Im Interview: Rechtsanwalt Dirk Schmitz

Notfallmediziner und Taucherarzt verweigert AfD-Mitglied die Behandlung

von Alexander Wallasch (Kommentare: 7)

Heiko Nüßner sitzt im Rollstuhl.© Quelle: Heiko Nüßner

In Baden-Württemberg ist Heiko Nüßner, ein unbekannter Lokalpolitiker, 2015 von der CDU zur AfD gewechselt. Das hat für den schwerbehinderten Rollstuhlfahrer jetzt auch private Konsequenzen.

Sein Hausarzt in Lahr-Reichenbach will den Mann nicht mehr behandeln, nachdem dieser - für den Arzt erst durch das regionale Wochenwerbeblatt „Guller“ bekannt geworden - Beisitzer im lokalen AfD-Vorstand geworden ist. Das berichteten bereits diverse Medien.

„Rausgeschmissen hat er mich,“ erklärte Nüßner seinem Anwalt, verbunden mit der medizinischen Aufforderung, sich „aufgrund deutlich politisch unterschiedlicher Ansichten“ einen anderen Arzt zu suchen.

Alexander-Wallasch.de befragt hierzu Rechtsanwalt Dirk Schmitz, an den sich Nüßner um rechtlichen Rat wandte. Der abweisende Arzt ist aktuell im Osterurlaub und telefonisch nicht erreichbar.

Um was für einen Mediziner geht es?

Es geht um den Lahrer Hausarzt Dr. med. Michael Langenbacher, Facharzt für Allgemeinmedizin, Notfallmediziner sowie nach eigenen Angaben Taucherarzt. Ich bin mit dem Ort sehr verbunden, weil ich viele Jahre in meiner Eigenschaft als Konzerngeschäftsführer der Muttergesellschaft auch Geschäftsführer des örtlichen Herzzentrums war. Langenbacher ist dort eine bekannte Persönlichkeit. Insoweit ist in der Stadt Lahr dessen Name nach seinem „Rollstuhlcoup“ schnell rundgelaufen.

Was macht den Fall so besonders?

Langenbacher ist bislang ein Kommunikationsgenie. Er hat es – anders als sein Opfer Nüßner – geschafft, dass sein Fall derzeit bundesweit in nahezu allen großen Medien erwähnt wird – ohne dass sein Name bislang Erwähnung fand. Und das, obwohl er selbst zahlreiche Pressegespräche führte. Aber der Mann ist, so sagen die Presserechtler, auch dadurch eine „relative Person der Zeitgeschichte“ geworden, die sich das gefallen lassen muss.

Interessant ist die mediale Zurückhaltung gegenüber dem approbierten Täter, wenn das Opfer „rechts“ ist. Anders als z.B. viele Ärzte im Zusammenhang mit angeblich unzutreffenden Masken-Attesten, deren Klarname schon bei bloßem Verdacht genannt wurde, in der eindeutigen Absicht, deren Ruf und deren Existenz zu beschädigen. Ich weiß das, da ich viele vertreten habe.

Dabei hat Nüßner, ich habe eine Eidesstattliche Versicherung von ihm hierzu, niemals mit seinem Arzt über Politik geredet. Was bei dem Zeittakt deutscher Hausärzte auch schwierig ist.

Und was wollen Sie jetzt?

Ich möchte das nun ändern, denn solch unehrenhaftes Verhalten eines Mediziners sollte ein persönliches Gesicht haben. Und das ist das Gesicht des Michael Langenbacher. Gerade solche Personen haben den Gratismut, dort zu treten, wo sie glauben, ihr behindertes Opfer sei wehrlos. Das erinnert mich an schlimmste deutsche Zeiten vor 1945 oder auch in der DDR. Das Schreckliche an diesen Unrechtssystemen waren nicht die „großen Tiere“, sondern die zahlreichen kleinen Monster, Mitläufer, die ohne eigenen Druck ihren Mitmenschen wegen „falscher Gesinnung“ deren Tagesleben zum Horrortrip machten. In diese bösartige Gruppe muss ich Langenbacher leider rechnen.

Was werfen Sie Langenbacher denn rechtlich vor?

Jeder kennt den Eid des Hippokrates. Nur wenige Nichtmediziner wissen aber etwas über dessen moderne Form, das Genfer Gelöbnis. Dieses wurde im September 1948 gerade als Antwort auf die nationalsozialistische Gewaltherrschaft auf der 2. Generalversammlung des Weltärztebundes in Genf verabschiedet. Das Gelöbnis wurde in die (Muster-)Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärzte übernommen und deren Präambel vorangestellt.

Dort heißt es unter anderem:
Als Mitglied der ärztlichen Profession gelobe ich feierlich, mein Leben in den Dienst der Menschlichkeit zu stellen. Die Gesundheit und das Wohlergehen meiner Patientin oder meines Patienten werden mein oberstes Anliegen sein ... Ich werde nicht zulassen, dass Erwägungen von Alter, Krankheit oder Behinderung, Glaube, ethnischer Herkunft, Geschlecht, Staatsangehörigkeit, politischer Zugehörigkeit, Rasse, sexueller Orientierung, sozialer Stellung oder jeglicher anderer Faktoren zwischen meine Pflichten und meine Patientin oder meinen Patienten treten ... Ich gelobe dies feierlich, aus freien Stücken und bei meiner Ehre.

