„Ich kenne den Inhalt dieses Berichtes nicht“

Merz überrascht vom AfD-Gutachten – Aber es gibt Indizien für seine Mitwisserschaft

von Alexander Wallasch (Kommentare: 7)

Unschuldslamm Merz und das AfD-Gutachten© Quelle: Bundestag.de, Screenshot

Hat Friedrich Merz den Deutschen schon nach wenigen Tagen im Amt eine faustdicke Lüge aufgetischt? In einem Gespräch mit der „Zeit“ jedenfalls spielt er den Überraschten über das Verfassungsschutzgutachten, welches die AfD als „gesichert rechtsextrem“ einstuft. Aber ein Sprecher des Innenministeriums hat andere Erinnerungen.

Im Interview gibt sich der neue Bundeskanzler geradezu geknickt über eine der letzten Amtshandlungen der Vorgängerregierung Scholz bzw. deren Innenministerin Nancy Faeser und dem Bundesverfassungsschutz:

ZEIT: Die AfD wurde vom Verfassungsschutz zuletzt als gesichert rechtsextrem eingestuft. Überzeugen Sie die Belege, die der Verfassungsschutz aufgeführt hat?

Merz: Ich bin nicht glücklich mit dem Ablauf dieses Verfahrens. Da wird von der alten Regierung ohne sachliche Prüfung ein Bericht vorgestellt, der gleichzeitig als Verschlusssache eingestuft ist. Die AfD klagt dagegen. Ich kenne den Inhalt dieses Berichtes nicht, ich will ihn ehrlich gesagt auch nicht kennenlernen, bevor nicht das Bundesinnenministerium daraus eine Bewertung abgeleitet hat.

ZEIT: Wann rechnen Sie damit?

Merz: Das wird einige Wochen und Monate dauern.

ZEIT: Und vorher werden Sie auch nichts zu einem möglichen Verbotsverfahren sagen?

Merz: Ich bin bei Verbotsverfahren gegenüber politischen Parteien immer schon sehr skeptisch. "Aggressiv kämpferisch" gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu arbeiten, das muss nachgewiesen werden. Und die Nachweispflicht liegt ausschließlich beim Staat. Das ist eine klassische Aufgabe der Exekutive. Und ich habe mich innerlich immer dagegen gewehrt, aus der Mitte des Bundestages heraus Verbotsverfahren zu betreiben. Das riecht mir zu sehr nach politischer Konkurrentenbeseitigung.

Kanzler Merz behauptet hier also, den Bericht nicht einmal zu kennen. Zudem inszeniert er sich als Kritiker des Berichtes und der ursprünglichen Geheimhaltung „Verschlusssache“. Und indem er erklärt, das Bundesinnenministerium müsse erst zu einer Bewertung kommen, befeuert er noch die von Nancy Faeser behauptete Unabhängigkeit des Verfassungsschutzes, der dem Bundesinnenministerium allerdings wie ein Hund dem Herrn folgen muss. Unabhängig davon, ob er mal vor Publikum an die lange Laufleine durfte.

Jetzt muss man nur noch dieses Interview mit einer Befragung des Kollegen Florian Warweg auf der Bundespressekonferenz zusammenbringen, schon kann man 1 und 1 zusammenzählen und einschätzen, wie ehrlich Merz tatsächlich in der Sache gewesen ist.

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Antworten bekommt Warweg (veröffentlicht am 6. Mai) von Lars Harmsen, einem Sprecher des Bundesinnenministeriums.

Florian Warweg: Noch eine grundsätzliche Verständnisfrage: Jetzt gilt es ja eher als unüblich, dass man buchstäblich in den letzten Amtstagen noch entsprechende Schritte mit solchen Auswirkungen beschließt oder verkündet. Vor diesem Hintergrund würde mich noch interessieren: War dieser Schritt denn abgesprochen mit Herrn Merz und seinem Nachfolger Dobrindt?

BMI-Sprecher Lars Harmsen: Die Bundesinnenministerin hat sich am Freitag ja dazu geäußert, sowohl in einem Statement als auch dann abends im ARD-Brennpunkt. Wir haben immer gesagt, dieses Gutachten wird veröffentlicht – nicht das Gutachten selber, aber das Ergebnis der Prüfung wird veröffentlicht – in dem Moment, wo es bei uns im BMI vorliegt (…) Letzte Woche Montag ist dieses Gutachten bei uns eingegangen und wir haben es dann am Freitag in seinem Ergebnis kundgetan. Frau Ministerin Faeser hat am Freitagmorgen sowohl den wahrscheinlich künftigen Bundeskanzler, Herrn Merz, als auch ihren wahrscheinlichen Amtsnachfolger, Herrn Dobrindt, darüber informiert und sich darüber auch ausgetauscht.

Der spätere Kanzler Friedrich Merz und Bundesinnenminister Alexander Dobrindt waren also informiert und man hat sich ausgetauscht. Informiert über die Veröffentlichung, ausgetauscht über die Inhalte? Und Merz hat dann gesagt: Das finden wir nicht gut, lasst das bitte, und Nancy Faeser (SPD) hat es dann trotzdem gemacht? Vorstellbar, aber wenig wahrscheinlich. Viel wahrscheinlicher ist doch, dass Merz heilfroh darüber war, dass Faeser diesen Brandsatz Richtung AfD sogar im Wissen geschmissen hat, dass die neue Regierung ihre Hände in Unschuld waschen und diese gärigen über 1000 Seiten ein ordentliches Feuer gegen die AfD entfachen können.

„Ich habe mich innerlich immer dagegen gewehrt“, sagt Friedrich Merz zu einem Verbotsverfahren. Überhaupt nicht gewehrt hat sich der zehnte Kanzler der Bundesrepublik gegen die Bekanntgabe des Verfassungsschutzes, die AfD sei per Gutachten als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft worden. Hat Merz gelogen?

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