"Kleine und mittlere Unternehmen erleben die volle Willkür eines bürokratiebesoffenen Staates"

Jörg Kachelmann und ein sadistischer Behördenterrorismus in Deutschland

von Alexander Wallasch (Kommentare: 14)

Von der Sonnenseite des Lebens in den Knast und wieder zurück© Quelle: Youtube / Kachelmannwetter, Screenshot

Niemand kann Jörg Kachelmann absprechen, meinungsstark zu sein. Über Deutschland schrieb der Schweizer jetzt: "Der deutsche Staat müsste lernen, kein Arschloch mehr zu sein zu denen, die er braucht."

Das Justiz- und Medienopfer Jörg Kachelmann war mal ein beliebter Wetterfrosch. Dann musste er sich neu erfinden. Ist das gelungen? Heute jedenfalls ist er bei vielen Menschen bekannt für seine hyperaggressiven Auftritte bei X (Twitter). Überall sieht Kachelmann Nazis und wettert gegen böse blaue Wolken, die sich angeblich vor die Demokratie geschoben haben: „Rechts, dumm und böse!“ Daran erfreuen sich zweihunderttausend Follower.

Nein, Kachelmann ist wohl kein besonders großer Fan der Demokratie, das System hat es auch nicht immer gut mit ihm gemeint. Aber wenn er erstmal brachial-verbal explodiert, dann weiß er, was er tut: Wer, wenn nicht er, könnte sagen, wie es sich anfühlt, wenn man unter falschen Verdacht gestellt wird.

Aber für Jörg Kachelmann ist die Sonne noch nicht endgültig untergegangen: Gerade hat der Schreifrosch aus der Schweiz einen besonders lesenswerten Text in mehreren Tweets veröffentlicht. Es geht dabei im Kern um einen exzellenten Vergleich zwischen dem deutschen und dem schweizerischen Steuermodell.

Kachelmanns Lobeshymne auf die Schweiz im Originalton:

Jörg @kachelmann anderswo: @realkachelmann @Kachelmann

11.1.2024

"Ein laaaanger Thread zu den Demonstrationen von Menschen aus der Landwirtschaft und Handwerk ohne Berücksichtigung der Instrumentalisierung durch den Rechtsextremismus, aber unter Einbezug von Kartoffelbesonderheiten, die zur Malaise geführt haben.

Präambel: Ich habe seit den 90er Jahren unternehmerisch auch in Deutschland und der Schweiz zu tun.

Unternehmer zu sein in der Schweiz bedeutet ein grundsätzliches Vertrauen durch die Behörden gegenüber den UnternehmerInnen. Es gibt keine komischen Steuerprüfungen, bei denen automatisch irgendjemand kommt, von vornherein davon ausgeht, dass irgendwas zu finden ist und die Zeit von Menschen verbraucht, um dann triumphal einen falsch zugeordneten Bewirtungsbeleg zu finden.

Das Verhältnis zwischen Unternehmen und Behörden in der Schweiz beruht auf dem Prinzip: "Du verarscht uns nicht, wir gehen Dir nicht auf den Zeiger." Dazu kommt eine Steuer- und Abgabenlast, die in einem Verhältnis zur Infrastruktur ist, die Unternehmen geboten wird. Sei es, was den Zustand der Schulen für die Leute angeht, sei es das Angebot für Mobilfunk und Internet auch in entfernten Dörfern.

Niemand in der Schweiz sammelt Bewirtungsbelege für steuerliche Gründe, es lohnt sich nicht, kommt nicht darauf an und niemand würde es aushalten, diesen demütigenden Prozess über sich ergehen lassen, bei dem wir deutschen Menschen ratlos zugucken, wenn sie ein Geschäftessen hatten und dann allerlei lustige Dinge ausfüllen müssen, wer, warum und das Nervritual, wenn das geschulte Personal bei Krawatten- und Businesskostüm-Menschen bange fragen muss: "Brauchen Sie noch eine Rechnung?"

