„Besonders junge Frauen sind ganz schwer zu schnappen“

Kontrafunk voll auf die Augen: „Winters Woche“ mit Achim Winter

von Alexander Wallasch (Kommentare: 4)

„Die Leute hören sich gern an, was ich zu fragen habe.“© Quelle: Kontrafunk und Fernsehen – Winters Woche, Screenshot

Was zunächst komisch klingen mag, kann aber passender kaum sein: Journalist und Moderator Achim Winter, bekannt aus dem ZDF-Magazin „hallo deutschland“, macht jetzt Fernsehen bei Kontrafunk. Wir fragen warum.

Winters Woche jetzt bei Kontrafunk, das bewegte Bild kommt ins Radio. Wie geht das zusammen?

Das ist genau das, was mich gereizt hat. Kontrafunk ist einer meiner Lieblingssender. Ich bin begeistert von dem, was Burkhard Müller-Ulrich da aufgebaut hat, seine Stimme ist für mich therapeutisch. Wenn ich ihn Sonntagmorgens höre, geht es mir besser. Also haben wir uns unterhalten und ich habe mal gesponnen: Ihr müsst auch was zum Gucken haben! Ihr könnt doch als Radiosender nicht auf bewegte Bilder verzichten (lacht). Das ist zwar schön und gut und auch nostalgisch, aber heutzutage muss man doch die Leute sehen, die da agieren.

So in etwa habe ich für mich Werbung gemacht und gefragt: Warum fange ich nicht gleich morgen bei Euch an? Und Burkhard Müller-Ulrich hat zurückgefragt: Ja, warum eigentlich nicht? Der Rest hat mit einer angemessenen Monetarisierung und Wertschätzung der Arbeit des anderen zu tun. Eine reine Formsache, dafür haben wir keine Minute verschwendet und mit Handschlag die Geburt von „Kontrafunk und Fernsehen“ eingeleitet.

Ich habe als Kind nicht verstanden, warum die ganzen Fernsehsender „Rundfunk“ heißen, Süddeutscher Rundfunk, Westdeutscher Rundfunk usw. Das war für mich immer nur Fernsehen. Kontrafunk ist jetzt Fernsehen. Und den KickOff macht mit „Winters Woche“ ein guter Bekannter aus dem ZDF. Mögen Sie sich kurz jenen Lesern vorstellen, die Sie jetzt erst bei Kontrafunk kennenlernen?

Ich komme aus dem ZDF. Dort habe ich jahrelang Reportagen gemacht. Ich war immer der lustige Mensch in „hallo deutschland“. Mein Filetstück war genau dieses Format „Winters Woche“, wo ich jeden Freitag meine Sicht der Dinge mit den Passanten abgeglichen habe. Das lief fast 15 Jahre und war immer der Abschluss der Sendewoche „hallo deutschland!“. Rückblickend wurde das zunehmend eng ab dem Moment, als Kanzler Schröder und sein grüner Vize Fischer das Heft übernommen hatten im ZDF. Meine Sicht der Dinge war dann weniger populär geworden. Irgendwann war abzusehen, dass das nicht mehr lange möglich sein würde. Ich habe dann unverfängliche Dinge gemacht.

Ich habe Abenteuer-Reportagen gemacht. Darin musste ich mich von Klippen stürzen und Kühe melken, also politisch unverfängliche Dinge. Aber ich habe natürlich meinem polemisch-politischen Wochenrückblick nachgetrauert. Genau den habe ich jetzt wieder aufgenommen und dafür bei Kontrafunk eine neue Heimat voller Wertschätzung für dieses Format entdeckt. Ich mache bei Kontrafunk jetzt das, was ich früher so gerne beim ZDF gemacht habe. Für mich ein Glücksfall. Der Mainstream wandert eben ein bisschen nach rechts, genauso wie die Mainstream-Medien immer mehr nach links wandern, gute Reise!

Wären Sie beleidigt, wenn man Ihre ZDF-Arbeit eine Sendung mit der Maus für Erwachsene nennt?

Nein, auf gar keinen Fall. Das ist schon ziemlich genau das, was ich da gemacht habe: Der nette Onkel, der sich selber irgendwo in Gefahr bringt, nicht so stark wie Stefan Raab. Oder doch, ich musste da mitunter ziemlich heftige Sachen machen in diesem Kinderfernsehen für Erwachsene.

Bei Winters Woche stehen Sie in Frankfurt mit dem Mikrofon auf einem großen Marktplatz. Die Passanten ziehen vorbei und Sie fragen die Leute, was deren Thema der Woche war. Dieser Moment des Ansprechens, wie geht man auf die Leute zu?

