Wenn das angebliche Wahrheitsserum zum Giftcocktail wird

Nicht jede Verschwörungstheorie wird wahr – Irrsinn bleibt Irrsinn

von Alexander Wallasch (Kommentare: 10)

„Mich interessiert nicht mehr, was daran wahr ist, sondern dass es diesem Staat zuzutrauen ist, dass es wahr sein könnte!“© Quelle: Pixabay / OpenClipart-Vectors

Man hört es seit Monaten immer häufiger und vieles daran ist wahr: Die Verschwörungstheorien von gestern sind die Wahrheiten von heute.

Aber zur Wahrheit gehört eben auch: Inhaltlich ist das natürlich Nonsens. Jedenfalls, was die allermeisten so genannten Verschwörungstheorien angeht – von silbernen Würmchen auf Teststäbchen bis zu gemolkenen Adrenochrom-Kindern in Katakomben tief unter dem Central Park und der nicht besonders originellen Idee, die Erde sei doch eine Scheibe.

Allerdings haben sich viele von Faktencheckern, Medien und Politik diffamierte Thesen rund um die Corona-Maßnahmen und mRNA-Injektionen später als wahr oder zumindest teilweise wahr herausgestellt. Oder präziser: als durchaus akzeptable These.

Nehmen wir das Beispiel „Laborthese“. Die wurde anfangs als Verschwörungstheorie gebrandmarkt. Die damals führenden Virologen einschließlich Anthony Fauci und Christian Drosten hatten diese Diffamierung als „Verschwörungstheorie“ sogar explizit in einem führenden internationalen Fachmagazin veröffentlicht, wohlwissend, dass Publikationen in „The Lancet“ weltweit gelesen und akzeptiert werden.

Aber – und das gehört zur Wahrheit dazu – selbst, wenn die Faktenlage heute stark für die Laborthese spricht, heißt das nicht, dass die Zoonose-These deshalb bewiesenermaßen Quatsch wäre.

Hier hat sich lediglich wieder durchgesetzt, dass es unwissenschaftlich ist, im Wettstreit der Ideen (Thesen), eine These von vornherein auszuschließen. Möglicherweise ist das sogar kriminell, wenn es hier um Vertuschung von illegalen Forschungsprojekten oder ähnlichem geht.

Selbst wenn der Eindruck heute vielfach geweckt wird, heißt das aber noch lange nicht, dass der größte Schwachsinn automatisch irgendwann wahr wird.

Die Tatsache, dass Thesen wie die Laborthese diffamiert wurden und sich später als wahrscheinlich herausstellten, ist kein Freibrief für jeden Unsinn, der im Zusammenhang mit Corona zusammengeschrieben und verbreitet wurde.

Ein aktuelles Bespiel? Gerade twitterte ein Account mit bald 4000 Followern, dass das Internationale Rote Kreuz keine Blutspenden mehr von Geimpften annehme. Das Blut sei unnatürlich verdickt, gerinne schneller usw. Die Meldung wurde von einem dubiosen, verschwommenen Filmchen begleitet.

Diese Geschichte ist allerdings schon relativ früh nach Beginn der mRNA-Injektionen verbreitet worden und stimmt schlicht nicht. Weder das Internationale noch das Deutsche Rote Kreuz haben solche Verbote ausgesprochen, außer, dass man frisch Gespritze wegen Belastung und körperlichen Reaktionen ein paar Wochen Pause zum Selbstschutz verordnet hatte.

Weiterlesen nach der Werbung >>>

Ihre Unterstützung zählt

Mit PayPal

Plasmaspenden sollen zeitweilig nicht von Geimpften angenommen worden sein, aber hier ging es ebenfalls nicht um qualitative Fragen. Ein Fünkchen Wahrheit ist also durchaus vorhanden, aber eben keines, dass eine alarmierende Geschichte zulässt, die man „Blutspende-Verbot für Geimpfte“ taufen könnte.

Jetzt ist diese alte Geschichte erneut hervorgekramt und auf besagtem Account 5000-mal angezeigt, über 150-mal geteilt und über 50-mal kommentiert worden. Was man da zu lesen bekommt, kann man durchaus als Aufruf zur Selbstüberprüfung verstehen, dahingehend, ob der Unsinnsfilter noch funktioniert.

Denn nur, weil Ungeimpfte, Corona-Maßnahmen- und mRNA-Kritiker vielfach diffamiert und ausgrenzt wurden, zwingt das niemanden, alles von jedem für bare Münze zu nehmen, wenn er nur nicht Teil des Mainstreams ist.