Wenn ich mit mittelständischen UnternehmerInnen in Deutschland spreche, höre ich Geschichten, die wir in der Schweiz als schieren sadistischen Behördenterrorismus empfinden würden. Wenn wir das durchmachen würden, wie Unternehmen - ob landwirtschaftlich oder nicht - in den Wahnsinn getrieben werden durch irgendwelchen bürokratischen Wahnsinn und die stete Prämisse, dass alle VerbrecherInnen sind, wenn sie nicht Beamte sind, würden wir Traktoren mieten, um nach Bern zu fahren. Sie haben das Misstrauen der Behörden, immer kleinteiligere Gängelung, andererseits stete Rachegelüste der Gegängelten, die Tag und Nacht überlegen, wie sie "den Staat" über den Tisch ziehen können und etwas Nektar saugen aus der Tatsache, dass man mal wieder eine private Sause zum geschäftlichen Anlass umfirmieren konnte.

In Deutschland ist das Verhältnis zwischen Behörden nicht "Ich bin ok, Du bist ok", sondern: "Wir wissen, dass Du ein Verbrecher bist, UnternehmerIn, wir konnten Dir es nur noch nicht nachweisen, deswegen treiben wir dich einfach so in den Wahnsinn, damit du dir dreimal überlegst, ob du wirklich ein Unternehmen haben willst oder lieber doch tolle Beamte sein wie wir."

Es war sehr sinnstiftend, dass die Schweiz im Jahr 2002 das Beamtenwesen an sich abgeschafft hat, um dieses Gefälle aus Staat und Gesellschaft zu nehmen. Wir sind eine kommunistische Solidargemeinschaft, alle zahlen in dieselbe Renten- und Arbeitslosenkasse ein, es gibt keinesfalls eine Deckelung nach oben, es ist immer derselbe Prozentsatz, auch wenn jemand eine Million im Monat verdient.

Man muss schon ein völlig bescheuertes Land sein, wenn man es so einrichtet, dass Riesenverdiener nicht proportional mit dem Einkommen steigend in die Rentenkasse einzahlen. So erzeugt man erfolgreich in einem Land das Gefühl von Neid und Missgunst und grundsätzlicher Frustration, weil ja ein beruflicher Aufstieg nicht sehr lohnenswert ist, wie ich lernen durfte.

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Wenn man Menschen in Deutschland mit einem mittleren Einkommen eine Gehaltserhöhung geben möchte, bekommt man ein trauriges Lächeln und eine Angabe über eine sehr kleine Euroanzahl, was denn von 500 oder 1000 mehr im Monat bleibt. Erst von 6000 aufwärts scheint es dann etwas mehr Spass zu machen.

In der Schweiz schlägt jede Gehaltserhöhung voll durch dank der geringen Steuer- und Abgabenlast. Das ist eine wichtige Voraussetzung für viele Menschen, dass sie nicht resignieren: Wenn man was tut, kommt was bei rum. Oder wie die DDR-Aktivistin Frida Hockauf es formulierte: "So wie wir heute arbeiten, werden wir morgen leben." Das funktioniert aber nur, wenn es einen direkten und sichtbaren Zusammenhang gibt, der aber in Deutschland als schmotzig gilt, einfach mehr Geld verdienen.

Das haben meine Genossinnen und Genossen noch nicht sehr verstanden, dass der Schlüssel zum Wohlstand nicht immer noch mehr Steuern sind in einem Land, das bei diesem Thema ohnehin schon völlig durchgeknallt ist, sondern Mindestlöhne, die diesen Namen verdienen und ein Ende der Ausbeutung in einem Land, das sich viel zu lange an Hungerlöhne, Zweitjobs und all die lustigen Dinge gewöhnt hat, dass der Staat kompensiert, damit Industrie und Gewerbe weiter ausbeuten können als kleine Kompensation dafür, dass man ihnen so sehr auf den Zeiger geht.

Wir treiben Euch in den Wahnsinn, dafür verdient Ihr bei Rossmann trotzdem lächerlich, aber wir loben und preisen den Unternehmer, wenn er Tarif bezahlt und noch ein erweckendes Buch schreibt. Diese Wohltaten mit der Lizenz zum Ausbeuten gibt es für Konzerne, aber nicht für KMU.