Ich habe das doch jahrelang gemacht, da fühle ich mich zu Hause. Ich weiß zum Beispiel auch, was wichtig ist für so ein Format, wie man Leute bei der Stange hält. Ich weiß, wie nett man sein muss, dass die Leute gern auch ein längeres Gespräch führen. Was ich später final einschneide, ist meistens die Frucht eines längeren Gesprächs.

Aber etwas ist womöglich anders als beim ZDF: Sie lernen gerade ein Gefühl kennen, das Vertreter der Neuen Medien schon länger spüren. Wenn ich Interviews anfrage, bekommen ich zu 90 Prozent Absagen. Zusagen gibt es von Vertretern der AfD und von AfD nahen Menschen. Jetzt laufen sie in Frankfurt über den Platz und stellen sich als „Kontrafunk“ vor. Dieser Sender wird immer populärer, aber eben auch nicht bei jedem. Eine bestimmte linke Klientel ist deutlich reservierter. Wie fühlt sich so eine neue Erfahrung an, wenn es plötzlich heißt: „Pfui, rechter Sender!“?

Das erlebe ich etwas abgedämpft. Viele Leute kennen mich noch von den Öffentlich-Rechtlichen, und haben da ein positives Bild von mir (lacht). Aber ich bin natürlich auch so furchtbar nett, dass ich auch mit dem Mikrofon von Kontrafunk auf Leute treffe, die sich zunächst anhören wollen, was ich zu fragen habe. Aber wenn dann die Fragestellung verrät, dass man nicht links ist, dann gehen schnell mal die Rollläden runter. Und da finde ich mich dann in einer Rolle wieder, die neu für mich ist. Wenn ich beispielsweise frage, was halten sie davon, dass Hans-Georg Maaßen bespitzelt wird mit geheimdienstlichen Methoden als Normalbürger, dann merken die sofort, dass ich nicht links sein kann und dann ist Feierabend.

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In einer Folge von Winters Woche antwortete jemand ganz offen auf diese Frage, der Filmschnipsel ging auf der Plattform X viral , dass er so eine Bespitzelung vollkommen in Ordnung fände ...

Das ist doch toll. Dann weiß ich, dass ich erfolgreich war. Ich locke natürlich in eine bestimmte Richtung. Ich provoziere auch mal gern hinter dem Lächeln und unter der warmen Pudelmütze. Ich finde es ja gerade gut, dass in den Straßenumfragen alle ein breites Meinungsspektrum haben. Allerding ist es teilweise schon so wie bei Wikipedia, wo man meint, sich unter Linken verirrt zu haben. Die meisten Leute, die da rumlaufen, so etwas kommt in den Straßenumfragen auch heraus, sind mit der Regierungsarbeit sehr zufrieden.

Es ist schwerlich abzustreiten, dass im Moment sehr viele Menschen für die Regierung auf die Straße gehen. Das scheint ja auch die Erfahrung, die Sie auf der Straße machen ...

Ja, es sind sehr viele Leute. Besonders die, die Geld haben und da shoppen gehen, wo ich sie befrage, das sind grundzufriedene Menschen, also Leute, denen es gut geht ...

Sind das solche Passanten, die das aktuelle Deutschland für das beste Deutschland aller Zeiten halten?

Ja. Das ist eine ziemlich starke Gemeinde. Der über allem stehende für mich verblödete Satz ist: Schau dich doch mal um, uns geht's doch gut!

Und das sagen dieselben Leute, die zum Aldi reingehen und mit gerade noch zwei Tüten für 100 Euro rauskommen, 200 Mark, mit denen sie früher zwei Einkaufswagen pickepacke voll machen konnten?

Nein, die gehen nicht zu Aldi, die gehen zu Rewe in die Bio-Abteilung, und dann kostet der Warenkorb schnell mal 270 Euro.

Das sind dann meistens Doppelverdiener mit einem halben Kind ...

Genau: Doppelverdiener mit sehr guten Jobs, die zusätzlich noch ein Mehrfamilienhaus in der Großstadt geerbt haben.

Aber wenn es allen so gut geht, dann ist doch alles in Ordnung ...

Ja, natürlich (lacht).

In der letzten Folge Winters Woche waren überwiegend ältere Leute vor dem Mikrofon zu sehen. Warum?

