CDU-Politiker fordert Bundeswehr-Einsatz und weckt Geister der Vergangenheit

Kiesewetters Vision: Deutsche Soldaten auf ukrainischem Schlachtfeld

von Alexander Wallasch

Nie wieder!?© Quelle: volksbund.de/ cducsu.de, Screenshots, Montage: Wallasch

Roderich Kiesewetter will deutsche Truppen in die Ukraine schicken – ein Plan, der die Wunden des Zweiten Weltkriegs wieder aufreißt. Wie realistisch ist seine Forderung, und was bedeutet sie für den Frieden?

Er war einer der ersten, die nach Taurus für die Ukraine riefen, die laut über den Einsatz westlicher Soldaten in der Ukraine nachdachten, den Krieg tief nach Russland hineintragen wollten und am liebsten alle wehrfähigen Ukrainer, die in Deutschland Schutz gesucht haben, an die Front ausliefern wollten. Die Rede ist vom CDU-Bundestagsabgeordneten Roderich Kiesewetter.

2024 erklärte der Politiker in einem Interview, Deutschland müsse im Ukraine-Krieg „All-in“ gehen:

„Wie Deutschland es auch macht, die Unterstützung der Ukraine, sodass sie den Krieg gewinnen kann, lässt sich nicht aus der Portokasse finanzieren – und auch nicht mit einer deutschen Homeoffice-Mentalität.“

Kiesewetter gilt neben Agnes Strack-Zimmermann (FDP) und Anton Hofreiter (Grüne) parteiübergreifend als einer der drei lautesten deutschen Verfechter eines noch stärkeren Engagement Europas und Deutschlands im Ukrainekrieg. Eines Krieg, der von 2014 bis 2022 bereits etwa 10.000 Opfer gefordert hatte und mit dem Einmarsch der Russen 2022 eskalierte.

Sie sind laut, aber welche Relevanz haben diese oft als „Kriegstreiber“ beschimpften Personen wirklich für die deutsche Politik? Der aus einer Soldaten- und Offiziersfamilie stammende Oberst a.D. Kiesewetter blickt auf eine militärische Laufbahn zurück. Er war schon auf dem Balkan und in Afghanistan stationiert. Nachdem sein Dienstverhältnis zunächst wegen seiner Tätigkeit als Bundestagsabgeordneter ruhte, wurde er Mitte 2015 aus dem aktiven Dienst verabschiedet.

In der Regierung Merz spielt Kiesewetter keine Rolle. „Das ist der Preis, den ich für meine Haltung bezahle“, glaubt Kiesewetter, als er von seiner Fraktion nicht mehr ins Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) bestellt wurde, dessen Vorsitzender er einmal war. „Aus dem Umfeld von CDU-Chef Friedrich Merz sei klar signalisiert worden“, schreibt die Süddeutsche Zeitung, „dass man Kiesewetter nicht im PKGr haben wolle.“

Davon unberührt meldete sich Kiesewetter aktuell und mit Blick auf die Friedensbemühungen aus Washington erneut zu Wort mit der Forderung, auch die Bundeswehr als Absicherung eines kommenden Friedens in der Ukraine zu stationieren.

Von einer NATO-Mitgliedschaft der Ukraine kann zwar aktuell nicht die Rede sein, aber diskutiert wird – auch von US-Präsident Trump – eine Art Beistandspakt, der inhaltlich jenem ähneln soll, den die NATO-Mitgliedstaaten untereinander vereinbart haben. Kiesewetter hakt hier ein und befindet:

„Zu dem Beistandspakt gehört ja auch eine Absicherung eines möglichen Waffenstillstands – und die Absicherung geht nur mit Bodentruppen.“

Zuvor hatte der CDU-Außenpolitiker Johann Wadephul Bedenken hinsichtlich einer Beteiligung deutscher Truppen an der Absicherung eines Waffenstillstands in der Ukraine geäußert. Anlass dafür waren Äußerungen von Donald Trump, der die Möglichkeit einer Stationierung europäischer Soldaten zur Friedenssicherung in der Ukraine angesprochen hatte.

