Wer sich für das Tierwohl einsetzt, muss kein Grüner sein

Fleischesser werden mit Haltungsklassen für dumm verkauft – Das Leid der Tiere bleibt

von Alexander Wallasch (Kommentare: 11)

Wer einmal einer Kuh in ihre großen gutherzigen Augen geschaut hat ...© Quelle: Pixabay/ arnolgs

Fühlen Sie sich besser, wenn Sie im Discounter, bei Aldi oder Lidl solches Fleisch kaufen, dem per „Haltungform“ ein höheres Tierwohl bescheinigt wird?

Zahlen Sie für Fleisch gern mehr Geld, mit der Gewissheit, dass das Tier als Fleisch-, Milch oder/und Eierlieferant zuvor ein besseres Leben hatte?

Jetzt könnte man sagen, wir haben wichtigere Probleme, Ukrainekrieg, Wirtschaftsflaute, Massenzuwanderung. Aber es ist auch nicht so, dass man gar keine Zeit hätte, sich über jene Mitgeschöpfe Gedanken zu machen, die bis zu ihrem Tod als Schlachtvieh durchgehend von der Gnade des Menschen abhängen.

Auch hier gibt es ein im Ländervergleich ein großes Gefälle. Wer sich die Tierhaltung in außereuropäischen Ländern anschaut, der findet vielerorts keinerlei Bewusstsein für das Tierwohl. Aber was ist es bei uns wert?

Wer zufällig eine Milchpackung von Aldi auf dem Frühstückstisch stehen hat, der mag sich für den Moment wohler fühlen, wenn diese Milch mit dem Haltungssiegel 3 bewertet wurde. Dazu schreibt Aldi stolz: „Mehr Tierwohl mit dem Aldi Haltungswechsel.“

Und im Siegel der Klasse 3 steht noch das Wort „Außenklima“ eingedruckt. Wohlgemerkt, hier ist nicht die Rede von einer Wiesen-Außenhaltung oder wo auch immer in der Natur, sondern von einem „Außenklima“. Das kennt man aus dem Schlafzimmer: Wenn man dort das Fenster kippt, schläft man besser bei „Außenklima“. Das heißt aber nicht, dass ich deshalb schon Camping mache oder auf einer Wiese in der freien Natur übernachte.

Besonders bedrückend bei diesen „Haltungsformen“, die für viele Konsumenten mittlerweile von Bedeutung sind, dürfte sein, dass diese „Haltungsformen“ für das Tier mit der durch frühe Schlachtung begrenzten Lebenserwartung letztlich kaum einen relevanten Unterschied macht.

Deutlicher wird es, wenn man sich den per Siegel bestimmten Platz für die Tiere einmal genauer anschaut etwa am Beispiel eines Schweines: Bei Haltungsklasse 1 sind Minimum 0,75 Quadratmeter pro Tier vorgeschrieben. Bei Haltungsklasse 2 sind es 0,825 Quadratmeter. Bei Haltungsklasse 3 sind es 1,05 Quadratmeter pro Tier und bei Haltungsklasse 4 sind es 1,5 Quadratmeter.

Dazu muss man sich vergegenwärtigen, dass ein Quadratmeter einer Fläche von 1 x 1 Meter entspricht. Hierzu muss man wiederum wissen, dass eine ausgewachsene Sau 180 bis 220 kg erreichen kann und ein ausgewachsener Eber 220 bis 250 kg. Und je nach Rasse können Schweine bis zu 2 Meter lang und bis zu 110 Zentimeter hoch werden – Die unterschiedlichen Angaben variieren, aber diese Angaben sollen als Richtschnur gelten.

Das muss man sich vorstellen: Einem 1,5 Meter langem Schwein wird in Stallhaltung eine Fläche von 0,75 Quadratmeter zugewiesen und im der Premiumklasse (Haltungsstufe 4 nennt sich tatsächlich „Premium“) sind es dann 1,5 Quadratmeter, was einer Seitenlänge des zugestandenen quadratischen Liegeplatzes für das Tier von 1.225 Metern entspricht.

