„Bei dieser Hilfsbereitschaft kann man vor Freude heulen“

Im Gespräch: Braunschweiger Flüchtlingshelfer Robert Glogowski - Teil I

von Alexander Wallasch

Robert Glogowski ist seit 2021 grüner Ratsherr der Stadt Braunschweig. Vor acht Jahren war der 1967 geborene Diplomdesigner Mitgründer eines Ukraine-Vereins. Aktuell hilft er in seiner Stadt dabei, die Unterbringung der Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine zu organisieren. Glogowski nahm schon vor Kriegsbeginn an Pro-Ukraine-Demonstrationen vor dem Braunschweiger Schloss teil.

Glogowski kommt aus einer prominenten politischen Familie, Vater Gerhard war Oberbürgermeister von Braunschweig und Ministerpräsident des Landes Niedersachen.

Wir sprechen mit Robert Glogowski über seine Erfahrungen und sein Engagement für die Flüchtlingshilfe. Es gab viel zu besprechen. Das Interview erscheint in zwei Teilen, Teil zwei folgt morgen.

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Alexander Wallasch: Schon bald nach Zuspitzung des Ukraine-Konfliktes berichtete die Braunschweiger Zeitung von einer Pro-Ukraine-Demonstration, die Sie mit organisiert haben. Was haben Sie mit der Ukraine zu tun?

Robert Glogowski: Ich bin Gründungsmitglied des Vereins „Freie Ukraine“. Ich bin über einen ukrainischen Freund dazu gekommen, der sich schon vor Jahren für die Einbindung der Ukraine an Europa eingesetzt hatte. Im Verein „Freie Ukraine“ sind Deutsche und Ukrainer willkommen.

Alexander Wallasch: Gibt es einen Dachverband? Und was ist der Zweck solcher Vereine?

Robert Glogowski: Mittlerweile gibt es ein Netzwerk in der ganzen Bundesrepublik. Wir tauschen uns aus und pflegen Kontakte. Wir machen viele Kulturveranstaltungen, es geht darum, deutsche und ukrainische Kultur einander näher zu bringen. Viele in Deutschland hatten die Ukraine nicht auf dem Schirm. Man musste ja Anfangs sogar schauen, wo liegt die Ukraine überhaupt? Wir haben einen Jugendaustausch gemacht und wir haben zusammengearbeitet im Bereich Zivilgesellschaft. Wir haben geholfen beim Aufbau zivilgesellschaftlicher Organisationen. Und wir haben die ganze Zeit über auch Hilfsgüter verschickt, auch Krankenhausausstattungen, Feuerwehrhelme, eben alles, was man zum Aufbau einer Zivilgesellschaft braucht.

Alexander Wallasch: Aber die Ukraine ist nicht Teil der dritten Welt gewesen …

Robert Glogowski: Im letzten Jahr ging es sogar darum, ob man Fachkräfte aus der Ukraine nach Deutschland abwerben darf, wo diese doch für den Aufbau des Landes geeignet sind. Die Ukrainer sind gut ausgebildet und von der Wesensart her angenehme tüchtige Menschen. Ich staune immer, wie ernsthaft diese Menschen sind. Nicht, dass der Ukrainer keinen Humor hätte, aber nur mit doofen Sprüchen oder Sarkasmus kommst du bei ihnen nicht weiter. Ich stelle eine große Ernsthaftigkeit fest. Ich würde sogar sagen, sie ist bei den Menschen Teil der eigenen Identität. Diese Identität ist aus dem Herzen entstanden, ebenso wie sie sich auf eine lange Tradition berufen kann. Der Ukrainer legt Wert darauf, nicht mit Russen über einen Kamm geschoren zu werden. Fragwürdig fand ich es beispielsweise dort, wo eine Musikband, die russisch singt, um eine größere Zielgruppe zu erreichen, auf einmal nicht mehr russisch singen durfte.

Alexander Wallasch: Da wären wir ja schon beim Vorwurf des Nationalismus. Ist eine junge Nation bei der Identitätsfindung zwangsläufig mit besonders extremen Ausschlägen eines neuen Nationalgefühls belastet?

Robert Glogowski: Das ist für uns Deutsche ein bisschen schwer erträglich. Heute sehe ich das mit anderen Augen. Die Ukraine ist tatsächlich ein anderes Land als Russland. Die Ukraine war nur sehr lange in einem bestimmten System einverleibt. In der Sowjetzeit war auch Kasachstan Kasachsten und Usbekistan war Usbekistan. Auch kaum bekannt hier übrigens: Unter Stalin wurde versucht, die Ukrainer durch Hunger zu vernichten. Man hat versucht, ein ganzes Volk zu vernichten.

