Erst dĂŒrfen sie nicht mit den anderen mitmachen, dann sollen sie selbst was machen

Nach scharfer Kritik: AfD-Bundestagsfraktion ringt um Positionspapier zu den Ereignissen in Israel

von Alexander Wallasch (Kommentare: 9)

Entwurf des Positionspapiers der AfD-Bundestagsfraktion© Quelle: Pixabay/ Chickenonline

Nach massiver Kritik der etablierten Parteien und Medien verhandelt die AfD zur Stunde ein „Positionspapier der Bundestagsfraktion der AfD zu den Ereignissen in Israel“. Eine Analyse.

Was die AfD-Bundestagsfraktion da gerade intern verhandelt, ist zunÀchst nichts Ungewöhnliches. Solche Positionspapiere gibt es auch von Institutionen wie den Landeskirchen, die sich zuletzt 2022 auf eine gemeinsame Position verstÀndigten.

Die Fraktionen der Ampelparteien hatten bereits gemeinsam mit der CDU/CSU-Fraktion einen Entschließungsantrag (20/8736) zur Abgabe einer RegierungserklĂ€rung formuliert, der inhaltlich durchaus auch als Positionspapier bezeichnet werden kann. Die AfD wurde im Vorfeld nicht zur Mitarbeit daran aufgefordert. Die Fraktion stimmte dem Antrag dennoch zu.

Davon unbeeindruckt befanden Vertreter der antragstellenden Parteien und der etablierten Medien, die AfD hĂ€tte sich nicht schnell und nicht vehement genug fĂŒr Israel und gegen die Hamas ausgesprochen. Auch das umstrittene private Rechercheportal Correctiv.org beschĂ€ftigte sich bereits ausfĂŒhrlich mit der Position der AfD. Dort heißt es unter anderem: „Alice Weidel und Tino Chrupalla verurteilten den Terror der Hamas erst spĂ€t und nicht eindeutig.“

Ins Fadenkreuz der Alt-Medien geriet hier insbesondere AfD-Parteichef Tino Chrupalla, dem vorgehalten wurde, er hĂ€tte sich insbesondere in einem Post auf X nicht eindeutig genug fĂŒr Israel ausgesprochen. Beispielsweise, als er sagte, „Ich trauere um alle Kriegstoten.“

DafĂŒr erntete der Parteichef auch harsche Kritik aus den eigenen Reihen, als ihm der auf Twitter vielgelesene Ex-Fraktionschef der AfD im Berliner Abgeordnetenhaus, Georg Pazderski, frontal in die Parade fuhr mit den Worten:

„Was ist das fĂŒr ein sinnbefreiter, dummer Tweet. Die ĂŒber 1.200 bestialisch ermordeten israelischen Kinder, Frauen und MĂ€nner sind keine Kriegstoten, sie sind Mordopfer der SchlĂ€chter der Hamas.“

Terror oder Krieg – Terroristen oder KĂ€mpfer

TatsĂ€chlich kann sich Chrupalla hier aber auf den israelischen Verteidigungsminister stĂŒtzen, der den Terroranschlag schnell als Teil eines „Krieges“ bezeichnete. Auch in England ist ein Streit darĂŒber entbrannt, beispielsweise darum, warum der Sender BBC nicht von Terroristen, sondern von „KĂ€mpfern“ der Hamas spricht.

Die AfD hat sich jetzt dazu entschlossen, ein Positionspapier zu entwerfen, das zur Stunde intensiv diskutiert wird. Der Entwurf dazu liegt alexander-wallasch.de vor.

Ein Abgeordneter kommentierte allerdings gegenĂŒber alexander-wallasch.de, es gĂ€be noch keinen endgĂŒltigen Stand, es wĂ€ren immer neue Varianten im GesprĂ€ch. Einen Zwischenstand veröffentlicht alexander-wallasch.de hier im Anhang.

Parteichef Tino Chrupalla hatte am 11. Oktober vormittags getwittert:

„Der Angriff der #Hamas auf #Israel ist zu verurteilen. Ich trauere um alle Kriegstote. Jetzt mĂŒssen die Staaten der Region auf Deeskalation setzen, um einen FlĂ€chenbrand abzuwenden. Diplomatie ist das Gebot der Stunde. Eine tragfĂ€hige Lösung fĂŒr alle Seiten muss das Ziel sein!“

Wer hier die Aufforderung zu diplomatischen Lösungen zum Wohle aller Seiten als eine Art Gegenwurf zur deutschen StaatsrĂ€son fĂŒr Israel verstehen will, der sollte sich an eine vielbeachtete Rede der Bundeskanzlerin 2008 vor der Knesset erinnern.