Die Handwerks- und Bauernmenschen sind in einem Wettbewerb mit anderen Branchen und brauchen jeden Euro, damit sie die Gehälter zahlen können, damit jemand bei Scheisskälte irgendwo draussen in der Gegend steht und mit klammen Fingern einen Schraubendreher appliziert und trotzdem bei grösster Sorgfalt sich den irgendwo in die Hand rammt. Irgendwo ist immer Blut in diesen Tagen. Die KMU können nicht ausbeuten, weil sie sonst den Laden dicht machen können. Ja, es gibt noch den Trick mit dem SpargelstecherInnen von irgendwoher, aber auch dort ist der Markt inwischen umkämpfter.

So erleben die kleinen und mittleren Unternehmen die volle Willkür eines bürokratiebesoffenen Staates, der sich völlig verselbständigt hat in den letzten Jahrzehnten mit seinen Formularen, Steuerprüfungen und dem ganzen Wahnsinn, mit dem diese Leute zu tun haben - und, IMHO grösste Problem: keine Wertschätzung. Das Loben und Preisen des Mittelstandes ist zynischer Stehsatz einer Sonntagsrede, es ist den meisten PolitikerInnen völlig wurscht, sonst wäre es anders.

Das seit Jahren und Jahrzehnten grösser werdende Gefühl des - Verzeihung - Geficktwerdens nach Strich und Faden und dafür noch nicht mal gemocht zu werden, führt zu dem, was wir heute sehen. Dass verbrecherische Parteien wie die AfD sich auf diese Malaise setzen, ist auch deshalb besonders traurig, weil zur Lösung des Problems alles nicht noch doitscher werden dürfte, im Gegenteil. Das ganze System müsste entkartoffelt werden und ein neues Vertrauen geschaffen werden zwischen denen, die die  Kohle erwirtschaften und denen, die die Kohle wieder ausgeben. Dafür müssten aber Letztere Erstere besser behandeln.

Ich bin übrigens zutiefst überzeugt, dass man das alles schnell ändern könnte, wenn man die richtigen PolitikerInnen an der Spitze einer parteiübergreifenden Koalition hätte, ich bin Menschen wie @reinerhaseloff, @bodoramelow, @MAStrackZi begegnet, von denen ich das Gefühl habe, dass die das hinbekommen würden, einen ökologischen und ordnungspolitischen Umbau der Gesellschaft hinzubekommen und es hinzubekommen, dass man denen, die den Laden schmeissen im Land, nicht so sehr auf den Zeiger gehen muss.

Und komische Dinge zurückdreht wie die völlig bescheuerte Prämisse, dass möglichst viele Menschen Abitur machen müssen, was auch ein subkutaner Schlag ins Gesicht der Menschen war und ist, die mit der Hand arbeiten. In der Schweiz ist die Maturaquote seit jeher 20% und Schweizer Handwerks- und Bauernmenschen mögen sich vielleicht mit ihren deutschen KollegInnen solidarisieren wollen, demonstrieren werden sie aber kaum. Wir wissen, was wir an ihnen haben, sie werden anständig bezahlt, vor allem, sie werden wertgeschätzt und durch die Wehrpflicht lernt zumindest der männliche Teil der Bevölkerung: Die 80% Nichtakademiker sind genauso klug wie die 20% Akademiker, es gibt keine Hierarchie, es gibt keine Beamte und keine Befehlsempfänger.

Fragen Sie mal HandwerkerInnen und Menschen aus der Landwirtschaft in der Schweiz, wie es ihnen geht. Sie werden immer wieder den entscheidenden Satz hören: "Houptsach, die löht mi i Rue schaffe."

Deutschland tut konsequent immer das Gegenteil von dem, was sinnvoll wäre. Das Ergebnis ist bekannt.

Dieses Gefühl der Malaise wird nicht weggehen mit ein bisschen mehr oder weniger Dieselsubventionen.

Der deutsche Staat müsste lernen, kein Arschloch mehr zu sein zu denen, die er braucht, ja noch mehr, diese Leute zu schätzen und dies auch zu zeigen.

Es wird ein langer, schwerer Weg, falls ihn überhaupt jemand gehen will."

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