Alexander Wallasch: Welche Verantwortung haben wir als Deutsche heute für die Ukraine? Haben wir überhaupt eine? Fragte man einen Deutschen vor dem Konflikt nach der Ukraine, dann war entweder klischeehaft von den hübschen Frauen die Rede und von Eheanbahnungsinstituten und leider auch von osteuropäischer Kriminalität.

Robert Glogowski: Da muss ich sagen, es ist in der Ukraine wohl ähnlich wie in der Türkei: Es gibt zwei Landesteile mit einem gewissen Mentalitätsunterschied. In der Ukraine ist das der westliche und der russische Teil. Aber ich kann Ihnen sagen, was heute meine Assoziation sind zur Ukraine: Exzellenter Wodka (lacht), reiner Alkohol, der einfach sensationell schmeckt. Und das zweite ist ein Essen, dass zwar unheimlich dick macht, aber es schmeckt traumhaft. Das Liebste waren mir immer die Picknick-Veranstaltungen. Und dann haben die Ukrainer eine mitreißende Pollka-Musik, wo man richtig gut dazu tanzen kann. Wenn ich etwas über die Menschen erzählen soll: Ich mag auch, dass die Ukrainer so emotional sind, so herzlich. Wenn Du da bist, dann wirst du immer sehr direkt und umarmend angesprochen und das tut wirklich gut.

Alexander Wallasch: Was ist passiert in den letzten Jahren?

Robert Glogowski: Die Ukraine hat sich sehr gewandelt. Möglicherweise ist auch dass ein Grund, warum Putin das nicht auf die Reihe bekommen hat. In den letzten acht Jahren hat sich aus einem postsowjetischen ein eigenständiges Land entwickelt. Die Oligarchen haben zwar überall ihre Hände drin, aber Selenskyj ist gewählt worden, und zwar richtig. Ich dachte tatsächlich zuerst auch, dass sei eine Marionette.

Alexander Wallasch: Hatten Sie mit Ihrem Engagement an keiner Stelle Sorge, dass Sie sich damit zum Helfershelfer der Amerikaner machen? Die USA haben der Ukraine schon Milliarden an Dollar Militärhilfe zur Verfügung gestellt gegen Russland. Sind Sie nicht mit Ihrem Verein auch Teil einer Art Wertekolonialismus? Befördert man hier nicht unbedacht einen Konflikt, der nicht der eigene ist, indem man die Leute amerikanisiert?

Robert Glogowski: Diese Rolle der USA ist mir überhaupt nicht bewusst gewesen. Was ich natürlich weiß: Die Amerikaner verändern die Landkarte zu ihren Gunsten. Und das ist auch kritisch zu beobachten. Es ging ihnen darum, Schwächen auszunutzen und ihre Einflussgebiete zu stärken.

Alexander Wallasch: Eine amerikanische Tradition …

Robert Glogowski: Genau. Aber Sie müssen in der Ukraine immer trennen zwischen dem Spiel der Oligarchen, der militärisch-strategischen Situation, der Energieversorgung des Westens - Gas abschalten oder nicht abschalten. Das ist eine Dimension, die ist noch einmal über den Oligarchen angesiedelt, und darunter stehen die Ukraine und die Menschen. Deswegen hat man eigentlich mit dieser Oligarchen-Diskussion eine darüber schwebende Debatte/Welt. Man kann da auch gar nicht indoktrinieren, die Ukrainer sind extrem selbstbewusst und unglaublich gut ausgebildet.

Alexander Wallasch: Der amerikanische Way of Life geht doch aber auch nicht an selbstbewussten Menschen vorbei. Ich unterstelle mal, dass er uns beide als Westdeutsche ebenso geprägt hat. Ich würde lieber in Los Angeles oder New York leben als in Petersburg oder Moskau. Und das, obwohl ein Teil meiner Vorfahren aus Petersburg stammt, mein Großvater sprach sehr gut russisch. Dieser Way of Life reicht doch von McDonalds bis hin zu Netflix. Ich sehe das Pendant aus Russland da nicht für mich, hier der potentielle Wohlstand, dort die drohenden Entbehrungen ...

