Interview mit einem Landwirt aus Neu St. Jürgen bei Worpswede

Protest gegen Containerdorf für Zuwanderer: Und schon klopft der Staatsschutz an die Tür

von Alexander Wallasch (Kommentare: 5)

„Das ist ja wie in der DDR, als wenn die Jungs mit dem grauen Mann kommen.“© Quelle: privat

Die Gesichter der deutschen Großstädte haben sich binnen weniger Jahre verändert. Aber wie gehen die ländlichen Regionen mit der Massenzuwanderung und ihren Verwerfungen um?

Bei Worpswede soll jetzt ein Containerdorf gebaut werden. Die Dorfgemeinschaft ist aufgebracht. Alles ging von einem Tag auf den anderen. Der Bagger kam einen Tag nach der Dorfversammlung. Dann wurde das Baugerät sabotiert.

Die örtliche Zeitung titelte: „Staatsschutz nimmt Ermittlungen auf“. Weiter heißt es da: „Die Angelegenheit birgt Brisanz, da der Bagger auf einem Grundstück stand, auf dem gerade eine Flüchtlingsunterkunft errichtet wird.“

Die Polizei könne eine politische Tat nicht ausschließen. Aber wer soll sie begangen haben? Alexander-Wallasch.de spricht mit Landwirt Johannes Thoden. Seine Familie bewirtschaftet den Hof seit 250 Jahren. Er war auf einer Versammlung, wo der Worpsweder Bürgermeister und ein Ortsvorsteher der Dorfgemeinde von den schon am Folgetag beginnenden Bauarbeiten berichteten.

Am nächsten Tag bekam Thoden Besuch vom Staatsschutz. Alexander-Wallasch.de sprach mit dem Landwirt:

Sie sind Landwirt in Neu St. Jürgen bei Worpswede?

Genau.

Neu St. Jürgen hat etwa eintausend Einwohner. Jetzt soll es Probleme mit neuen Containerdörfern für Zuwanderer geben. Um was geht es da konkret?

Mein größtes Problem ist eigentlich die Art und Weise, wie die Gemeinde das kommuniziert und wie sie das über die Köpfe der Leute hinweg entschieden hat. Und die Größe der Container-Einheit ist für mich zu groß. Das kann so nicht funktionieren, so viel Menschen ohne eine Einbindung in die Gemeinde an einem Fleck dort unterzubringen.

Jetzt hatte der Ortsvorsteher Ihres Dorfes mit dem Bürgermeister vor wenigen Tagen eine Veranstaltung zu diesen Containern gemacht ...

Die Veranstaltung fand im Nachbardorf statt. Das war der Ortsvorsteher von diesem Nachbardorf, diese Flüchtlingsunterkunft wird genau an der Grenze zwischen zwei Orten gebaut.

Wie heißt der andere Ort?

Mevenstedt.

Worpswede sucht schon seit vielen Monaten händeringend Wohnraum für Zuwanderer. Worpswede hat ein paar hundert Zuwanderer untergebracht. Jetzt sollen weitere dazukommen. Da gab es nun wenig Resonanz, was Wohnraum angeht. Und jetzt soll dieses neue Containerdorf gebaut werden. Sind die Grundstückseigentümer vor Ort nicht scharf darauf, ihre Flächen für eine Menge Geld zur Verfügung zu stellen?

Nein, gar nicht, da war keiner scharf drauf.

Warum nicht?

Weil sich da keiner drum scheren wollte. Man ist ja immer beteiligt an der Geschichte. Das kann gutgehen, kann auch nicht gut gehen. Das kann mit Flüchtlingen immer gut gehen, es kann auch funktionieren.

Dann wurde plötzlich angefangen zu baggern. War das vor oder nach der Versammlung mit dem Bürgermeister?

Es gab nur diese eine Versammlung. Da waren 140 Leute aus beiden Dörfern. Und auf dieser Versammlung kam ein sehr großer Unmut auf, weil die Anwohner auch nur sporadisch ein paar Tage vorher informiert worden.

