Viele kennen aus Gesprächen, die sich mit dem Krieg in Gaza befassen, Aussagen dahingehend, dass die Bilder des Krieges teilweise Fälschungen seien, das Elend der Bevölkerung im Gazastreifen gestellt oder auf eine israelfeindliche Weise manipuliert sei.
Insbesondere Aufnahmen von Kindern bei Essensausgaben sind hier in den Fokus geraten, wo mittlerweile weitere Aufnahmen bekannt geworden sind, die den Eindruck zu bestätigen scheinen, dass der Fotograf die Szene gestellt hat.
Nun gibt es auch hier zwei Lesarten zwischen gestellt und nachgestellt. Beides ist journalistisch verwerflich. Aber „nachgestellt“ bedeutet eben, dass der Fotograf das Geschehens selbst verpasst hat, anschließend vor Ort war und die Protagonisten noch einmal um Aufstellung bat.
Unjournalistisch, betrügerisch, Fake News. Aber eben nicht automatisch der Nachweis, dass die gezeigte Szene deswegen niemals passiert ist. Historische Momente wie etwa das Hissen der roten Fahne über dem Reichstag sind prominente Beispiele. In diesem Fall (Rote Fahne) ist die Aufnahme zudem eine Propagandaarbeit.
Kaum jemand bezweifelt ernsthaft, dass es im Gaza-Krieg Versorgungsengpässe und Verzweiflung unter Zivilisten gibt – nicht einmal die die militärischen Aktionen befehligende israelische Seite.
Die Jüdische Allgemeine etwa zitiert den rechtsgerichteten israelischen Journalisten Amit Segal (Fernsehkanal 12). Der kritisiert zwar, dass gewaltige Lügen über Israels Krieg verbreitet werden, ergänzt aber, dass die Hungersnot real ist: „Sie ist es“.
Internationale Nichtregierungsorganisationen wie die Israel-kritische „Human Rights Watch“ (Co-Friedensnobelpreisträger 1997) schrieb Ende 2023 von der „Aushungerung“ der Zivilbevölkerung in Gaza als israelische „Kriegswaffe“.
Die Frankfurter Allgemeine berichtet aktuell, dass neun von zehn Lastwagen der Hilfslieferungen ihr geplantes Ziel in Gaza nie erreichen. Aber auch das heißt noch nicht, dass die Nahrungsmittel verloren sind, sie werden nur nicht von jenen Organisationen gerecht verteilt, für die sie bestimmt waren.
Was hier zwingend zu erwähnen ist: Die unerträglichen von der Hamas veröffentlichten Bilder schrecklich abgemagerter Geiseln belegen, dass die Hunderte Tonnen Nahrungsmittel hier definitiv nicht bei jenen ankommen, die hier seit Hunderten Tagen auf ihre Befreiung warten.
Demgegenüber erklärte der gegen die Hamas Krieg führende israelische Premierminister Benjamin Netanjahu Ende Juli gegenüber einem evangelikalen Fernsehsender, es gäbe „keinen Hunger in Gaza, keine Politik des Hungers in Gaza“.
Diese Debatte wird auch im 4000 Kilometer entfernten Deutschland geführt. Auch hier ist in Gesprächen immer wieder in etwa davon die Rede, dass das doch alles nur antisemitische Propaganda sei, die Aktionen der israelischen Armee seien zielgerichtet gegen die Hamas, die würden sich allerdings nach wie vor feige hinter Zivilisten und Kindern verstecken.
Was die meisten dieser Stimmen gemeinsam haben, sie waren oder sind nicht vor Ort, sie müssen sich notgedrungen aus den vorhandenen Medieninformationen und solchen aus den sozialen Medien eine Sichtweise formen. Nicht selten wird der Blick zudem von der Blase diktiert, in der man sich gerade bewegt. Das gilt für die Israel-kritischen NGOs ebenso wie für Portale wie „Nius“ und die Springerpresse, die das militärische Vorgehen Israels befürwortet, um den Hamas-Terror gegen Israel ein für alle Mal zu beenden.
Also was bleibt dem Leser, welche Möglichkeiten der unbeeinflussten Information sind vorhanden, wenn man sich schon vor Ort kein eigenes Bild machen kann? Tatsächlich gibt es ein Hilfsmittel, das weitestgehend unbeeinflusst darüber informieren kann, wie die Situation im Gazastreifen grundsätzlich aussieht.