Robert Glogowski: Als ich vor Ort war, da bestand der Luxus auch darin, an Äußerlichkeiten zu zeigen, was man hat. Aber eine Begeisterung für die USA habe ich da vordergründig nie wahrgenommen. Viele hier haben einfach diese typischen Bilder aus Russland im Kopf von Wodka-saufenden, armen Leuten und auf der anderen Seite den überbordenden Luxus weniger Menschen. Aber das ist sehr klischeehaft, das habe ich in der Ausprägung so nicht erlebt, da war ja auch die orangene Revolution – so betrachtet haben wir es ja immer mit einer politischen Ukraine zu tun gehabt, mit einer Revolutionsbewegung.

Alexander Wallasch: Aber Entschuldigung, die Rolle der Amerikaner war für mich bei Revolutionen suspekt von Nordafrika rüber bis zum Maidan. Man hatte doch damals das Gefühl, die USA räumen jetzt nacheinander alles ab, was ihnen nicht ins neokapitalistische Heuschrecken-Wirtschaftskonzept passt.

Robert Glogowski: Sie waren nie in Kiew, als der Maidan noch mit Zelten besetzt war ...

Alexander Wallasch: Aber wie viele Leute, Studenten, Intellektuelle waren das auf dem Maidan, die damit allen anderen vierzig Millionen Ukrainern ihre Haltung übergestülpt haben? Wurden die Maidan-Ereignisse da ausreichend aufgearbeitet?

Robert Glogowski: Ich meine, dass die Kraft dieser Situation von uns unterschätzt wird. Der Maidan, das Selbstbewusstsein, das politische Denken und Handeln – Sie würden genauso selbstsicher darüber reden, wenn Sie Leute getroffen und mit jenen geredet hätten, die dabei waren. Ich bin Designer, ich bin spezialisiert auf Identitätsbildung in Unternehmen. Wenn mir viele unterschiedliche Leute in ihrer Sprache das Gleiche erzählen, dann weiß Du, dass es einen Kern gibt dessen, was sie fühlen und denken. Jeder hat ein bestimmtes identisches Grundgefühl – das ist meine Erfahrung. Putin ist hier reingerappelt in eine Nation! Das hat er nicht auf dem Schirm gehabt, dass er in ein eigenständiges Land reinfährt.

Alexander Wallasch: Ist das nicht etwas blauäugig? Schauen Sie sich Libyen an, da gab es viel zu kritisieren vor dem gewaltsamen Sturz. Aber was haben wir da aktuell für brutale Verwerfungen? Und auch nach dem Maidan starben zehntausend Menschen in der Ukraine nach militärischen Auseinandersetzungen. Der ukrainische Staat hat in den Spannungsgebieten eine große Zahl von echten Nationalisten für sich kämpfen lassen ...

Robert Glogowski: Der Unterschied ist ganz einfach: Man hat in Nordafrika teils Diktatoren gestürzt. Ohne darauf zu achten, welche Machtverhältnisse sich danach ausbilden. Da waren Stämme, die haben sich anschließend weiter bekämpft. Aber in der Ukraine gab es diesen Wechsel - ja, es gab auch den Missbrauch, dass Leute versuchten, sich die Taschen vollzustopfen -, es gab eine Demonstration, da wurden diese Menschen weggejagt. Und dann hat man irgendwann mal einen Selenskyj gewählt, das sind in dichter Folge demokratische Entscheidungen gewesen. Und ja, auch Selbstheilungsprozesse. Und die wurden gestört an der einen Grenze, wo die Schwerindustrieregionen der Ukraine sind, wo der Russe um all das zu destabilisieren ununterbrochen die Leute angehalten hat, dagegen anzukämpfen.

Alexander Wallasch: Aber wenn da überwiegend russischstämmige Menschen und Russen leben, die Moskau Kiew vorziehen, dann sind das doch Autonomiebestrebungen und muss nicht automatisch von Moskau gesteuert sein, oder?

Robert Glogowski: Nach Ihrer Logik müssten die Katalanen auch endlich ihr eigenes Staatsgebilde aufbauen dürfen.

Alexander Wallasch: Und nach der gleichen Logik ist Schlesien nicht mehr Deutsch, denn da leben kaum noch Deutsche. Die Vertreibung hat es endgültig gemacht. Das scheint ja in der Menschheitsgeschichte ein bewährtes Rezept zu sein, nämlich Tabula rasa zu machen.

Robert Glogowski: Ganz wichtig zu verstehen: Russen und Ukrainer sind alle miteinander verwandt. Jede Bombe, die auf irgendein Hotel, Wohnviertel oder Krankenhaus fällt, kann unter Umständen Verwandte töten.

