu bestaunen. Demnächst dann auf der großen Videoleinwand über den großen Plätzen im Land, warnend an Autobahnen und dann wieder analog auf die Hafermilchpackungen gedruckt?

Willkommen im kollektiven Irrsein. Was mit gesundem Menschenverstand noch als vollkommen abwegig erscheinen muss, wird unter den Krauses dieser Republik Normalität. Die Juristen marschieren wieder vorneweg – abgekoppelt vom Leben der Anderen, meilenweit entfernt von der Realität und immun gegen die Wirkung ihres schrecklichen Tuns.

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