Müller und Brandner: Ein Kampf um den Begriff „Faschismus“

Ist Ann-Katrin Müller eine Faschistin oder die AfD?

von Alexander Wallasch (Kommentare: 4)

Ann-Katrin Müller kommentiert die AfD© Quelle: YouTube/Phönix, https://www.youtube.com/watch?v=R8MF4B1lJX8, Screenshot

„Spiegel“-Journalistin Ann-Katrin Müller verklagt AfD-Politiker Brandner wegen des Vorwurfs „Faschistin“. Doch sie selbst sieht faschistische Züge in der AfD. Ein Text über Doppelmoral, Klagen und die Macht der Worte.

Die „Spiegel“-Redakteurin Ann-Katrin Müller scheint eine besondere Obsession für Stefan Brandner zu haben, erneut beschäftigt sie sich via X umfangreich mit dem AfD-Bundestagsabgeordneten. Sie klagt gegen Brandner, weil sie von diesem nicht als „Faschistin“ oder „Ober-Faschistin“ bezeichnet werden will. Zuletzt wurde die Immunität Brandners aufgehoben, damit Müller gegen ihn gerichtlich vorgehen kann.

Wörtlich schreibt die 38-Jährige via X:

„AfD-Bundesvorstand und MdB Stephan Brandner hatte mich hier ja mehrfach als *Faschistin“ bezeichnet. Ein Gericht verbot ihm das, doch er wiederholte die Beleidigung und versprach sogar eine großzügige Belohnung, wenn es ihm andere nachtun. Danach erstatteten wir Strafanzeige.“

Anschließend berichtet Müller in einer Reihe ergänzender Kommentare von Zahlungen, die Brandner bereits leisten musste, und endet mit dem Absatz:

„Trotz aller bisherigen Niederlagen sagt Brandners Anwalt weiter, man wolle bis vors Verfassungsgericht. In der Zwischenzeit überzieht er die Richter mit Befangenheitsanträgen und schickt lange Schriftsätze mit irrwitzigen Beschuldigungen. Wird uns also noch etwas beschäftigen.“

Warum wehrt sich Frau Müller so vehement dagegen, als „Faschistin“ bezeichnet zu werden, wo sie doch selbst recht großzügig damit umgeht, gleich die größte deutsche Volkspartei mit dem Faschismus-Vorwurf zumindest teilweise zu belegen: „Es gibt schon faschistische Züge in der AfD.“

Auch fordert die Spiegel-Mitarbeiterin explizit eine Ausgrenzung und Sonderbehandlung der AfD:

„Nein, so sollten wir Medien nicht mit der AfD umgehen. Sie ist keine normale Partei, sondern eine, die in großen Teilen rechtsextrem ist. Sie will die Demokratie maßgeblich verändern, da haben wir ein Problem.“

Und sie tritt bei Veranstaltungen auf, die die AfD als Faschisten markiert, wie bei „re:publica: MONITOR-Forum „Nie wieder Faschismus!“". Dort heißt es in der Vorankündigung:

„MONITOR-Forum: Nie wieder Faschismus! Journalismus zwischen Aktivismus und Verfassungsauftrag (Tilo Jung, Ann-Katrin Müller, Julia Krittian, Georg Restle)“

Ann-Katrin Müller sagt dort etwa über die Thüringer AfD-Spitze Björn Höcke:

„Höcke kann man durchaus einen Faschisten nennen.“

Interessant in dem Kontext übrigens, dass die EU erst im April 2024 eine „Anti-SLAPP-Richtlinie“ erlassen hat, um Journalisten, Aktivisten und andere Personen des öffentlichen Lebens vor missbräuchlichen Klagen zu schützen.

Aber sind AfD-Abgeordnete keine Personen des öffentlichen Lebens? Sind sie ausgeschlossen? Oder sind die EU-SLAPP-Gesetze gegen jeden, aber nicht gegen Journalisten anwendbar? Oder haben die Anwälte von Stephan Brandner die Möglichkeit verpasst, sich hier auch auf diesen neuen besonderen Schutz gegen mutmaßliche Klagewellen zu berufen?

SLAPP (engl.: Strategic Lawsuits Against Public Participation) bezeichnet strategische, oft unbegründete Klagen, die vor allem von mächtigen Akteuren (z. B. Unternehmen oder Politikern) gegen Journalisten, Aktivisten oder NGOs erhoben werden. Ziel ist nicht ein Rechtsstreit, sondern die Einschüchterung durch hohe Prozesskosten, Zeitaufwand und psychischen Druck – um kritische Berichterstattung zu unterbinden oder zu verzögern.