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Gemessen an diesem medizinischen Versprechen ist der Mann nicht nur ein Eidbrecher, sondern in der Tiefe des Wortes „ehrenlos“.

Nun versuchen zahlreiche Verteidiger dieses woken Extremismus die Nichtbehandlung gerade behinderter Patienten wegen der angeblichen Vertragsfreiheit von Ärzten zu rechtfertigen.

Ich habe noch nie gehört, dass die Ärztekammern die Nichtbehandlung von Patienten im Dritten Reich oder die Nichtbehandlung kranker politischer Dissidenten wie Sacharow in der Sowjetunion mit der „Vertragsfreiheit der Doktoren“ rechtfertigten. Das war schlicht eine menschliche Schweinerei und unethisch.

Bezeichnend für unseren moralischen Zustand ist, dass Langenbacher und die Vertreter solcher Ansichten selbst über das begangene SED-Unrecht hinausgehen. Denn dort klagte man eher über die Besserversorgung der Partei-Kader – aber nicht über die systematische Nichtbehandlung des politischen Gegners. So weit war selbst die DDR nicht gesunken.

Was gilt standes- und zivilrechtlich?

Das sind zwei Paar Schuhe. Was rein zivilrechtlich noch zulässig ist, bleibt oftmals standesrechtswidrig. So auch hier. Natürlich kann auch ein Arzt einen Behandlungsvertrag kündigen, das ist zulässig.

Aber die Gründe müssen sich mit dem Standesrecht rechtfertigen, messen lassen. Eine Ärztekammer, die ihren Job ernst nimmt, muss gegen Herrn Langenbacher ein Disziplinarverfahren einleiten, ihn mindestens formell rügen, wenn solches wie hier bekannt wird. Denn niemand dort, ich bin mir aber nicht mehr ganz sicher, wird ernsthaft vertreten, die Kündigung von AfD-Mitgliedern oder AfD-Wählern wegen ihrer politischen Überzeugung aus der Gesundheitsversorgung sei ethisch und standesrechtlich zulässig. Das Unethische beginnt beim Wegschauen! Stellen Sie sich das Theater vor, es würden von „rechten Ärzten“ Politiker der Grünen aus der Krankenvorsorge ausgeschlossen.

Das Anti-Diskriminierungsrecht hilft?

Wörtlich heißt es auf der Seite der Antidiskriminierungsstelle des Bundes: „Mit dem Genfer Gelöbnis verpflichten sich Ärzt*innen dazu, allen Menschen, die einer medizinischen Behandlung bedürfen, vorbehaltlos zu begegnen. Die Freiheit und das Recht der Ärzteschaft, eine Behandlung abzulehnen (§ 7 Absatz 2 Satz 2 der (Muster-)Berufsordnung der Bundesärztekammer (MBO)), erfährt durch dieses Gelöbnis Grenzen.“

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes ist der Auffassung, dass der medizinische Behandlungsvertrag als ein dem Massengeschäft vergleichbarer Vertrag nach § 19 Absatz 1 Nr. 1 AGG einzuordnen ist und damit in den Schutzbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes fällt.

Eingedenk des ärztlichen Gelöbnisses darf der Abschluss eines ärztlichen Behandlungsvertrages weder von Alter, Behinderung, Religion, ethnischer Herkunft, Geschlecht und sexueller Orientierung der Patient*innen noch von anderen der genannten Faktoren abhängig gemacht werden. Am liebsten möchte man sarkastisch hinzufügen, es sei denn, der Kranke sei AfD-Mitglied. Die Ärzte wehren sich im Übrigen gegen die Anwendung des AGG auf ihre Vertragswerke.

Was ärgert Sie besonders?

Es ekelt mich an, dass dieser Typus des unempathischen Mediziners einen unauffälligen kranken Rollstuhlfahrer, dessen einziges politisches Verbrechen in seiner Aktivität als Beisitzer eines AfD-Ortsvorstandes besteht - was erst durch das örtliche Anzeigenblatt bekannt wurde - vom Hausarzt seines Vertrauens gezielt gemobbt wird. Als gebürtiger Chemnitzer hat Nüßner viele Jahre das DDR-Unrecht ertragen müssen. Jetzt hat die DDR ihn in Lahr in der Person eines „Tauchmediziners“ wieder gefangen.

Über was weist dieser Fall hinaus?

Das Eindringen des Woke-Politischen in private geschützte Räume. Wenn Menschen nicht mehr zu ihrem Hausarzt gehen dürfen, Kirchen und Feuerwehren gegen ihren Glaubens- und Satzungszweck Mitglieder verfolgen, die in der falschen Partei sind, wenn behauptete Legitimität Legalität schlägt, dann leben wir - verfassungsrechtlich gesichert - in einer totalitären Diktator. Das müssen wir alle energisch verhindern.

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