„Tue nur das, was du selber möchtest“

„Ich habe gedacht, ich bin im Himmel“ – Die 95-jährige Anneliese beantwortet Fragen

von Alexander Wallasch (Kommentare: 2)

„Abends sah man die Lichter und nach der anderen Seite hin das Meer mit den Schiffen. Ich habe gedacht, ich bin im Himmel.“© Quelle: privat – Anneliese in Schweden

Anneliese ist dieses Jahr 95 Jahre alt geworden. Sie ist weiterhin erstaunlich rüstig und an vielem interessiert. Gern führt sie Gespräche und erzählt dabei aus ihrem interessanten Leben.

Wer Anneliese um Rat fragt, kann sich darauf verlassen, immer eine durchdachte und wertvolle Antwort zu bekommen. Ich habe auf Twitter um Fragen an Tante Anneliese gebeten und mich über die Beteiligung sehr gefreut. Danke!

Ein paar der Fragen habe ich Anneliese heute gestellt.

„Andrea“ möchte wissen, wie Du es geschafft hast, nie den Mut zu verlieren und weiterzumachen.

Das kann man eigentlich kaum beantworten. Ich habe mich in Gedanken immer wieder an alle möglichen Gedichte und Erlebnisse erinnert. In den schlechten Zeiten waren zudem meine beiden kleinen Geschwistern noch mitzuversorgen. Und das, glaube ich, macht eine Menge aus. Es kommt dann immer eine Gefahr auf die andere, und dadurch hast du gar nicht Zeit, zu überlegen, sondern du musst handeln.

Heute kann man viel darüber lesen, dass man sein Geschlecht selbst wählen kann. „Dr. Arik Soong“ stellt kurz und knapp die Frage: Was ist eine Frau?

Ich drücke es einmal drastisch aus: Ich fürchte, wir verblöden so langsam. Die Natur hat im großen Ganzen die Aufgabe, die Menschheit zu erhalten. Da ist die Frau, und dort ist der Mann. Biologisch hat einer den Samen und der andere die Eizelle. Punkt.

Die ganzen Ausnahmen, die sind ja nicht das Richtige für den Erhalt der Menschheit, sondern das wird mitgeliefert. Und nur, weil man das jetzt so bewusst in den Vordergrund stellt, ist es überhaupt so ein Riesenthema mit viel zu vielen Einzelheiten. Und das geht dann immer weiter auseinander. Aber wenn man das sachlich und von der Schöpfung her betrachtet, dann bräuchte man gar nicht die viele Rederei, sondern man akzeptiert einfach, dass es Unterschiede gibt. Die Frau hat biologisch die Aufgabe bekommen, die Kinder zur Welt zu bringen.

Wie bewertest Du den Kampf der Transsexuellen?

Auffällig wurde das erst in der etwas neueren Zeit. Ich nehme an, dass es das schon immer gegeben hat, nur wurde das nicht so ausgestellt, und die haben sich auch nicht so auffällig bewegt, wie das jetzt bei uns ist. Wenn ich mir einen Umzug vorstelle, dann denke ich, dass ist ein Karnevalsumzug, weil die Männer sich als Frauen verkleiden und ich weiß nicht, was alles. Und heute ist das angeblich deren Recht. Ich verstehe das nicht mehr. Jeder soll sein Leben leben dürfen. Aber nicht, dass sie es so in den Vordergrund stellen, dass sie immer auffallen müssen.

Ralf möchte wissen, was Deine glücklichsten Zeiten waren ...

Die waren auf jeden Fall in Schweden.

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Wann war das und warum warst Du da?

Nach 1945 hatten wir alles verloren und ich musste beim Bauern den größten Dreck mitmachen. Ich wollte eigentlich viel lieber weiter zur Schule gehen und anschließend einen Beruf ergreifen. Aber dann kam ich zum Bauern in die Lehre. Dort bekam ich ein kleines Durchgangszimmer, weil dahinter noch zwei Räume waren. In einem schlief das alte Bauernehepaar und die liefen dann immer durch mein Zimmerchen.

Da war nur ein Bett, ein Ständer mit Waschmöglichkeit, ein paar Haken für die Kleidung und ein Fenster überm Pferdestall. Ich bekam Holzlatschen, da hatte ich immer wunde Knöcheln davon, das eiterte alles, ich konnte schlecht laufen, wenn ich hinter den Kühen herrannte, die wieder ausgebüchst waren. Zu Essen gab es.

Aber ansonsten, ich war doch die Bauernarbeit überhaupt nicht gewohnt. Auf den Lehrhöfen lernte ich zudem Hauswirtschaften und Einkochen und solche Dinge. Das war mir später sehr nützlich. Ich habe mir damals immer gesagt, ich halte das durch, ganz egal, was kommt. Und als ich dann die Stelle in Schweden und ein eigenes Zimmer bekam, das war alles so wunderbar. Das Haus war neu gebaut in wunderschöner Lage mit Blick auf die weit entfernte Stadt. Abends sah man die Lichter und nach der anderen Seite hin das Meer mit den Schiffen. Ich habe gedacht, ich bin im Himmel.