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Dafür reicht es bereits aus, sich die App „Google Earth Pro“ herunterzuladen und sich auf einem Computer-Desktop den Gazastreifen anzuschauen. In dieser App besteht die Möglichkeit über die Menüführung (Uhr mit linksdrehendem grünem Pfeil) auch zurückliegende Ansichten anzuschauen und also zu vergleichen.
Es gibt mittlerweile teilweise flächendeckende Satellitenansichten aus Dezember 2024, welche die Kriegszerstörungen zu diesem Zeitpunkt eingefroren haben. Wer sich eine Weile in diesem Google Earth Pro umschaut, entdeckt auch solche Bildstellen, wo keine Aufnahmen von 2024 existieren:
Schnittstellen des Grauens, wo die begrünten und bewohnten Siedlungen entlang der Aufnahmegrenze abrupt in Mondlandschaften übergehen (Screenshot hier im Anhang).
Die dokumentierten Zerstörungen sind ultimativ und umfassend. Die Bilder sind in einer Qualität aufgenommen worden, dass sogar die vielen Fahrzeugspuren zu erkennen sind, mutmaßlich von Militärfahrzeugen, die über den Zerstörungen noch weitere Runden gedreht haben müssen.
Google Earth Pro bildet nicht ab, was hier nach dem Dezember 2024 militärisch passiert ist. Was man hier sieht, ist demnach eine in der Vergangenheit entstandene Satellitenaufnahmen – Quadratkilometer für Quadratkilometer das Abbild erschütternder Zerstörungen.
Was der Zuschauer via Google Earth Pro (inklusive der Möglichkeit, über ein Werkzeug in den Versionen der Jahre zuvor zurückzublättern) mit den gewonnenen Informationen macht, welche Schlüsse er daraus zieht, ist jedem selbst überlassen.
Auf jeden Fall bietet sich hier ein zusätzlicher Blick, unbeeinflusst von schwer zuzuordnenden oder zu überprüfenden Aufnahmen, seien es solche von nach Essen flehenden Kindern an einem LKW oder von florierenden Wochenmärkten in Gaza, die durch die sozialen Medien geistern.
Die Qualität der Bilder aus der App ist vielfach gestochen scharf, was man nicht über eine Reihe israelischer Siedlungen sagen kann – das zeigt jedenfalls eine Kurzrecherche – die nur verschwommen zu sehen und nicht zoomfähig sind. Übrigens auch jene Siedlungen in denen die Hamas am 7. Oktober 2023 ihre Terrorverbrechen verübt und weit über 1000 Israelis grauenvoll ermordet und viele entführt hat.
Tatsächlich wurde Google hier aus Sicherheitsgründen verpflichtet, diese potenziellen Hamas-Angriffsziele nicht bis ins Detail abzubilden. Diese Verpflichtung geht zurück auf eine US-amerikanische Rechtsvorschrift von 1997 (Kyl-Bingaman Amendment), die es US-Unternehmen verbietet, Satellitenbilder von Israel und den besetzten Gebieten in hoher Auflösung zu verbreiten.
Der Gazastreifen wird demgegenüber heute in voller Auflösung gezeigt, argumentiert wird hier damit, dass Experten die Schäden des Krieges so besser analysieren können, wie es etwa das Portal „ScienceDirect“ umfassend gemacht und im Juni 2025 veröffentlicht hat (übersetzt):
„Bewertung der durch den Krieg verursachten Schäden an landwirtschaftlichen Flächen im Gazastreifen seit Oktober 2023 anhand von PlanetScope- und SkySat-Bildern“.
Wer spekuliert, dass das israelische Militär ebenfalls Vorteile aus der Hochauflösung des Gazastreifens ziehen könne, der muss bedenken, dass Israel selbst über hochentwickelte eigene Satelliten und Drohnen verfügen soll, die mutmaßlich aktuellere, detailliertere und spezifischere Daten liefern können als kommerzielle Bilder. Dennoch mögen diese kommerziellen Bilder eine kostengünstige Zusatzquelle sein, das müssen aber Militärexperten abschließend beurteilen.
(BildQuelle: Google Earth. Imagery © 2025 Airbus. Aufnahmedatum: 01.02.2024. Koordinaten: 31°45' N, 34°24'23.97" E)

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Kommentar von Ostdeutsche
Ja, wie wäre es denn, wenn sich die Hamas einfach ergeben würde? Ich zweifle ja gar nicht an den Zerstörungen, aber das ist ja so, als ob Hitler und seine Getreuen sich unter der Erde eingegraben hätten und nicht ans Aufgeben dächten, obwohl ganz Berlin nur noch ein Trümmerhaufen ist. Offenbar sind der Hamas die eigenen Toten doch auch egal.