Kurz nach dem Terroranschlag der Hamas gegen Israel wurde das Brandenburger Tor in Berlin mit der Flagge Israels illuminiert. Symbolisch wurde hier die von Angela Merkel 2008 in der Knesset gehaltene Rede zur deutschen StaatsrĂ€son gegenĂŒber Israel erneuert.

Die Bundeskanzlerin sprach damals von einer besonderen historischen Verantwortung Deutschlands fĂŒr die Sicherheit Israels. Wörtlich sagte sie:

„Diese historische Verantwortung Deutschlands ist Teil der StaatsrĂ€son meines Landes. Das heißt, die Sicherheit Israels ist fĂŒr mich als deutsche Bundeskanzlerin niemals verhandelbar.“

Die Kanzlerin betonte weiter, dass die Betonung einer StaatsrĂ€son „in der Stunde der BewĂ€hrung“ keine leeren Worte bleiben dĂŒrften.

Israel notfalls mit dem Leben verteidigen

In den sozialen Medien wird heute, 15 Jahre spÀter, ein Interviewausschnitt des CDU-Bundestagsabgeordneten Roderich Kiesewetter vielfach geteilt, in dem dieser in etwa erklÀrt, Merkels StaatsrÀson bedeute, Israel notfalls auch mit dem Leben zu verteidigen.

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Merkel hatte allerdings in der Knesset, wohlwissend um die Wirkung ihrer Worte, ergĂ€nzt, dass mit „StaatsrĂ€son“ zuerst gemeint sei, dass Deutschland „gemeinsam mit seinen Partnern auf eine diplomatische Lösung“ setzt. So nannte sie beispielsweise Sanktionen gegen den Iran.

In ihrer Rede vor dem israelischen Parlament bezog sich Angela Merkel auch auf eine bis heute andauernde Bedrohung durch die Hamas:

„WĂ€hrend wir hier sprechen, leben Tausende von Menschen in Angst und Schrecken vor Raketenangriffen und Terror der Hamas. Ich sage klar und unmissverstĂ€ndlich: Die Kassam-Angriffe der Hamas mĂŒssen aufhören. Terrorangriffe sind ein Verbrechen. Sie bringen keine Lösung in dem Konflikt, der die Region und das tĂ€gliche Leben der Menschen in Israel und das Leben der Menschen in den palĂ€stinensischen Autonomiegebieten ĂŒberschattet.“

Schnell wurde der Terroranschlag gegen Israel vom polit-medialen Komplex aus dem Kontext des Nahostkonfliktes herausgeschĂ€lt. Der Tagesspiegel etwa titelte analog zur von Olaf Scholz ausgerufenen „Zeitenwende“ im Ukrainekrieg: „Krieg gegen Israel: Das wahre Ausmaß der Zeitenwende“. Auch der israelische Botschafter in Deutschland sprach von einer „Zeitenwende“ im Nahen Osten.

Das Positionspapier der AfD-Bundestagsfraktion

Alexander-wallasch.de liegt das Positionspapier der AfD vom 17. Oktober, Stand 12:30 Uhr vor. Wer hier allerdings schwere inhaltliche Ausreißer gegenĂŒber der Auffassung der etablierten Parteien erwartet hat, der wird womöglich enttĂ€uscht werden.

Das vorlĂ€ufige Positionspapier umfasst elf Punkte. Von der Position der Ampelpartien abweichend ist die Kritik an der Bundesregierung, die von der AfD eine „Mitverantwortung“ am Konflikt zugewiesen bekommt und zudem aufgefordert wird, jedwede Zahlung an die Autonomiebehörde des Gaza-Streifens sofort einzustellen.

Die AfD richtet auch Forderungen an Israel selbst. So sollen Maßnahmen gegen die Hamas „im Einklang mit dem humanitĂ€ren Völkerrecht“ stehen, „humanitĂ€re Korridore und eine Basisversorgung der Zivilbevölkerung“ mĂŒssten respektiert werden, heißt es in dem Entwurf.

Im letzten von elf Punkten spricht sich die AfD-Fraktion dafĂŒr aus, trotz allem „den Weg einer Zweistaatenlösung in seinem Grundanliegen einer dauerhaften Friedenslösung fĂŒr den Nahen Osten weiterzuverfolgen“.

