Schüler verletzt Lehrerin, Polizei setzt Schusswaffen ein – Betroffener spricht über Angst und Frustration

Messerangriff und Geiselnahme in Essener Schule: Großvater eines Schülers berichtet entsetzt

von Alexander Wallasch (Kommentare: 6)

Polizei wurde heute gegen 9:30 Uhr alarmiert© Quelle: Youtube/ WDR, Screenshot

Ein Gewaltvorfall am Berufskolleg Blücherstraße in Essen sorgt für Entsetzen: Ein Schüler attackiert eine Lehrerin mit einem Messer, die Polizei greift mit Schusswaffen ein. Ein Großvater, dessen Enkel eine Nachbarschule besucht, teilt seine Ängste und Sorgen.

Heute morgen gegen 9:30 Uhr erschütterte ein schwerer Gewaltvorfall das Berufskolleg Blücherstraße in Essen-Altenessen. Ein Schüler soll eine Lehrerin mit einem Messer angegriffen und schwer verletzt haben, was einen Großeinsatz der Polizei mit Spezialeinheiten und Hubschraubern auslöste.

Der Tatverdächtige wurde bei seiner Flucht im Südviertel festgenommen, wobei Schusswaffen eingesetzt wurden, um ihn zu stoppen. Die Lehrerin wurde in eine Klinik gebracht, schwebt aber laut Berichten nicht in Lebensgefahr.

Inmitten der angespannten Lage und gesicherten Schulen schildert ein Großvater, dessen Enkel eine Nachbarschule besucht, im Gespräch seine emotionale Betroffenheit und seine Sorgen um die Sicherheit der Kinder.

Können Sie uns berichten, was heute Vormittag Ihrem Enkel passiert ist?

Es gab eine Geiselnahme in Essen in einer Schule am Berufskolleg Blücherstraße in Altenessen. Wegen dieser Geiselnahme wurden auch die Nachbarschulen gesichert. Die Kinder wurden in den Klassen eingesperrt und durften nicht raus. Die Eltern durften nicht zu den Kindern.

Ich bin Großvater eines Enkels, der dort zur Schule geht und gerade total fertig mit den Nerven ist, weil man noch dichter dran ist als das, was man sowieso schon weiß; dass diese Messerangriffe pro Tag im Schnitt jetzt auch noch dichter an einen rankommen. Das kann jederzeit woanders auch passieren.

Und jetzt ist die Geiselnahme offensichtlich vor Kurzem zu Ende gegangen, habe ich gerade die Mitteilung bekommen, und es gibt ein Aufatmen auch in der Familie. Ich weiß, dass mein Enkelkind wieder in Freiheit ist und abgeholt werden kann von seinem Vater und dass die Tochter auch jetzt entspannt ist, weil die Geiselnahme zu Ende ist. Ich habe im Rundfunk und Fernsehen davon gar nichts erfahren. Und ich bin froh, dass meine Tochter mir Bescheid gegeben hat.

Eine Lehrerin musste verletzt in eine Klinik nach der Messerattacke. Die Polizei hat den tatverdächtigen Schüler gefasst nach Schusswaffengebrauch. Was macht das denn mit Ihnen, wenn Sie so etwas lesen und wissen, dass Ihr Enkelsohn vor Ort ist?

Ich muss Ihnen ehrlich sagen, ich bin froh, dass die Polizei sich so einsetzt. Ich habe immer gedacht, wir schaffen das mit milden, sanften Mitteln. Und wir verstehen immer diese Täter, die haben ja alle ein schweres Leben und all so was.

Aber ich bin es leid, ich bin es leid! Ich bin der Auffassung, dass diese Leute das Land verlassen müssen, und zwar umgehend, wenn sie ihre Strafe abgesessen haben. Und dass, wenn so eine akute Lage ist, jeder Täter, der sich so verhält, damit rechnen muss, dass er von der Polizei eliminiert wird. Das hört sich so furchtbar an, ich weiß das. Ich erschrecke auch manchmal selber, wenn ich so denke. Aber es ist eine andere Lösung nicht mehr denkbar bei der Anzahl der Angriffe. Es ist ein Krieg, der hier stattfindet gegen unsere Bevölkerung.

Seit wann wissen Sie denn Bescheid?

Etwa seit einer Dreiviertelstunde. Und zwar durch die Tochter. Die hat heute meinem Enkel zum Glück ein Handy mitgegeben. Das kann ja jederzeit und überall immer wieder von irgendwelchen anderen Leuten passieren. So wie es jeden Tag 80 Mal passiert. Darüber berichten diese Rundfunk- und Fernsehanstalten und Zeitungen im Lande in der Regel nicht. Und selbst wenn es überregional berichtet wird, dann mit dem Hinweis: Nur jetzt keine Aufregung, damit der „Kampf gegen Rechts“ nicht behindert wird, wie das ja passiert ist mit dem Mädchen, das vor die Bahn geworfen wurde.