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Kommentar von Ostdeutsche
Ja, wie wäre es denn, wenn sich die Hamas einfach ergeben würde? Ich zweifle ja gar nicht an den Zerstörungen, aber das ist ja so, als ob Hitler und seine Getreuen sich unter der Erde eingegraben hätten und nicht ans Aufgeben dächten, obwohl ganz Berlin nur noch ein Trümmerhaufen ist. Offenbar sind der Hamas die eigenen Toten doch auch egal.
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Kommentar von Joly Joker
Das alles ist schrecklich. Noch bedrückender ist aber, dass sich die Palis das selbst eingebrockt haben. Es ist nicht das erste Mal, dass Israel den Gazastreifen angegriffen hat. Wiederholt wurden Teile Gazas zerstört - aus geringeren Gründen diese Mal. Man wusste also dass eine entsprechende Reaktion kommen würde. Aber man ist als Bewohner Gazas wohl so vernagelt, dass man nicht mehr klar denken kann. Vielleicht lernen diese Menschen jetzt, dass es ziemlich dumm ist, sich durch Terror gegen Israel seine Rachegelüste zu befriedigen. Auge um Auge... das geht gegen einen deutlich Stärkeren ins eigene Auge
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Kommentar von Schwar Zi
Hätte es im Februar 1945 schon Google Earth gegeben, welches Bild hätte man damals wohl gesehen? Zeitzeugen berichten, man habe den Feuersturm selbst aus großer Entfernung sehen können. Die Zahl der Toten kann bis heute nicht genau beziffert werden, da sich zu diesem Zeitpunkt zig Tausende Flüchtlinge aus den Ostgebieten in der Stadt aufgehalten haben. Auf Grund der hohen Temperaturen sind viele Menschen zu Asche und Staub zerfallen. Knochen zerfallen ab 1.000 Grad Celsius, Zähne ab 1.600 Grad.
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Kommentar von Carl Peter
Warum ist man nicht in der Lage, oder in der geistigen Verfassung, diese Bilder auf sein eigenes Wohnviertel zu übertragen?
Glaubt man, dass es zwar passieren könnte, aber man sich dagegen verteidigen kann?
Gute Fragen, aber wer ist man?
Man ist eigentlich gar niemand.
Man ist niemand, der dabei was zu sagen hat.
Und wenn man trotzdem was dazu sagt, sagt man, dass man daran keine Schuld trägt, nicht mal am Gesagten.
Oder man flieht tief in die Menschheitsgeschichte zurück, erstarrt in geopolitischen Ausflüchten - wer hat eigentlich das Recht, sich herauszunehmen, dort zu leben, wo er geboren wurde?
Die Leute im Buckingham Palast, die Leute in irgendeinem Dreckloch in unendlicher Armut - glaubt man an die Gnade der Geburt im Reichtum?
An die Gnade der Geburt in einer friedlichen Welt?
Man glaubt ja nicht mal daran, dass man in Ruhe geboren werden kann - man wird ausgesät oder ausgespuckt, man geht an oder ein.
Man wird in Gaza geboren, oder in Israel, in Deutschland oder der Ukraine, Russland oder sonstwo - wo oder wie wird das eigentlich ausgewählt?
Im Diesseits oder Jenseits, wenn man glücklich oder unglücklich sabbernd im Arm der Mutter liegt?
Weiß man dann schon, ob man zum Beispiel Muslim oder Jude ist?
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Kommentar von Karina Kaiser
Die im Artikel gezeigten Satellitenaufnahmen lassen keinen Zweifel am Ausmaß der Zerstörung in Gaza – und sie sind erschütternd. Aber der Krieg hat nicht mit diesen Bildern begonnen, sondern mit dem beispiellosen Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober. Sie trägt die Verantwortung dafür, dass sie sich gezielt hinter Zivilisten verschanzt und damit das Leid Unschuldiger bewusst in Kauf nimmt. Das Schicksal der Kinder ist tragisch, doch wir dürfen nicht ausblenden, dass viele von ihnen in einem Umfeld aufwachsen, in dem Hass auf Israel systematisch gefördert wird. Krieg ist immer eine Tragödie, aber er beginnt nicht mit den Bildern der Zerstörung – er beginnt mit den Taten, die ihn auslösen.
Wer über Frieden spricht, muss diese Realität mitbenennen.
Antwort von Alexander Wallasch
Exakt das erwähne ich im Artikel.