Schwerverbrechern wird in Gefängnissen (BVerfG ZfStrVO 1994, 377) in der Einzelunterbringung Minimum 9 Quadratmeter Bodenfläche zugestanden, bei einer Mehrfachbelegung reduziert es sich auf 7 Quadratmeter pro Insassen. Bei einer Belegung zu dritt stehen demnach 21 Quadratmeter zur Verfügung.

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Das bei näherer Beschäftigung eigentlich Schockierende an den vier Haltungsformen für Tiere sind die geringen Unterschiede zwischen den Stufen 1-4. Tatsächlich wird fleischessenden Kunden suggeriert, dass es für das Tier irgendeinen spürbaren Mehrwert habe. Jetzt kann man das Tier nicht danach befragen, aber der logische Menschenverstand sagt einem, dass das kaum der Fall sein kann.

Selbstverständlich darf man sich darüber Gedanken machen, wie eine wachsende Weltbevölkerung ernährt werden soll. Man muss sich Gedanken darüber machen, welche Auswirkungen das auf die Bauern (Tierwirte und Milchbauern) hat, wenn man die Bedingungen hier verschärft. Von diesen Debatten ausgeschlossen bliebt das Tier, in dem Zusammenhang besser bekannt als Schlachtvieh.

So einfach ist es: Wenn die Milchkuh eine hohe Zielmenge Milch liefern soll – bis zu 10.000 Liter pro Jahr – dann muss sie dafür im Stall gemästet werden, auf der Wiese bringt sie diesen Ertrag nicht. Zudem müssten dann Zäune kontrolliert werden und idealerweise Flächen um den Hof herum vorgehalten werden.

In Südamerika, Australien, Neuseeland, Irland, Island, England und weiteren Ländern werden die Tiere teilweise oder überwiegend im Freien gehalten. Jetzt könnte man sagen, es gibt in Deutschland zu wenig Grünland, aber auch da widersprechen Fachleute und meinen, das Problem seien zu viele Tierwirte. In den Niederlanden werden oder wurden Schweinebauern hohe Prämien bezahlt, wenn sie ihren Hof ganz aufgeben oder umstellen – das allerdings habe auch mit der hohen Nitratbelastung zu tun, erzählt ein deutscher Tierwirt gegenüber Alexander-Wallasch.de

Persönlicher Nachtrag:

Ich bin ebenso wenig Fachmann, wie unser grüner Landwirtschaftsminister. Aber ich kann freier auf diese Thematik schauen, weil mir keine Verbände und grüne Ideologen im Nacken sitzen.

Ich bitte die Tierwirte unter meinen Lesern dennoch um Nachsicht und um ihre fachlichen Ausführungen entlang ihre persönlichen Erfahrungen in den Kommentaren!

Wovon ich aber überzeugt bin: Diese Haltungsformen 1-4 sind im Wesentlichen ein Etikettenschwindel, für den sich die Erfinder schämen sollten. Nein, man muss kein Grüner sein und kein Vegetarier oder Veganer, um diese Missstände zu bemängeln. Und ich glaube auch nicht, dass man das Problem lösen kann, indem man einen angebotenen Hofverkauf nutzt – diese Möglichkeit haben in Deutschland nur eine Minderheit der Kunden, die meisten sind weiter auf die Discounter angewiesen.

Wer einmal einer Kuh in ihre großen gutherzigen Augen geschaut hat, dem krampft sowieso das Herz, es ist allein die Entfremdung vom Tier während der Produktionskette, die hier eine emotionale Reaktion unterdrückt. Ein guter Freund ist Schäfer. Seine Schafe sind die überwiegende Zeit im Jahr auf den Deichen und Feldern unterwegs. Sein Schwerpunkt ist nicht die Milch oder die Wolle, sondern das Fleisch.

Das Leben dieser Tiere findet überwiegend in der freien Natur statt. Vielleicht ist das eine Alternative für den Übergang? Ja, ich wäre gern wieder Vegetarier, ich war es einige Jahre lang ohne das es weh getan hat kein Fleisch mehr zu essen. Aber ich bin von Kindheit an mit Wurst und Fleisch aufgewachsen. Es ist eine Sucht – andere sagen, es sei eine Notwendigkeit. Einspruch: Einer meiner Söhne und auch meine Frau essen seit Jahren bzw. Jahrzehnten kein Fleisch und beide sind kerngesund – die beiden sind die Sportler in der Familie.

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