Was wissen Sie über die Schule, die Schulsituation, das Umfeld?

Unser Enkel geht in ein Gymnasium. In der Klasse sind alle Kinder türkischer, arabischer, islamischer Abstammung. Er ist der einzige Deutsche, wurde da auch gemobbt. Er konnte sich aber damit rausreden, dass er auch italienischer Abstammung ist, weil sein zweiter Großvater Italiener ist. Das ist so ein Kampf, den er da täglich erlebt. Und wir wissen von dem anderen Enkelkind, dass es nicht in die Schule gehen kann mit Wurstbrötchen oder mit bestimmten Kleidungsstücken. Sie wird dafür von den anderen Mädchen angemacht. Das ist die Atmosphäre in der weiterführenden Schule.

Das Berufskolleg ist noch mal eine Nummer stärker. Da werden ganz andere Kinder unterrichtet. Altenessen ist ein Krisenzentrum, so wie Berlin-Marzahn oder wie das in Vierteln in Duisburg ist oder anderswo. Ich darf es gar nicht sagen, aber es ist eigentlich keine deutsche Schule mehr.

Was macht das denn mit einem Großvater, wenn man weiß, dass der Enkelsohn das einzige deutsche Kind dort ist? Und wenn Sie mir bitte noch etwas zu Ihrem Hintergrund sagen können …

Ich bin 71 Jahre alt. Ich habe bis 2013 als Kriminalbeamter Dienst gemacht, vorher auch bei der Schutzpolizei. Ich war immer ein Mensch, der für Integration eingetreten ist. Ich habe mich engagiert, ehrenamtlich. Wir sind eine Familie, die immer offen ist für andere Kinder und Familien. Wir haben da keine Unterschiede nach Herkunft oder so was gemacht. Wenn mir einer Rassismus vorwerfen würde, wäre das Quatsch.

Es ist aber so, dass wir jetzt selber in der Minderheitensituation leben. Ich bin auch in Essen quasi in der Minderheit. Wenn ich auf den Marktplatz gehe, sehe ich da 80 Prozent Frauen mit Kopftuch. Und zwar nicht mit dem Kopftuch, das gegen die Sonne schützt, sondern dem Khomeini-Tuch. Das ist die Realität. Ich kann damit leben. Es sind nette, liebe Menschen, die tun mir nichts, und ich hatte auch keine Angst vor ihnen. Ich kann halt eben nicht kommunizieren, weil man mit mir Ungläubigen ja auch nicht wirklich kommunizieren will.

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Wenn Sie so lange im Polizeidienst waren und 2013 ausgeschieden sind – 2015 begann die Massenzuwanderung – dann haben Sie ja noch den direkten Vergleich.

Ja, ich habe den direkten Vergleich: Es ging aber schon 2013 los. Ich war selbst in einem Brennpunktviertel dienstlich tätig. Ich habe dort auch viele Menschen erlebt, die sich integriert haben. Es war auch ein Armuts- bzw. Einkommensproblem. Aber ich bin da auch mal mittags essen gegangen im Einkaufszentrum und habe da unter den Menschen gesessen. Geängstigt habe ich mich nie. Obwohl es da auch schon die ersten Messerangriffe gab. Und das Schlimme ist, dass ein normaler Sachbearbeiter, der auch den Ladendiebstahl oder die Beleidigung oder den Betrug bearbeitet, dann einen Messerangriff bearbeiten muss, der, wenn er zwei Zentimeter weiter links oder rechts vom Herzen gewesen wäre, ein Mord gewesen wäre.

Hier gibt es eine fachliche Notwendigkeit, einen anderen zeitlichen und personellen Aufwand, den ich bei einem Mordversuch sehe: Wer mit dem Messer einen Menschen sticht, nimmt den Tod dieses Menschen in Kauf. Das ist für mich ein Mordversuch. Das heißt, die Aufstockung der Mordkommission wäre unweigerlich erforderlich. Das wird zwar als gefährliche Körperverletzung genommen. Aber das kann man nicht den Kommissariaten mit Massenkriminalität aufhalsen. Das ist zeitlich auch alles in der Qualität nicht zu schaffen meines Erachtens.

Und wenn Sie das heute sehen, wenn ich mir überlege, was in den Städten an Personal da ist, da bearbeitet der Betrugssachbearbeiter 700 Betrugsfälle, wo auch Leute aus Litauen, aus Irland und aus Spanien und aus den USA mit beteiligt sind in den Täterkreisen. Die Überforderung der Polizei mit solchen Kriminalitätsphänomenen, die weit über das hinausgehen, was wir nur mit Messerkriminalität betrachten, ist enorm. Wir haben zudem noch die Vergewaltigungsproblematik usw.