Hier ein paar der Antworten unter besagtem Tweet:

„Ich werde mein ,ungeimpftes' Blut noch sehr, sehr teuer verkaufen in Zukunft.“

„Dann steigt der Preis für mein Blut???“

Eine Userin gibt den Geimpften Tipps, wie sie ihr Blut wieder in Ordnung bringen könnten:

„Sie sollen Zitronensaft mit Zucker verrührt trinken. 1 Zitrone am Tag. Ganzen Saft zubereitet, morgens trinken. Für Kinder bis 12 die Hälfte. Bitte Info weitergeben. Nach halbem Jahr alles okay.“

„Bitte Info weitergeben“, steht da tatsächlich.

Ein weiterer entsetzter Nutzer schreibt in Richtung Rotes Kreuz:

„Oh mein Gott wie werdet ihr dann jetzt eure Geschäfte die ihr mit Blut macht am Laufen halten?“

Und noch ein Nutzer zieht bereits eine Art Fazit:

„Die ,Schwurbler' hatten und haben recht, von Anfang an. Dem Staat und den sog. Experten ist nicht zu trauen.“

Daraufhin schreibt der nächste Twitter-Nutzer gleich in Versalien, wohl damit es niemand übersieht:

„DIE TRAGISCHE WIRKLICHKEIT!“

Immerhin ein Nutzer liefert einen Screenshot, wo eindeutig erklärt wurde, dass es sich nur um eine zweiwöchige Pause direkt nach der mRNA-Injektion handelt.

Hilft aber nichts, denn gleich im Anschluss heißt es weiter:

„Darf ich Dir in diesem Zusammenhang auch folgendes Video anhängen? Für Alle Gespritzten und Angehörige! Plötzlich u. unerwartet gestorben / Died suddenly“

Immerhin, und dass ist beruhigend, fragen etliche Kommentare nach der „Quelle“, woraufhin nichts wirklich Verwertbares geliefert werden kann. Andere erklären, dass es sich hier um Falschnachrichten handelt.

Was findet sich noch auf dem Account, der diese alte Geschichte wieder verbreitet und dafür teils gutgläubige Abnehmer gefunden hat?

Unter anderem findet sich ein kürzerer mit Filtern nachbearbeiteter Film mit der begleitenden Textzeile: „these people on tv are not human...“, der Film zeigt Prominente, die angeblich keine echten Menschen, sondern Echsen oder Ähnliches seien. Unter anderem werden als Beweis dafür Merkels Marionetten-Falten an den Mundwinkeln angeführt.

Der ganze Account ist eine toxische Mischung, das angebliche Wahrheitsserum ist ein Giftcocktail mit ein paar verträglichen Zutaten. Denn dort finden sich auch durchaus interessante Beiträge, die dem täglichen Irrsinn untergemischt wurden. Insgesamt entsteht der Eindruck, dass hier jemand leider seines natürlichen Filters verlustig gegangen ist.

Vielleicht ist das der größte anzunehmende Schaden der Corona-Jahre: Wenn einfach alles in Frage gestellt wird, fehlt eine neutrale Plattform, auf der unterschiedliche Standpunkte in gegenseitiger Wertschätzung um die Wahrheit ringen können.

Die Schuld dafür trifft eindeutig das Corona-Regime, welches von Anfang an Kritiker diffamiert, ausgegrenzt und verfolgt hat. Hier ist Vertrauen erdrutschartig verloren gegangen. Die Schnittmengen, über die man sich zu Beginn eines Diskurses verständigen muss, sind so gering wie nie.

Viele kennen das aus dem persönlichen Erleben: Die täglichen Zusendungen von Freunden und Gleichgesinnten, die ungefiltert alles weiterleiten, das irgendwie eine Kritik an den bestehenden Verhältnissen übt. Oder noch häufiger, dass wieder die nächsten fünf staatlichen Verschwörungen aufdeckt.

Gerade als Journalist verbrennt man immer mehr Zeit auch damit, solchen vermeintlichen Skandalen nachzuforschen, nur um dann festzustellen, dass wieder nur ein kleiner Funken Wahrheit der Türöffner war, diesen ganzen Unsinn in einen Tweet zu spülen.

Ich habe nach so einer wieder einmal vergeudeten Zeit einen Freund leicht erbost in etwa gefragt: „Sag mal, musst du mir eigentlich jeden Scheiß ungefiltert zusenden? Prüf das doch wenigstens mal auf seinen Wahrheitsgehalt hin!“

Der Freund erklärt mir dann ausführlich, dass er nur der Überbringer der Botschaft sei. Ich müsse schon selbst herausfinden, was daran wahr sei. Aber folgenden Satz fand ich interessant, den er noch hintendran hängte: „Mich interessiert nicht mehr, was daran wahr ist, sondern dass es diesem Staat zuzutrauen ist, dass es wahr sein könnte!“

Einen Kommentar schreiben

Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen. Aufgrund von zunehmendem SPAM ist eine Anmeldung erforderlich. Wir bitten dies zu entschuldigen.

Kommentare