Die waren nett und freundlich zu mir. Das war die schönste Zeit, die ich hatte. Wir haben sogar Motorboote gehabt. Später habe ich dort einen Deutschen aus Breslau kennengelernt. Und da habe ich dann auch meine ersten Liebeserlebnisse gehabt.

„Torsten09“ möchte wissen, was Du von der aktuellen Politik hältst.

Mein Vater sagte immer, Politik ist ein schmutziges Geschäft. Und so ist mein Blick auf die Politik immer schon mit einem Minuszeichen behaftet gewesen. Ich möchte heute kein Politiker sein. Manche kommen sogar mit den besten Ideen und Vorsätzen, und dann musst du sehen, dass du wiedergewählt wirst, damit du etwas davon durchsetzen kannst. Also musst du schon wieder Einschränkungen hinnehmen bezüglich deiner hehren Gedanken.

„Brot und Spiele“ hat gleich drei Fragen. Sie möchte zunächst wissen, wie Dir der Zichorienkaffee geschmeckt hat ...

Als Kind habe ich keinen Bohnenkaffee gemocht, der mit Zichorie gestreckt wurde. Ich weiß nur, dass der Kaffee während des Krieges in Viertelpfundmengen zugeteilt war. Also 125 Gramm. Und diese kleinen Mengen gab es noch nicht einmal oft. Also hast du die Bohnen zählen müssen. Man nahm immer ein bisschen Zichorie dazu. Das habe ich aber selber nicht getrunken.

„Brot und Spiele“ möchte außerdem wissen, ob Du noch wählen gehst ...

Nein, das mache ich auch nicht mehr. Einmal habe ich noch Briefwahl gemacht, aber das mache ich in Zukunft nicht mehr.

Und dann möchte „Brot und Spiele“ noch von Dir wissen, wie man durch „politische Sturmzeiten“ kommt, ohne daran zu zerbrechen ...

Die Menschheit gibt es länger, als man bisher dachte. Also nicht nur 10.000 Jahre, sondern zehntausende Jahre und noch viel länger. Und wenn man jetzt überlegt, dann kommt man drauf, dass jede Zeit irgendwelche Schwierigkeiten hatte. Das haben die Menschen mitmachen müssen, oder sie sind daran kaputt gegangen. Und die Schwachen – ganz egal, ob das solche sind, die nicht mitmachen können, oder solche, die nicht mithalten wollen – die sind untergegangen. Es sind immer nur die Starken geblieben, nicht unbedingt diejenigen, die am menschlichsten waren. Und deswegen glaube ich, dass der Mensch irgendetwas in sich hat, dass er das dann doch ertragen kann. Nicht alle, aber immer ein bestimmter Teil.

„Angelina Jolie“ möchte wissen, wie Du mit deinen Ängsten in der Kriegszeit umgegangen bist.

Da hatten wir gar keine Zeit, Angst zu haben. Zudem war die Propaganda so, dass wir den Krieg selbstverständlich gewinnen. Ich habe keine Angst gehabt. Die Angst kam erst nach dem Krieg, in der Tschechei war die schlimmste Zeit.

„Ute Werner“ würde gern wissen, ob es etwas gibt, was Du bereut hast.

Ich habe nach Möglichkeit immer das getan, was ich gerne wollte. Einfach, damit ich nicht hinterher sagen musste: Hättest Du mal! Heute würde ich vieles einfach mal so laufen lassen. Oder es liegt einfach daran, dass ich alles überlebt habe, dass ich deshalb nichts bereue.

Was würdest Du heute einem jungen Mädchen empfehlen, soll sie mutig sein oder angepasst, was wäre Dein Rat?

Mir hat mal jemand gesagt, tue nur das, was du selber möchtest. Und das käme auch für so ein junges Mädchen in Frage. Sie soll ruhig das machen, was sie möchte, was sie kann und was ihr Spaß macht. Denn im Beruf und überall kommen doch sehr viele Dinge, die du nicht so gerne machst, aber machen musst. Das sollte in der verbleibenden Zeit nicht auch noch so sein.

„Baenschman“ erzählt etwas von einem Mehrgenerationenhaus und fragt, ob Du dir so etwas für Dich vorstellen könntest ...

Da habe ich tatsächlich in letzter Zeit viel darüber nachgedacht. Aber meinst Du jetzt in einer Wohngemeinschaft?

Ich glaube, es ist hier ein Mehrgenerationenhaus mit getrennten Wohnungen gemeint ...

Das geht ja bei mir ja schon fast so mit meiner jüngeren Nachbarin. Die kauft manchmal für mich ein und wir unterhalten uns oft. Das finde ich sehr gut. Man muss natürlich immer akzeptieren, dass der andere nicht der gleichen Meinung sein muss. Und auch nicht, dass der Gegenüber immer in der gleichen Stimmung ist wie man selber. Man muss dann eine gewisse Rücksichtnahme zeigen. Ich finde das gut. Wenn du nur unter alten Leuten bist, dann redest du nur von früher. Aber was heute passiert, das lernt und hört man mehr von den jungen Menschen. Ich finde das gut. Allerdings sollten im Voraus bestimmte Regeln eingeführt sein. Das halte ich für sehr wichtig, dass man also nicht jederzeit den anderen überfallen kann, sondern dass er auch gewisse Zeiten hat, wo er ungestört für sich bleiben kann.

Danke für das Gespräch!

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