Michaela B. lud ihre gesammelten Hilfsgüter aus, ein paar Jugendliche rissen Kisten auf, um zu schauen, was darin ist. Der Rest blieb achtlos einfach liegen. Auf der langen Rückfahrt machte sie vollkommen übermüdet ihrer großen Enttäuschung Luft, noch während der Fahrt nahm sie ein Video auf.
Sechseinhalb Minuten lang nimmt Michaela B. kein Blatt vor den Mund. Das Video wurde vielfach geteilt und verbreitet, immer mehr Stimmen kommentierten, es immer schon gewusst zu haben, Stimmen, die sich abfällig äußerten über eine in ihren Augen „naive“ Hilfsbereitschaft von Deutschen, die aus ihren Refugees-Welcome-Erfahrungen mit der Massenzuwanderung ab 2015 immer noch nichts gelernt hätten.
Ihre Unterstützung zählt
Das Video von Michaela B. kursiert zunächst im Internet, ohne dass man es einem Facebook-Account zuordnen könnte. Aber nach einer Zeit der Recherche landen wir bei der desillusionierten Frau aus dem Video, die im Berufsleben Geschäftsführerin eines Pflege- und Betreuungsdienstes ist.
Im Video: Michaela B.
Sogar die Bildzeitung wurde früher einmal auf die Unternehmerin aufmerksam, als diese an „Spaziergängen“ teilnahm, weil sie sich unter anderem Sorgen machte, Personal wegen der drohenden Impfpflicht zu verlieren. Die Zeitung schrieb zu einem Bild, das Michaela B.mit einem ihrer pflegebedürftigen Kunden zeigt: „Die Chefin packt im Alltag selbst mit an, versorgt auch die Patienten.“
Später landen wir mit unserer Recherche in Halle bei einem Unternehmer und seinem bemerkenswerten Engagement rund um einen Hilfsgütertransport „Convoy of Hope“, den Michaela B. in ihrem Video kurz erwähnt hatte.
Was sich hier wieder bestätigt: Ostdeutsche sind oft gesprächsbereiter als ihre Landsleute im Westen. Wer Fragen stellt, bekommt direkte ehrliche Antworten. Hier zählt zunächst das Interesse, nicht der Abgleich irgendwelcher ideologischer Grundeinstellungen.
David Strübing führt in Halle einen Containerdienst. Sein Engagement für Bedürftige ist vielfältig. Viele wohltätige Organisationen könnten sich hier eine Scheibe abschneiden. Insbesondere, was die Geschwindigkeit Strübings angeht. Der Unternehmer legt während des Gesprächs immer wieder Wert drauf, dass sein Team zuerst genannt wird.
Per WhatsApp schickt Strübing viele Bilder, die dokumentieren, wie schnell der Sachsen-Anhalter reagiert und sich auf den Weg gemacht hat. Aber er ist nicht einfach mit Hilfsgütern losgefahren, sondern hat seine Kontakte in die Ukraine und nach Polen genutzt, damit die Hilfen auch direkt ankommen. Im Gegensatz zu anderen hat Strübing es organisiert, dass er, wenn er freitags wieder in Halle losfährt, nicht irgendwo im polnischen Grenzgebiet seine LKWs ausleeren muss. Er fährt direkt in die Ukraine und trifft dort auf staatlich organisierte Stellen, die ihm seine Lieferung direkt abnehmen und verteilen.
Vieles ist schon im Vorfeld bedarfsgerecht gepackt worden. Auch die polnische Seite, erzählt Strübing, sei mit einbezogen und helfe, damit seine Hilfsgüter auch bei den Bedürftigen ankommen.
David Strübing und Michaela B. sind befreundet. Die Freundin bat ihn um Lunch-Pakete, die sie an gestrandete Trucker verteilen wollte. Das Team von Strübing begann sofort, die Stullen zu schmieren und zu verpacken. Dann fuhr Michaela B. los und landete im Nirgendwo.