Funktioniert das nicht umgekehrt? Offenbar nimmt man hier an, dass Bundestagsabgeordnete eine starke Lobby haben. Aber gilt das auch für die AfD, die sich gegen Bestrebungen zur Wehr setzen muss, die Partei insgesamt verbieten zu wollen?

Auch hier geht es um eine Umkehrung. Aber nicht alles ist automatisch „Whataboutism“, also der Versuch einer Umkehrung der Anschuldigung. Grundsätzlich muss das Prinzip der Gleichbehandlung gelten.

Entlang gegenseitiger Faschismus-Anschuldigungen muss automatisch die Frage folgen, was Faschismus überhaupt ist und worin überhaupt exakt die Beleidigung liegt.

Bestürzend ist, dass ausgerechnet ein Juristenportal („Legal Tribune Online“) einen argumentativ besonders unsinnigen Artikel zur Causa „Müller-Brandner“ schrieb unter der Überschrift „Nur Faschisten dürfen Faschisten genannt werden“ . Unsinnig schon deshalb, weil es doch genau darum geht, herauszufinden, was der Vorwurf bedeutet und auf wen er überhaupt anzuwenden ist. Das ist Kern der Debatte.

LTO diskreditiert sich schon in der Schlagzeile, wenn suggeriert werden soll, es sei unstrittig, dass die AfD bzw. ihre Vertreter Faschisten wären. Noch gravierender: Der Artikel von „Legal Tribune Online“ argumentiert gleich zu Beginn ausgerechnet mit solchen Correctiv-Behauptungen, die bereits gerichtlich untersagt wurden (Klagen von Ulrich Vosgerau).

Bezüglich der AfD ist bei LTO von „Anknüpfungstatsachen“ die Rede. Gibt es die bei Müller bezüglich des Faschismus-Vorwurfs nicht? Dazu gleich.

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LTO weiß selbst, was sie da verzapft haben, indem sie der „Spiegel“-Autorin unter die Arme greifen. Eine Relativierung wurde vorangestellt, um Kritik an der dann folgenden angeblichen Eindeutigkeit den Wind aus den Segeln zu nehmen:

„Auch wenn sicherlich der Begriff des Faschismus und Rechtsextremismus in Empörungsdebatten der letzten Jahre manchmal allzu schnell fällt, ist eine derartige Kritik gegenüber vielen AfD-Funktionären völlig eindeutig zulässig und berechtigt.“

Und wie politisch es letztlich bei solchen Medien zugeht, beweist hinreichend der Schlusssatz. Hier geht es um die mediale Vernichtung oppositioneller Stimmen, die AfD ist stärkste Volkspartei, LTO schreibt:

„So ein Umdenken überzeugter AfD-Wähler zu erreichen, ist allerdings illusorisch. Die jüngere Entwicklung deutet darauf hin, dass sie von vielen gerade wegen ihrer faschistischen Züge gewählt wird.“

Warum sollte man hier eigentlich nicht von einer faschistischen Vorgehensweise gegen Oppositionelle ausgehen? Der in der Hinsicht untadelige italienische Schriftsteller Umberto Eco hatte 1995 in seinem Essay „Urfaschismus“ vierzehn allgemeine Eigenschaften der faschistischen Ideologie aufgezählt. Dieses Essay ist eine allgemein anerkannte und vielzitierte Faschismusdefinition.

Und dort heißt es etwa unter Punkt 4, der Faschismus werte intellektuellen Diskurs und kritische Argumentation als Handlungshindernisse ab, sowie aus Angst, dass eine solche Analyse die Widersprüche aufdecke, die in einem synkretistischen Glauben verkörpert sind.

Wo ließe sich das gegenwärtig auffälliger identifizieren, als am Gesamtauftreten der etablierten Politik, der regierungsnahen Medien und den von der Regierung bezahlten NGOs?

Wer wie Ann-Katrin Müller den Diskurs verengen will, indem sie erklärt, die AfD sei „keine normale Partei“, der muss damit rechnen, dass im selben Kontext Umberto Eco zitiert wird.

Auch von Müller wird oft jede redliche und intellektuelle Debatte abgewürgt. Eco nennt so etwas unter Punkt 3 den „Kult der Handlung um der Handlung willen“, der vorschreibe, dass Handeln an sich einen Wert hat und ohne intellektuelle Reflexion durchgeführt werden sollte.