Manuel Ostermann von der Polizeigewerkschaft vertritt die Auffassung, die ich auch vertrete, obwohl ich früher bei der Gewerkschaft der Polizei war, die eher so im linksliberalen Spektrum verortet ist.

Ich bin empört – seit 2015 sowieso –, dass die deutsche Rechtsordnung von der Regierung verachtet wird. Sie wird delegitimiert, das Grundgesetz wurde ausgehebelt. Artikel 16a wird überhaupt nicht zur Kenntnis genommen. Und dann haben wir das Ergebnis hier im Lande.

Jetzt soll es sich bei dem Festgenommenen laut Zeitungsberichten um einen Schüler handeln. Warum werden dann eigentlich diese Messer nicht kontrolliert? Mich wundert immer und viele andere vielleicht auch, wo überhaupt diese ganzen Messer immer herkommen und warum das nicht kontrolliert wird. Oder ist es gar nicht möglich?

Da muss man mehrere Dinge beachten: Die Messer werden offen im Verkauf angeboten. Ich bekomme die im Ein-Euro-Shop und auf dem Marktplatz liegen die offen aus. Selbst solche mit tödlich wirkenden Zusatzdingen werden offen verkauft. Es werden sogar Sonderangebote gemacht. Bei Aldi und Lidl gibt es die gelegentlich im Angebot. Aber das geht so nicht.

Das Zweite ist: Das Messer ist ja nicht das Problem. Das Mitbringen des Messers sehr wohl. Man kann auch sagen, Handys und Messer gehören nicht in den Unterricht und werden beim Lehrer einkassiert vor dem Unterricht, die werden eingeschlossen und auch nicht mehr ausgegeben nach dem Unterricht, sondern müssen von den Eltern persönlich gegen Quittung abgeholt werden mit dem Hinweis, wenn der das noch mal mitbringt, verliert dieser das Recht, auf dieser Schule Unterricht zu bekommen. Das wäre aus meiner Sicht die Konsequenz.

Wir müssen Grenzen setzen. Die Grenzen des Landes müssen geschützt sein, die Grenzen des Rechts müssen eingehalten werden, aber auch die Grenzen für Jugendliche und Auszubildende und Schüler müssen hart gesetzt werden. Denn Grenzen sind der Schutzraum der Freiheit. Wer keine Grenzen mehr hat, der wird nicht geschützt, sondern der bedrängt Menschen in ihrem Freiheitsbereich. Und das geht so nicht weiter.

Sie haben jetzt schon Nachricht von Ihrer Tochter, dass der Enkelsohn jetzt in Sicherheit ist?

Ja, das habe ich jetzt mitgeteilt bekommen. Die Kinder sitzen aber noch in der Klasse.

Was wissen Sie denn als ehemaliger Polizeibeamter: Wie sieht es denn jetzt mit der psychologischen Betreuung aus?

Aus meiner Sicht wäre eine psychosoziale Betreuung der gesamten Bevölkerung erforderlich. Aber bitte kein dummes Gelaber. Ich sage das mit meinen Worten, so wie ich es sage. Ich lebe hier in der Rentenzeit, und ich möchte reden können, wie ich möchte. Jahrzehntelang habe ich sachlich und faktenorientiert gesprochen, und jetzt reicht es wirklich. Es hat mit der Emotion zu tun. Und wer dieses Gefühl nicht mehr ausdrücken kann oder nicht mehr hat …

Diese Bevölkerung ist traumatisiert seit vielen Jahren, nicht nur über die Kriegszeit und die Nachkriegszeit und die Erziehungszeit in den Achtundsechzigern und danach. Die Übergriffe sind ja katastrophal hoch heute.

Aber es geht jetzt erst mal um die unmittelbare Betreuung der Kinder in den Schulen. Ich erwarte, dass das in dem Unterricht jetzt gemacht worden ist, während der Zeit, während sie dort drin waren, dass man die Ängste abbaut, dass man nicht an den Ängsten vorbeiredet, sondern dass man die Kinder ausdrücken lässt, was sie empfinden. Und sie brauchen jetzt auch nach der Tat noch mal die Möglichkeit, darüber in Gesprächsrunden zu sprechen.

Gegebenenfalls brauchen all diese Kinder eine Nachbetreuung. Die Kinder, die unmittelbar in der Geiselnahme beteiligt waren, aber auch die Sekundär- und Tertiärbetroffenen, dazu gehören die Eltern, dazu gehören die Lehrer, dazu gehören die Angehörigen. Ich möchte auch mal irgendwo reden können als Großvater, der ich überhaupt nirgendwo mitreden kann.

Danke für das Gespräch!

(Danke an „Kontrafunk“ und Burkhard Müller-Ulrich für die Vermittlung des Gesprächspartners!)

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