Die Jüngeren haben Angst vor dem Mikrofon, sie genieren sich, ich bin zudem ein komischer älterer Typ. Besonders junge Frauen sind ganz schwer zu schnappen. Wenn die Mikrofone sehen oder Kameras, dann sind die wie Rehe im Dickicht verschwunden. Es sind die älteren weißen Männer, die sagen: Na klar könnt Ihr mich fragen, ich sage Euch mal meine Meinung. Junge Leute haben mehr Angst.

In der jüngsten Folge von Winters Woche habe ich aber junge Frauen gesehen, mutmaßlich mit Migrationshintergrund, die sehr gern und ohne Scheu in die die Kamera erzählt haben ...

Ich freue mich über jede Frau, besonders solche mit Migrationshintergrund, die bereit ist, mir Auskunft zu geben. Die jungen Frauen mit Migrationshintergrund sind vielleicht zwei von 49, die ich befrage, aber die nehme ich auf jeden Fall rein in die Sendung, deshalb ist es so ein bisschen verzerrt.

Sie sagen, Frauen mit Migrationshintergrund. Woran machen Sie das fest? Am Äußeren?

Ach Herr Wallasch, bitte! Sie haben doch damit angefangen. Und jetzt kommen Sie mir doch nicht mit dieser PC-Sch... ums Eck (lacht lauter).

Warum beleidigen Sie in Winters Woche als eine Art running gag permanent die Deutschen, indem sie englisch-sprachigen Passanten erklären, sie hätten diese daran erkannt, dass sie besser aussehen als Deutsche?

Weil es Spaß macht (lacht). Nein, es ist tatsächlich bei mir so, dass ich den Eindruck gewonnen habe, wenn ich im Ausland war, dass sich Leute mehr Mühe geben mit ihrer äußeren Erscheinung in anderen Ländern. In Deutschland ist beispielweise die Funktionskleidung häufiger auf der Straße. Ungeschminkt mit Kurzhaarfrisur und all diese Dinge. Die Attraktivitätsdichte ist gefühlt geringer bei uns. Auch bei uns ist es so, dass Leute mit Migrationshintergrund oder Touristen einfach besser aussehen ...

Aber ich habe eine gute Erklärung dafür: Kann es daran liegen, dass die Deutschen arbeiten gehen? Wir sind nicht Gast im eigenen Land, wir müssen das Land am Laufen halten. Und wie geht das? Mit ungeschminkter Arbeit. Und exakt wegen dieser Arbeit haben wir auch die Kohle, die andere gerne wollen und nehmen. Das macht unsere Attraktivität aus, die Leute wie ein Magnet noch aus tausenden von Kilometern entfernten Ländern herweht, was braucht es da Lidschatten und Markenkleidung?

Wenn man mit Leuten scherzt oder sie auf seine Seite ziehen will, dann stellt man sich selber ein bisschen unter den Scheffel. Der Hintergrund dieser Geschichte ist ein Kompliment! Ich versuche denen, die nur englisch sprechen, Brei ums Maul zu schmieren, und dann sage ich: Ja, ich hätte es wissen müssen, Sie sehen viel zu gut aus, um Deutsche zu sein. Ich hätte sie eher als Ausländer erkennen müssen ...

Was erwartet die zuhörenden Zuschauer von Winters Woche bei „Kontrafunk und Fernsehen“ in den nächsten Folgen?

Das Format lebt doch davon, dass ich das heute noch nicht weiß. Ich nehme die Folgen jedes Mal frisch auf, hier kommt nichts aus der Konserve. Es könnte aber sein, dass es auf der Straße so eine Entwicklung gibt, dass die Leute lernen, dass ich von „Kontrafunk und Fernsehen“ bin, und dann werden die Begegnungen draußen interessanter, also wahrscheinlich auch aggressiver. Das wird ein interessanter Effekt werden. Was einen Ortswechsel angeht, das ist vorstellbar, aber die Stadt muss eine gewisse Größe haben. Wenn es in der Kleinstadt ist, dann stehe ich auf einmal alleine da vor einem Bäcker, und es kommen drei Omas vorbei mit frischen Brötchen ...

Aber das klingt doch klasse, so nach „Der Rasenmähermann“ von David Lynch. Etwas anderes noch: Sie haben weiterhin auch eine klassische Sendung bei Kontrafunk. Wann wird diese ausgestrahlt und was gibt's da auf die Ohren?

Da bin ich der Telefononkel, ich mache jeden zweiten Dienstag ab Punkt 20 Uhr den Kummerkasten von Deutschland.

Danke für das Gespräch!

Und hier die aktuelle Folge von "Winters Woche" bei "Kontrafunk und Fernsehen"

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