„Frau von der Leyen, Sie sind eine Kriegsverbrecherin!"

Beeindruckend an dem zwei Minuten langen Video ist diese Balance zwischen Lautstärke, Authentizität und Inhalt. Und um das festzustellen, muss man nicht einmal zwingend mit dem Inhalt des Protestes übereinstimmen. Aber jeder, der eine wie auch immer geartete politische Haltung hat, wird anerkennen, wie wirkmächtig der Auftritt dieser Frau insbesondere auf der emotionalen Ebene ist.

Ein Telegram-Kanal verortet die Szene in Maastricht. Tatsächlich war Frau von der Leyen dort vor ein paar Tagen bei der ersten Live-Diskussion der Spitzenkandidaten zum EU-Parlament.

Wer ist nun diese Frau, die Ursula von der Leyen vor diesem Termin so wortgewaltig und lautstark ihre Meinung sagte und sie so harsch verurteilte?

Ein Twitter-Nutzer gab den entscheidenden Hinweis, dass es sich dabei um Cinin Abuzeed handeln soll, sie ist Deutsche palästinensischer Herkunft und studiert Jura und bezeichnet sich selbst als „Palestinian - German Activist“.

Einen Tag nach Weihnachten 2023 äußerte sich Frau Abuzeed in einem Thread in den sozialen Medien auch zu ihrer Herkunft und Familie:

„Als Kind meines Vaters, der in Gaza geboren ist, frage ich mich, wie es wäre, wenn meine Eltern dort geblieben wären. Einige nennen es survivors guilt. Ich verspüre jedoch eine tiefe Scham, zu wissen, dass ich Länder wie Singapur und Thailand gesehen habe und meine Familie nicht einmal soweit denken darf, wie die andere Seite der Trennungsmauer zu sehen. Nichts unterscheidet mich von ihnen und nichts hat Wert ohne die Anerkennung ihrer Grundrechte. Ich bin wegen ihnen da, wo ich jetzt bin.“

Cinin Abuzeed ist keine Unbekannte. Selbst der deutsche Botschafter in Israel, Steffen Seibert, der ehemalige Regierungssprecher von Angela Merkel, weiß heute, wer Frau Abuzeed ist, weil dieser einmal trotz ihres deutschen Passes die Einreise nach Israel verweigert und sie am Flughafen vom israelischen Personal wüst beschimpft wurde. Seibert hatte via X seinen Unmut geäußert und zugesagt, gegen diese Behandlung einer Deutschen in Israel zu protestieren.

Cinin Abuzeed wollte in Israel ihre Familie besuchen, die in Tel Aviv lebt. Die Abweisung an der Grenze fand auch deshalb ein so großes Medienecho, weil Frau Abuzeed ein Video aufnahm, in dem sie erklärte, was ihr widerfahren ist, um es anschließend in den sozialen Medien zu veröffentlichen.

Jetzt also ein lautstarker Akt des Protestes in Maastricht. In ihrem Furor erinnert Cinin Abuzeed an den leider viel zu früh verstorbenen palästinensisch-dänischen Autor Yahya Hassan, dessen Schriftstellerei eine authentische, eine mitreißende großartige Wutkotzerei ist.