Neun Monate Knast für nichts – Schadensersatz für Ballweg rückt näher

Gericht verweigert Verfahren gegen Michael Ballweg – Schallende Ohrfeige für die Staatsanwaltschaft

von Alexander Wallasch (Kommentare: 10)

Wenn die Hauptverhandlung nicht eröffnet wird, kann man durchaus von Freiheitsberaubung sprechen© Quelle: Staatsanwaltschaft Stuttgart, Screenshot Pressemeldung/ Michael Ballweg, Montage Alexander Wallasch

Das ist ein echter Hammer im Verfahren gegen Querdenken-Gründer Michael Ballweg. Der erste Stuttgarter Staatsanwalt schickt in diesem Moment eine Pressemeldung in den Äther, welche besagt, dass das Landgericht Stuttgart die Nichteröffnung des Hauptverfahrens gegen Michael Ballweg beschlossen hat.

Die Staatsanwaltschaft will die Entscheidung allerdings nicht hinnehmen. Oder die weisungsbefugte Landesregierung?

In der Pressemeldung wird noch einmal all das aufgeführt, was offenbar dem Landgericht nicht hinreichend belegt war. Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft als schlechter Verlierer. Aber nicht nur das: Dahinter steckt ja ein Menschenleben. Und jemanden für neun Monate wegzusperren — unter anderem wegen Fluchtgefahr —, um dann nicht einmal zum Hauptverfahren zugelassen zu werden. Das ist schon mehr als nur eine Schlechtleistung der Staatsanwaltschaft.

Rechtsanwalt Dirk Schmitz kommentiert für uns die Entscheidung des Landgerichts Stuttgart auf Nichteröffnung des Verfahrens:

Unjuristisch würde ich sagen: „Voll auf die Acht!“

Juristisch: Gemäß § 203 StPO beschließt das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens, wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig ist. Ein hinreichender Tatverdacht ist zu bejahen, wenn bei vorläufiger Tatbewertung auf Grundlage des Ermittlungsergebnisses die Verurteilung in einer Hauptverhandlung mit vollgültigen Beweismitteln wahrscheinlich ist, ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes.

Der hinreichende Tatverdacht setzt eine gewisse Wahrscheinlichkeit der Verurteilung voraus; damit wird sogar ein geringerer Grad der Wahrscheinlichkeit verlangt, als dies beim dringenden Tatverdacht für einen Haftbefehl im Sinne des § 112 StPO erforderlich ist. Das heißt indirekt, dass schon der Haftbefehl trotz dessen Bestätigung durch andere Kammern und Gerichte aus heutiger Sicht niemals gerechtfertigt war.

Dabei hat das Landgericht offensichtlich berücksichtigt, dass zur Eröffnung des Hauptverfahrens nicht die für eine Verurteilung notwendige volle richterliche Überzeugung erforderlich ist. Das OLG wird als Beschwerdegericht das Wahrscheinlichkeitsurteil des Landgerichts und dessen rechtliche Bewertung in vollem Umfang nachprüfen und die Voraussetzungen der Eröffnung selbstständig würdigen.

Wenn das OLG die Entscheidung nach Erlass und Vollzug eines Haftbefehls bestätigt, ist das bildlich gesprochen wie ein Sechser in der Klassenarbeit, kombiniert mit Eckestehen und Mülleimer auf dem Kopf.

Deshalb: Die hyperschnelle Pressemitteilung – wohl schneller als die Anwaltspost – zeigt, wie angepisst die Truppe ist.

Traurig: Politisch motivierte Verfolgung Unschuldiger. Gerade hier ist das mehr grüne als schwarze Baden-Württemberg leider führend. Kein halbwegs professioneller Strafverteidiger hat mehr Vertrauen in die Staatsanwaltschaften als Wunscherfüllungsbehörde grüner Allmachtsphantasien. Zwar soll die Staatsanwaltschaft gemäß § 150 Gerichtsverfassungsgesetz „unabhängiges Organ der Rechtspflege“ sein. Wenn dies aber heute jemand laut im Gerichtssaal behauptet, hört man höchstens ein Lachen. Leider! Die Delegitimation des Rechtstaates beginnt in der Mitte der Justiz und nicht in Thüringen durch Höcke.

Kompliment an die mutige Kammer des Landgerichts Stuttgart.

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Und hier noch einmal der Vollständigkeit halber zitiert aus der Pressemeldung der Staatsanwaltschaft, was das Landgericht teilweise offenbar für nicht für prozessrelevant oder nicht hinreichend bewiesen hielt:


„Die Staatsanwaltschaft Stuttgart wird sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Stuttgart zur Nichteröffnung des Hauptverfahrens gegen den Gründer von ,Querdenken 711' hinsichtlich der Vorwürfe des versuchten Betruges und der Geldwäsche einlegen.

Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft besteht gegen den 48jährigen Angeschuldigten nicht nur ein hinreichender Tatverdacht wegen mitangeklagter Steuerstraftaten. Vielmehr wird ihm weiterhin vorgeworfen, spätestens seit Mai 2020 durch öffentliche Aufrufe von einer hohen vierstelligen Zahl an Personen finanzielle Zuwendungen für „Querdenken 711“ im Umfang von mehr als einer Million Euro eingeworben, hierbei die Zuwendenden getäuscht und mehr als 500.000 Euro für eigene Zwecke verwendet sowie die mutmaßlich rechtswidrige Herkunft der eingeworbenen finanziellen Zuwendungen in mittlerer sechsstelliger Höhe durch vier Bargeldauszahlungen verschleiert zu haben.

Nachdem gegen den Angeschuldigten wegen dieser Tatvorwürfe am 20.03.2023 Anklage erhoben worden war, hat das Oberlandesgericht Stuttgart im Rahmen der 9-Monats-Haftprüfung mit Beschluss vom 04.04.2023 den gegen den Angeschuldigten erlassenen Haftbefehl außer Vollzug gesetzt, zugleich aber, wie schon in seinem Beschluss vom 02.01.2023, das Fortbestehen eines dringenden Tatverdachts des versuchten Betrugs und der Geldwäsche bejaht.

Im Gegensatz zum vom Landgericht abgelehnten hinreichenden Tatverdacht, wonach die Verurteilung des Angeschuldigten lediglich wahrscheinlicher sein muss als dessen Freispruch, setzt der dringende Tatverdacht darüber hinaus die sich nach dem aktuellen Stand der Ermittlungen ergebende hohe Wahrscheinlichkeit voraus, dass der Angeschuldigte eine Straftat schuldhaft begangen hat.

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat nun im Rahmen der Entscheidung über die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft über die Eröffnung des Hauptverfahrens und Zulassung der Anklage in Bezug auf die Vorwürfe des versuchten Betruges und der Geldwäsche in vier Fällen sowie über die Wiederherstellung hie-rauf bezogener Vermögensarreste und Pfändungen zu entscheiden. Gibt es der Beschwerde statt, kann es zugleich bestimmen, dass die Hauptverhandlung vor einer anderen Kammer des Landgerichts Stuttgart stattfindet.“

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