Ihre Unterstützung zählt
David Strübing würdigt die Hilfsbereitschaft der Unternehmerin. Über Fehler des Gegenüber werden hier nicht viele Worte verloren. Nur so viel: „Schade“, sagt er, „dass wir uns vorher nicht noch besser abgestimmt haben.“
Strübing beantwortet auch kritische Fragen. Auch ihn wundern teilweise die vielen Nicht-Ukrainer und wie sie so schnell dort angekommen sind, wo sie sich gerade aufhalten. Er hätte beispielsweise Syrer getroffen, die auch für die Ukraine keinerlei Papiere hätten vorweisen können, womit widersprochen wäre, dass das nur „ausländische Studenten“ sind, wie die westlichen Medien berichten.
Liegt hier der Verdacht nahe, dass diese Menschen gar nicht aus der Ukraine nach Polen kommen, sondern den Konflikt nutzen, um aus Anrainerstaaten direkt ins polnisch-ukrainische Grenzgebiet einzureisen, von wo aus sie in die Gratisbusse einsteigen? Strübing kann das nicht bestätigen aber auch nicht verneinen.
Angesprochen auf ukrainische Männer, weiß Strübing, dass diese tatsächlich im Land bleiben wollen bzw. bleiben müssen:
„Die Männer wollen gar nicht weg. Das ist ein unwahrscheinlich mit sich selbst gnadenloses, stolzes Volk, das sein Land verteidigt und verteidigen will. Es gibt Mütter, die haben ihre Kinder einfach an der Grenze in den Bus gesetzt und sind zurück zu ihren Männern. Die haben gesagt: 'Ich lass meinen Mann doch hier nicht alleine. '“ Viele Frauen würden sich schon an der Waffe ausbilden lassen.
Strübing erzählt weiter, dass viele Menschen gar nicht weit weg wollen von der Ukraine, „die wollen in Polen bleiben.“
Das erklärt dann auch, warum Michaela B. auf der Rückfahrt niemanden gefunden hat, der sie begleiten wollte, es gab hier niemanden zu retten. Wer nach Deutschland will, steigt einfach in einen der bereitstehenden Bussen – teilweise deutsche Unternehmer, deutsche Fernbusse, hat Strübing mit eigenen Augen gesehen. Hinter der Frontscheibe hingen Ortsschilder wie „Frankfurt“, „Berlin“, „Hamburg“ und „Düsseldorf“.
Im Video erzählte Michaela B. von zwanzig Stunden Fahrt, von 1600 Kilometern, von drei Transportern, mit denen sie mit weiteren fünf Personen gemeinsam losgefahren sei. Sie erzählt von den vielen Leuten, die zu Hause gepackt und gesammelt hätten. Und weiter:
„Und umso ernüchternder war dann eigentlich das, was wir erlebt haben. Es hat uns alle sehr sprachlos und traurig gemacht. Wir sind dort angekommen und haben Berge von Hilfsgütern gesehen, die achtlos auf diesem riesengroßen Parkplatz rumlagen, für die sich kein Mensch interessiert hat.“
Fragwürdig bleibt, warum Michaela B., die später in Kommentaren schrieb, Kontakte zu Hilfsorganisationen gehabt zu haben, diese nicht kontaktierte, als es darum ging, ihre Hilfsgüter punktgenau abzuliefern.
David Strübing fährt am Freitag im großen Konvoi direkt in die Ukraine. Er hat qualifizierte Ansprechpartner vor Ort, die garantieren, dass die gesammelten Hilfsgüter auch punktgenau in einem Katastrophenschutz geführten Lager des ukrainischen Militärs kurz vor Lemberg angenommen werden.
Bleibt zuletzt noch die Frage, was David Strübung kritischen Stimmen antwortet, die mit seinem Engagement für ukrainische Flüchtlinge nichts anfangen können und die immer wieder an das jahrelange blutige Vorspiel hin zu diesem Konflikt erinnern, an die Auslöser dieser Katastrophe.
Denen antwortet Strübing: „Wir sind engagiert, weil wir eben nicht danach urteilen, wer Schuld an dieser ganzen Sache hat, sondern einfach dafür da sind, dass Menschen, die gerade Hilfe brauchen, auch Hilfe bekommen.“
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Kommentar von Martin Haimböck
Interesannt, alles was die Deutsche Regierung anlangt geht voll in die Hose!