Alexander Wallasch: Aber genau das ist doch auch die Argumentation des russischen Präsidenten, dass da etwas zusammengehört …

Robert Glogowski: Nein, das liegt daran, dass diese Menschen in einer Sowjetunion gelebt haben. Die Ukrainer verfluchen hier nicht generell die Russen und umgekehrt auch nicht. Hier bei uns reden immer alle, als gebe es ein russisches Minderheitengebiet und ukrainisches Großmachtgebiet, aber es ist viel komplizierter: Die Menschen sprechen gleichermaßen ukrainisch wie russisch.

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Alexander Wallasch: Wie ähnlich sind sich die ukrainische und die russische Sprache? Ähnlich dem Verhältnis von bayrisch und deutsch oder eher wie dänisch und deutsch oder holländisch und deutsch?

Robert Glogowski: Dänisch-deutsch ist glaube ich ein guter Vergleich (lacht). Du kannst Wörter verstehen, aber es ist schon jeweils eine Fremdsprache. Ich habe Ukrainer erlebt, die - -wenn sie sich richtig aufregen - schlagartig ins Russische zurückfallen, weil sie das als Kind gelernt haben. Beide Sprachen wurden bisher mit einem absoluten Selbstverständnis gesprochen, es gibt Leute, die fangen mit russisch an und sprechen ukrainisch weiter, da zuckt niemand, da hört jeder einfach weiter zu.

Alexander Wallasch: Wir müssen hier auch richtig üble Sachen ansprechen: In Düsseldorf ist eine Ukrainerin in einer Unterkunft von afrikanisch-stämmigen Migranten vergewaltigt worden, sie ist jetzt nach Polen gegangen, weil sie sich in Deutschland nicht mehr sicher fühlt. Du engagierst Dich in Braunschweig für die Unterbringung der Ukrainerinnen und ihrer Kinder. Wie schützt man diese Frauen?

Robert Glogowski: Es kommen hier hauptsächlich Frauen und Kinder ...

Alexander Wallasch: Wie hoch ist der Männeranteil im Moment?

Robert Glogowski: Das kann ich gar nicht genau sagen. Es sind Männer dabei. Ein Problem ist, dass hier keine Trupps ankommen, das ist eine falsche Vorstellung. Die Menschen kommen vereinzelt, auch Fachleute können das nicht einschätzen. Auf Treffen sehe ich fast nur Frauen. Insgesamt sind bisher wohl neunhundert Ukrainer in Braunschweig angekommen, Stand Freitag, 18. März.

Alexander Wallasch: Wie viele Nichtukrainer sind darunter, also Afrikaner, Asiaten, Araber …

Robert Glogowski: Ich habe gar keinen gesehen.

Alexander Wallasch: Weil die gleich untertauchen?

Robert Glogowski: Kann ich wirklich nicht sagen.

Alexander Wallasch: Dieses Nichtwissen klingt doch schon wieder nach maximalem Chaos. Warum bekommen wir es nach 2015 schon wieder nicht in den Griff?

Robert Glogowski: Das liegt auch an der Besonderheit, dass die Ukraine Reisefreiheit hat. Schon immer hatte. Wir durften mit unserem Pass in die Ukraine reisen und umgekehrt. Und dann kommt noch eine Sache dazu: Die Ukrainer gehen grundsätzlich davon aus, dass sie schon bald zurückfahren werden. Deswegen kommen die gar nicht auf die Idee, sich zu bewerben oder Asyl zu beantragen. Viele gewohnte Mechanismen sind jetzt auf deutscher Seite wieder ausgebrochen wie 2015. Damals, als Menschen kamen, die bleiben wollten. Die Ukrainer haben aber überhaupt nicht vor, zu bleiben.

Alexander Wallasch: Das ukrainische Bildungsministerium hat jetzt klar gemacht, sie möchten gar keine Integrationsklassen in Deutschland ...

Robert Glogowski: In der Corona-Zeit hat sich in der Ukraine ein gutes Online-Schulsystem etabliert. Mir ist berichtet worden, dass die Kinder sich, egal wo sie sind, morgens automatisch brav hinsetzen und ihren Online-Unterricht weiter machen. Die Lehrer sind zwar teilweise geflüchtet, aber sie machen ihren ukrainischen Online-Unterricht wie selbstverständlich weiter. Schule ist hier Normalität.

Alexander Wallasch: Nochmal: Wie sieht es mit dem Schutz der Frauen aus, die hier ankommen? Es gab bereits schlimme Zwischenfälle.