Hier der Entwurf im ungekĂŒrzten Wortlaut:

1. Die AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag verurteilt aufs SchĂ€rfste den barbarischen Terrorangriff der HAMAS auf den Staat Israel seit dem 7. Oktober 2023 und steht an der Seite Israels und seiner BĂŒrger.

2. Die AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag erkennt angesichts dieses verbrecherischen Aktes Israels Recht auf Selbstverteidigung als im Einklang mit dem Völkerrecht und der Charta der Vereinten Nationen stehend an.

3. Die AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag sieht zugleich eine Mitverantwortung der deutschen Bundesregierung, da sie in den vergangen Jahren Zahlungen in Millionenhöhe an die PalĂ€stinensische Autonomiebehörde bzw. das Hilfswerk der Vereinten Nationen fĂŒr PalĂ€stina-FlĂŒchtlinge im Nahen Osten, (UNRWA) leistete, obwohl diese nachweislich Hass-Propaganda gegen Israel verbreiten und die terroristische Hamas direkt und indirekt unterstĂŒtzen.

4. Die AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag fordert die Bundesregierung dazu auf, die Hilfszahlungen an Einrichtungen der PalĂ€stinensischen Autonomieverwaltung im Gaza-Streifen sofort einzustellen. Die Gelder sollen stattdessen direkt an das UNHCR fließen und unter Maßgabe der Konflikt- und KrisenbewĂ€ltigung streng kontrolliert werden.

5. Die AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag fordert die sofortige Freilassung der von der HAMAS verschleppten Geiseln und die GewĂ€hrung der sicheren Ausreise fĂŒr alle internationalen Staatsangehörigen aus Gaza.

6. Die AfD-Fraktion sieht insbesondere die RegionalmĂ€chte Ägypten, TĂŒrkei und Saudi-Arabien gefordert, eine Ausweitung des Konflikts zu verhindern. Sie begrĂŒĂŸt die ErklĂ€rungen der TĂŒrkei und des Golfkooperationsrats. Der Konflikt in Gaza darf nicht zu einem Kampf der Religionen werden; das zu verhindern muss oberste diplomatische Zielsetzung sein.

7. Die AfD Fraktion im Deutschen Bundestag betont, dass die jetzt vom Staat Israel gegen die HAMAS ergriffenen Maßnahmen zum Schutze seiner BĂŒrger, im Einklang mit dem humanitĂ€ren Völkerrecht stehen mĂŒssen. HumanitĂ€re Korridore und eine Basisversorgung der Zivilbevölkerung mĂŒssen respektiert werden.

8. Die AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag mahnt, die Zusammenarbeit mit den AutoritĂ€ten im Westjordanland differenziert zu prĂŒfen und an Bedingungen zu koppeln, die einerseits den Fortbestand der Beziehungen zu den schĂŒtzenswerten Institutionen selbst (z.B. Goethe-Institute, Schulkooperationen usw.) ermöglichen, andererseits jeglichen Missbrauch wie in Gaza ausschließen.

9. Die AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag fordert die Bundesregierung auf, mit LĂ€ndern der Region GesprĂ€che zu fĂŒhren um eine Lösung der humanitĂ€ren Situation vor Ort und nicht in Europa zu forcieren. Weitere Migrationsströme in Richtung Europa mĂŒssen unterbunden werden.

10. Der Konflikt darf nicht nach Deutschland getragen werden. Die AfD-Fraktion erwartet von den zustÀndigen Landesgesetzgebern, das Versammlungsrecht einzuschrÀnken, soweit auslÀndische Konflikte durch AuslÀnder auf deutschem Boden ausgetragen werden sollen. TÀter ohne Aufenthaltstitel oder im schwebenden Asylverfahren sind sofort auszuweisen. Die HAMAS und ihr nahestehende Organisationen wie die Volksfront zur Befreiung PalÀstinas sind zu verbieten.

11. Die AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag spricht sich trotz allem dafĂŒr aus, den Weg einer Zweistaatenlösung in seinem Grundanliegen einer dauerhaften Friedenslösung fĂŒr den Nahen Osten weiterzuverfolgen und mit allen Mitteln der Diplomatie eine Eskalation und weiteres Blutvergießen zu verhindern.

FĂŒr 14:45 Uhr hat die AfD eine Pressekonferenz angekĂŒndigt. Sollte dort ein von diesem Entwurf abweichendes Papier vorgestellt werden, wird das hier nachgetragen.

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