Zeit für die ganz großen Vereinfachungen

Friendly Fire unterm Tannenbaum

von Alexander Wallasch (Kommentare: 9)

Eine neue Ukraine-Ideologie, die sich unter dem Radar tief ins konservativ-liberale Feld hineingefressen hat.© Quelle: DALL.E

Eigentlich sollte dieser Text mein Weihnachtsgruß für 2024 sein, verbunden mit großer Dankbarkeit für Ihre andauernde Lesebereitschaft und ihre großartige Unterstützung. Eigentlich …

Aber dann kam mir ein Telefonat dazwischen, das ich mit jener Arglosigkeit begann, die man an den Tag legt, wenn man sich kennt, sich wohlgesonnen und miteinander synchronisiert glaubt.

Pustekuchen, Pech gehabt: Was die meisten von uns in den Corona-Jahren und in der Migrationskritik leidvoll erfahren mussten, geht jetzt in die dritte Runde. Wieder verlaufen die Gräben quer durch den Bekanntenkreis und quer durch die Gemeinschaft jener, die in dem Moment enger zusammenrückten, als ein übergriffiger Staat jede oppositionelle Grundhaltung rigoros bekämpfte, die Meinungsfreiheit beschnitt und die Menschen diffamierte, diskreditierte und denunzierte.

Sie ahnen es natürlich, es ging im Telefonat um die Ukraine. Nun kann man immer und zu jedem Thema anderer Auffassung sein. Aber wenn man von jemandem, der in Sachen Corona und Migration eine ähnliche Auffassung hat, plötzlich als „Russlandfreund“ und Feind einer freien Ukraine und eines freien Westens beschrieben – nein, beschimpft – wird, nur weil man sich argumentativ gegen eine Eskalation dieses Krieges stellt, erschrickt man, weil man mit solchen Übergriffen aus den eigenen Reihen nicht gerechnet hat.

Offenbar gibt es eine neue Ukraine-Ideologie, die sich unter dem Radar erstaunlich tief ins konservativ-liberale Feld hineingefressen hat und die von einer Art Endsieg über Russland träumt!

Konservative, die bereit dazu sind, alles wegzutreten, was dieser neuen Ideologie widerspricht. Was mich an diesem aus dem Ruder gelaufenen Gespräch sehr irritiert hat, war diese selbstverständliche Bereitschaft, jedweden guten Willen zu einem Austausch der Argumente einfach über Bord zu werfen, um sich 1:1 solchen pauschalisierenden Diffamierungsstrategien hinzugeben, welche die meisten von uns in den Corona-Jahren und während der Debatte um die illegale Migration so übergriffig empfanden.

Besonders erschütternd für mich: Mein Gegenüber wäre sogar dazu bereit, so hörte ich heraus, die 200.000 wehrpflichtigen männlichen Ukrainer einfach auszuliefern, um sie in diesen elenden Krieg zu schicken und verrecken zu lassen: „Die Ukraine wird doch angegriffen!“, also müsse sie auch von jedem Ukrainer verteidigt werden, sagte er noch.

Mein Hinweis auf den langen Weg hin zu diesem Krieg war für meinen Gesprächspartner vollkommen belanglos: Im Idealfall bitte Russland besiegen und alles Russische in Grund und Boden stampfen. Wumms. Die vollkommene Abwesenheit der Rezeptionsgeschichte dieses Konfliktes begraben unter einer neuen Ideologiedecke, unter einer neuen deutschen Ukraine-Religion.

Ich habe nach diesem Gespräch lange darüber nachgedacht, woher diese religiös aufgeladene Überheblichkeit kommt, die man sonst nur aus der linksideologischen Ecke kennt, bis ich eine Idee hatte:

Diese Konservativen waren nie etwas anderes als stockkonservativ. Und sie wurden nicht erst seit Corona oder seit der illegalen Massenmigration dafür angegriffen, dass sie eine andere Haltung haben als der linke Mainstream. Sie wurden von der Schule über die Uni bis ins Berufsleben seit Jahrzehnten diffamiert und haben sich schon lange in eine Art innere Immigration zurückgezogen. Dort verharrten sie seit Jahrzehnten in embryonaler Wartestellung. Oft noch ausgestattet mit einem frühkindlich anerzogenem christlichen Weltbild, das sie ebenfalls in ihre inneren Katakomben überführt haben.

Und jetzt also endlich das Coming-Out: Alles, was nur ansatzweise mit Friedensbewegung zu tun hat oder mit USA- bzw. Kapitalismuskritik ist der Erzfeind und muss rigoros und mit allen Mitteln bekämpft werden. Diese Katakomben-Konservativen würden sich lieber die Zunge verbrennen als Sätze zu übernehmen, wie „Frieden schaffen – ohne Waffen“. Das ist linksversifft und soll es auch bleiben. Tatsächlich: Lieber 200.000 Menschen an die Front deportieren, als etwas zu unterstützen, was sich so anfühlt, als sei man plötzlich einer dieser linksversifften Kriegsdienstverweigerer. „Nie wieder Krieg!“ wurde hier kassiert von „Lieber tot als rot.“

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Es ist so erschütternd wie es tieftragisch ist, dass diese Alt-Konservativen gar nicht zu bemerken scheinen, dass sie damit im selben Ukrainepolitik-Boot sitzen wie die Etablierten und hier insbesondere ihre neuen grünen Bundesgenossen.

Die Zeit der großen Vereinfachungen. Alles kam in diesem unsäglichen Gespräch auf den Tisch. Es habe 2022 die Möglichkeit zu einem Frieden gegeben? Alles Quatsch, erfahre ich da, alles nur Fake-News, gestreut von Putin. Die Amerikaner haben wirtschaftliche Interessen? Die platteste aller Antworten kam: Warum nicht, so geht Kapitalismus, haha. Und dann wieder Fragen wie diese hier: Willst du etwa, dass die Ukraine ein zweites Weißrussland wird?

Kurz gesagt: Nie wieder Friedensbewegung. Dafür lassen diese Leute die Ukraine bis zum letzten Mann marschieren, wenn sie nur irgendwie und irgendwann in ferner Zukunft auch in Moskau ankommen.

Aber, liebe Leser und Freunde, wie soll ich jetzt bloß den Bogen zu meinen Weihnachtswünschen für Sie und Ihre Familien hinbekommen? Bitte verzeihen Sie mir die Ausführlichkeit, aber ich war auf eine Weise ratlos wie schon lange nicht mehr. Friendly Fire ist wohl der militärische Begriff für das, was mir gerade wie aus heiterem Himmel widerfahren ist.

Eine Freundschaft weniger? Vielleicht. Aber wir sind es ja bereits aus den Corona-Jahren gewöhnt. Die Zahl der guten Bekannten und Freunde ist endlich. Ich habe keine Idee, wie man wieder zusammenfindet.

Deshalb meine Bitte an meine Leser und Freunde: Bleiben Sie mir gewogen, lesen Sie mich weiter und unterstützen Sie meine Arbeit nach Ihren Möglichkeiten. Ich wünsche Ihnen schöne Weihnachtstage und eine besinnliche Zeit mit und in der Familie und unter guten Freunden. Bitte pflegen Sie jede Freundschaft. Sie zerbrechen in diesen Tagen besonders schnell, wenn wir nicht aufeinander aufpassen.

Alles Gute und eine schöne Zeit, wir lesen uns.

Herzlich

Ihr und Euer
Alexander Wallasch

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