Robert Glogowski: Keine Sorge, auf die Frauen wird aufgepasst. Eine Sammelunterkunft ist ein riesiger Raum, da laufen Ehrenamtliche herum, Dolmetscher, Betreuer, es kommen Tag und Nacht Menschen rein in diesem Raum. Die Flüchtlinge liegen da erschöpft, essen und versuchen, zur Ruhe zu kommen. Dann wird die weitere Unterbringung organisiert, entweder in Hotels oder sie werden bei aufnahmebereiten Familien untergebracht. Diese Notunterkünfte, die wir jetzt haben, das sind Stadthallen und Turnhallen.

Alexander Wallasch: Aber die Übergriffe gegen Frauen sind ja damit noch nicht vorbei …

Robert Glogowski: Wir haben die Situation mit den afrikanischen Studenten, die aus der Ukraine fliehen. Da gab es Berichte von rechten Übergriffen polnischer Grenzern auf Afrikaner aus der Ukraine. Da wurde mehrfach gesagt, dass das so nicht gewesen ist.

Alexander Wallasch: Aber was sind das schon wieder für Narrative wie 2015, dass Sie hier fast reflexartig Rechte gegen Schwarze in Stellung bringen? Ich habe ein langes Interview geführt mit dem Chef der Gewerkschaft der Bundespolizei, der klar gesagt hat, ein großer Anteil der Schwarzafrikaner sind keine Studenten aus der Ukraine, sondern offensichtlich Trittbrettfahrer hinsichtlich der deutschen Aufnahmebereitschaft für ukrainische Flüchtlinge, die ihnen zuvor in Deutschland verwehrt wurde. Schlimmer: Die Visa soll es laut Gewerkschaftschef der Bundespolizei schon für Kleingeld vom Abreißblock geben, die werden dann einfach in die afrikanischen Pässe eingeklebt ...

Robert Glogowski: Wir reden hier von einer Zeitspanne von ein bis zwei Wochen. Dass dieses Modell unter Schleppern modern werden könnte, da muss man sicher aufpassen. Aber die, über die wir reden, waren schon nach einer Woche da, so schnell geht es dann auch bei Schleppern vermutlich nicht …

Alexander Wallasch: Aber es sitzen doch schon länger zehntausende Schwarzafrikaner, Syrer, Afghanen und andere Migranten in den Startlöchern, unter anderem an den bekannten Hotspots and er weißrussisch-polnischen Grenze.

Robert Glogowski: Es sind immer schon Kontingente von Studenten aus Afrika in der Ukraine gewesen. Wir haben hier in Braunschweig auch eine große Community an Studenten aus Afrika an der Universität.

Alexander Wallasch: Aber wenn in München ein Zug ankommt mit 160 Ukrainern von denen 130 Schwarzafrikaner sind, dann stimmt das Verhältnis nicht mehr, oder? Oder man hat hier zufällig gerade eine Etage eines Studentenwohnheims vor sich, die gemeinsam geflüchtet sind. Glauben Sie an so etwas?

Robert Glogowski: Also ich sage Ihnen ganz ehrlich, dass hier zu verbinden mit der Angst, dass dort Illegale kommen, dann sage ich Ihnen, das ist jetzt die primitivste Form vor dem schwarzen Mann Angst zu haben, Sie sollten mal lieber Angst haben vor den ganzen Tschetschen-Kämpfern und dergleichen, die jetzt ihre Netzwerke wieder hier aufbauen. Da kommen ja ganz andere Leute rüber, solche, die wirklich einen ukrainischen Pass haben.

Alexander Wallasch: „Angst vor dem schwarzen Mann“ finde ich jetzt unter der Gürtellinie. Erzählen Sie das mal der Ukrainerin, die gerade aus der Düsseldorfer Unterkunft, aus Deutschland, nach Polen geflüchtet ist. Und siebenhundert Gruppenvergewaltigungen von Zuwanderern an Frauen pro Jahr sind zwei am Tag in Deutschland - dokumentiert in der Kriminalitätsstatistik. Die Dunkelziffer dazu wollen sie gar nicht wissen. Und so etwas verharmlosen zu wollen, da bekommen wir Schwierigkeiten, das Gespräch zu Ende zu führen. So etwas unter den Teppich zu kehren ist auch den eigenen Frauen gegenüber eine Schande.

Robert Glogowski: Das Problem ist doch, dass diese Themen miteinander verbunden werden ...