Als eine der ersten protestierte Sahra Wagenknecht (BSW): „Im Konfliktfall wäre Deutschland damit sofort Kriegspartei, das darf ein Kanzler nicht zulassen.“ Es sei auch nicht davon auszugehen, dass Russland NATO-Truppen in der Ukraine akzeptieren würde. Birgt der Einsatz von Soldaten von NATO-Mitgliedstaaten in der Ukraine ein unkontrollierbares Eskalationspotenzial?

Aus deutscher Sicht ist der Zweite Weltkrieg der große Schatten über dieser Debatte. Denn der Krieg in der Ostukraine findet auch über solchen Schlachtfeldern statt, über die der deutsche Vernichtungskrieg im Osten hinwegfegte und Millionen auch ukrainischer Opfer hinterließ.

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Der Hinweis, dass diese Ereignisse bald ein Jahrhundert zurückliegen, greift hier kaum, denn die Beteiligten des aktuellen Krieges nehmen auf beiden Seiten immer wieder Bezug darauf. So hatte Putin in der Pressekonferenz mit Trump über lange Passagen hinweg an die alliierte Zusammenarbeit gegen die Deutschen erinnert:

„Wir werden uns auch an andere historische Beispiele erinnern, als unsere Länder als Alliierten die gemeinsamen Feinde besiegt haben. Als wir uns geholfen und unterstützt haben. Dieses Erbe wird uns helfen, wieder eine gute, gleichberechtigte Kooperation auf der neuen Etappe aufzubauen.“

Wer sich einmal mit der deutschen Kriegsgräbervorsorge beschäftigt, stellt fest, dass immer noch Jahr für Jahr die Überreste deutscher Soldaten von den vielen Kriegsschauplätzen sowohl in Russland als auch in der Ukraine geborgen werden.

Rund 400.000 deutsche Soldaten sollen im Zweiten Weltkrieg allein in der Ukraine gefallen sein. Insgesamt starben in diesem Krieg über 5 Millionen deutsche Soldaten. Allein an der Ostfront sollen es 3,8 Millionen deutsche Soldaten gewesen sein, knapp eine Million in den letzten Monaten des Krieges. Fast 1,2 Millionen Deutsche gelten insgesamt als vermisst aus dem Krieg, viele davon an der Ostfront in der Ukraine. (Es gibt unterschiedliche Zahlenangeben, Historiker mögen hier Ungenauigkeiten verzeihen).

Bis heute gibt es dazu immer wieder erschütternde oder rührende Berichte, wie ein 83-Jähriger 2020 erzählte:

„Das Größte war für mich, dass man mir dort die Erkennungsmarke meines Vaters aushändigen konnte. Diese Marke hat er getragen von Kriegsbeginn bis zuletzt, sie ist ein Stück von ihm. Für mich ist mein Vater zurückgekommen.“

Auch in den heute umkämpften Gebieten im Donbass liegen die Deutschen. Die einen bereits in den Gräbern der Deutschen Kriegsgräberfürsorge, andere weiter unentdeckt unter der Erde. Aufgrund des laufenden Krieges musste die Pflege von fünf deutschen Kriegsgräberanlagen im Donbass aus Sicherheitsgründen eingestellt werden.

Noch in den letzten Jahren wurden Tausende Überreste deutscher Soldaten geborgen, etwa 6.700 in Russland und der Ukraine zusammen im Jahr 2022.

Funde treten immer wieder auf, etwa durch Bauarbeiten, Erosion oder Ereignisse wie die Explosion des Kachowka-Staudamms 2023, bei der Leichen aus dem Zweiten Weltkrieg freigelegt wurden. Zu Beginn des Ukraine-Krieges wurden beim Ausheben von Schützengräben Gebeine und deutsche Erkennungsmarken gefunden.

Und die nächste Schicht toter russischer und ukrainischer Soldaten wird bereits seit über dreieinhalb Jahren darübergelegt, auch ihre Bergung wird mutmaßlich Jahrzehnte dauern. Dieser Krieg muss enden. Und es muss ein Ende haben, dass sich Sprösslinge aus deutschen Soldatenfamilien noch 2025 eine Anwesenheit von Deutschen in der Ukraine wünschen, die über das Anlegen und die Pflege von Gedenkstätten hinausgeht.

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