Unter Punkt 7 führt Eco zudem eine „Besessenheit von einer Verschwörung“ und die „Aufwertung einer feindlichen Bedrohung“ aus. Auch das ließe sich spielend umkehren.

Unter Punkt 8 meint Eco, Faschisten spielen die Macht bestimmter benachteiligter Eliten hoch, um bei ihren Anhängern ein Gefühl von Groll und Demütigung zu wecken. Wo passt das besser, als bei der Behauptung von Müller, die AfD sei in Teilen faschistisch? Oder wenn etwa Bundesfamilienministerin Karin Prien erklärt, sie wolle Deutschland verlassen, wenn die AfD den Kanzler stelle. Dass das angesichts einer breiten Front der etablierten Parteien gegen die AfD noch in weiter Ferne liegt, wird hier absichtsvoll unterschlagen.

Auch im Detail der politischen Auseinandersetzung ist es anwendbar, wenn etwa die Kritik an der Kriegstreiberei der Etablierten pauschal als Lautäußerung von „Putintrollen“ usw. diffamiert wird.

Und dann wäre da noch Punkt 14 „Neusprech“ von Umberto Eco, der sich quasi selbst einordnet: Faschismus fördere und verwende ein verarmtes Vokabular, um kritisches Denken einzuschränken.

So betrachtet beschreibt der „Welt“-Herausgeber Ulf Poschardt in seinem Bestseller „Shitbürger“ eben diese „Shitbürger“ entlang der Definition von keinem Geringeren als Umberto Eco als lupenreine Faschisten.

Die Argumentation gegen Stephan Brandner, sein Faschismus-Vorwurf gegen Frau Müller sei geeignet oder eingesetzt worden, den Faschismus-Vorwurf gegen die AfD zu entkräften, greift ebenfalls nicht, denn damit stärkte man automatisch den Faschismus-Vorwurf von Frau Müller gegen Teile der AfD, ohne dieses explizit begründen zu müssen.

Oder nochmal anders: Nur weil sich jemand als Antifaschist bezeichnet, ist er deshalb nicht automatisch davon befreit, als Faschist gelesen zu werden, wenn er Anlass dafür gibt. Und wo wäre das naheliegender, als bei einer gewaltbereiten Antifa, die mit Hämmern Menschen schwer verletzt hat und zudem billigend in Kauf nimmt, dass diese ihren Verletzungen erliegen?

In den Kontext aber auch wichtig zu wissen: Ann-Katrin Müller geht durchaus klug damit um, wen sie als Faschist bezeichnet. Der Kontext, in den sie sich selbst stellt, ist da eindeutiger: Beispielsweise ihr Auftritt auf einer Veranstaltung mit dem Titel: „MONITOR-Forum „Nie wieder Faschismus!““, wo fast ausschließlich die Rolle der AfD verhandelt wurde.

Nein, eine schnelle Recherche ergab kein Zitat von Frau Müller, dass außer Höcke einen AfD-Spitzenpolitiker selbst als „Faschist“ bezeichnet. Und zweifellos ist es schwieriger, einer Journalistin argumentativ zu unterstellen, sie agiere faschistisch, als einem Politiker. Dafür muss man nämlich zunächst die Rolle der Medien im Faschismus analysieren. Macht man das allerdings am Beispiel der Arbeiten von Ann-Katrin Müller, dann kann man entlang der Definition von Faschismus von Umberto Eco und anderen durchaus zum Schluss kommen, dass Ann-Katrin Müller eine Faschistin sein könnte.

Und damit man sich trauen darf, das noch laut zu sagen, ohne gleich verklagt zu werden, hat die EU die SLAPP-Gesetze ermöglicht – Ironie der Geschichte: Diese Gesetze wurden zur Verteidigung von Journalisten ins Leben gerufen. Aber wer schützt Politiker vor übergriffigen und falsch behauptenden Journalisten?

Nachtrag:

Ann-Katrin Müller ist beim Spiegel übrigens in bester Gesellschaft. Dort fährt man schon die nächste Kampagne mit dem Ziel die AfD als "faschistisch" zu markieren. Der aktuelle Titel dazu lautet: "Soziologen über AfD-Wähler – Die Faschisten von heute wollen Wahlen gewinnen. Gleichzeitig genießen sie Grausamkeit und Gewalt".

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