Alexander Wallasch: Nein, wenn über die von allen Fraktionen erwünschte Freizügigkeit der Kriegsflüchtlinge, wenn in diesem Treck der Flüchtenden eine bestimmte Zahl von Wirtschaftsmigranten versucht, illegal ins Land zu gelangen, dann ist das sehr wohl ein und das selbe Thema für mich …

Robert Glogowski: Ich möchte Sie mal ganz kurz stoppen und Ihnen etwas berichten: Die polnische Grenzpolizei macht einen superguten, aber auch sehr taffen Job. Die Flüchtlinge, die hier reinkommen, werden richtig geprüft. Die sitzen da auch teilweise lange, bevor sie nach Deutschland kommen. Dann haben sie eine SIM-Karte bekommen zum Telefonieren und konnten weiterreisen.

Alexander Wallasch: Aber das ist doch exakt die Beschwerde an Innenministerin Nancy Faser, dass es nicht zu verstehen ist, dass die Polen das hinbekommen mit der Registrierung aber wir nicht. Für mich nicht fahrlässig, sondern mutwillig und so gewollt.

Robert Glogowski: Wir haben doch an der deutsch-polnisch Grenze gar keine Kontrollen mehr ...

Alexander Wallasch: Eben! Wir verlassen uns also auf die Arbeit der Polen.

Robert Glogowski: Wir jedenfalls haben es hier in der Aufnahme in Braunschweig nur mit Afrikanern zu tun gehabt, die in der Tat Studenten waren, die hierhergekommen sind, weil hier teilweise schon Verwandte wohnen. Und diese Menschen haben richtig Angst vor den Russen, weil sie sich kaum auskennen im Konflikt. Dass es Illegale gibt, jedweder Ethnie - ob das nun Flüchtlinge sind oder Kriminelle - die werden natürlich versuchen, diese neuen deutsche Aufnahmebereitschaft auszunutzen. Da sagt dann die Bundespolizei: Achtung, wachsam bleiben. Kriminelle kommen immer. Wenn eine Millionen Menschen unterwegs sind, dann wird da ein bestimmter Prozentsatz darunter sein. Die Ukrainer, die hier ankommen, das sind Frauen und Kinder. Der Chef der Gewerkschaft warnt doch zunächst nur, dass wir aufmerksam sein müssen.

Alexander Wallasch: Gibt es denn für diese Frauen und Kinder ausreichende dezentrale Unterbringungen?

Robert Glogowski: Das ist leider nicht gegeben. Die Hilfsbereitschaft ist sehr groß. Aber man kommt momentan nicht hinterher mit dem Prüfen und Aussortieren. Wichtig auch: Wir haben einen spontanen Wechsel in der Bedürftigkeit: Neben Medikamenten sind jetzt wieder Lebensmittelspenden gefragt.

Alexander Wallasch: Was genau meint das?

Robert Glogowski: Die Leute, die jetzt kommen, haben auch Hunger. Und sie kommen nicht an ihr eigenes Geld heran, sich etwas zum Essen zu kaufen. Paypal, habe ich heute gelesen, will denen ein Fenster öffnen, da wurde ja alles dicht gemacht durch die Sanktionen. Diese Leute müssen nun ernährt werden. Nein, das ist kein Flüchtlingstreck, der verhungert, aber haben Sie Mal einen Tag lang nichts gegessen … Am Bahnhof haben Mitarbeiter schon spontan Geld gesammelt, um Ankommenden erst einmal von McDonald ein Essen zu holen.

Alexander Wallasch: Sind die Braunschweiger Hotels offenherzig mit der Unterbringung oder rümpft man die Nase?

Robert Glogowski: Im Gegenteil. Ich habe das Gefühl gehabt, das sind weit offene Arme. Sie müssen das miterleben, da kann man schon einmal vor Freude heulen. Die sagen sofort: Ich mach das, ich brauch kein Geld.

Alexander Wallasch: Gut, aber das Unterbringungsgeschäft ist seit 2015 ein sehr umkämpftes und florierendes Geschäft …

Robert Glogowski: Aber sie sperren sich nicht. Und plötzlich ist auch die Bürokratie sehr schmal: Da werden Testzelte von der Feuerwehr vor dem Hotel aufgebaut, da wird nicht mehr lange gefragt, wer nun die Parkplätze gehören, was diese oder jene Behörde dazu sagt, wer etwas zu bemängeln hätte, nein, es wird einfach gemacht. Wir brauchen das? Es wird innerhalb eines Vormittags erledigt.

Der zweite Teil folgt ...

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