Und wer hatte die Versammlung einberufen? Aus welchem Grund?

Der Ortsvorsteher aus dem Nachbardorf.

Also ist man zusammengekommen wegen dieser Container. Wann war das?

Das war am Dienstagabend. Und Mittwochmorgen hat der Bagger angefangen.

Nun waren 140 Leute aus dem Dorf versammelt. Was ist diesen Versammelten offenbart worden vom Worpsweder Bürgermeister bzw. dem Ortsvorsteher?

Dass das der einzige Standort ist, alle anderen Standorte habe man geprüft, und da wird jetzt morgen gebaut. Und da hat der einzelne Bürger sowieso nichts zu sagen, und es sei alternativlos. Ab morgen wird gebaut.

In Planung ist eine Art Containerdorf mit 24 Wohncontainern für zunächst 48 Bewohner?

Ja, genau.

Wer baut das jetzt dort?

Das ist komplett abgegeben an einen Bauunternehmer hier sogar aus dem Dorf.

Und der hat jetzt Probleme mit der Dorfgemeinschaft? Stellt sich der Bauunternehmer hier gegen die Dorfbewohner?

Ich glaube, das ist noch nicht einmal das Problem. Denn er selbst nimmt ja auch nur den Auftrag an, welchen ihm die Gemeinde gibt. Die Stimmung auf dem Bau ist überall schlecht. Das wissen wir auch, bevor wir nachher den Arbeitgeber gar nicht mehr im Dorf haben. Es gibt ein paar Leute, die gucken ihn jetzt vielleicht komisch deswegen an, aber wir können ja alle logisch denken.

Aber jetzt ist ein Problem entstanden. Der Bagger vom Bauunternehmer ist kaputt ...

Genau, das war wieder ein Subunternehmer von ihm, der die Erdarbeiten macht. Und da ist der Bagger sabotiert worden. Und zwar so professionell sabotiert worden, dass das keine spielenden Kinder gewesen sein können. Da war jemand dran, der wohl wusste, was er da tat.

Das heißt, der Bagger hat seine Arbeit begonnen, aber er konnte sie jetzt nicht weiterführen ...

Das passierte am Donnerstag und stand dann Freitag oder Samstag schon in der Zeitung, dass der Staatsschutz deswegen ermittelt. Und heute morgen waren sie bei mir an der Tür, weil alle Leute werden angeblich angesprochen, die auf dieser Versammlung was Negatives zur Flüchtlingsunterkunft gesagt haben. Da wird angeblich jetzt überall der Staatsschutz vorstellig.

Oder war der Staatsschutz vielleicht schon auf der Versammlung?

Das kann ich nicht genau sagen.

Oder wer könnte die Namensliste gemacht haben betreff der Leute, die eine Ansprache vom Staatsschutz erhalten sollen?

Es gab zwar eine Anwesenheitsliste, aber daraus resultiert ja nicht, wer den Mund aufgemacht hat. Ich gehe davon aus, dass es eher vom Bürgermeister kommt, von seinen Mitarbeitern, die da waren, dass die sich nachher die Namen aufgeschrieben haben, von denen, die am lautesten was gesagt haben, um die jetzt einzuschüchtern. Aber das ist nur meine Vermutung.

In welcher Zeitung stand das?

In der Wümme-Zeitung beziehungsweise im Weser Kurier.

Und da stand tatsächlich das Wort „Staatsschutz“?

Genau, „jetzt ermittelt der Staatschutz“.

Der Staatsschutz klingelte bei Ihnen auf dem Hof, Sie sind aber nicht da. Was passierte dann?

Die haben meine Frau angesprochen. Die wollten zuerst nichts sagen und haben ihr dann aber doch erklärt, worum es geht.

Und ihre Frau war erst mal erschrocken?

Nein, durch Corona kennen wir ja schon einiges.

Das heißt, dass Sie auch in der Coronamaßnahmen-Kritik eine bestimmte Rolle gespielt haben?

Ja, genau.

Waren Sie jetzt auch bei den Bauern-Protesten aktiv? Wie viele Landwirte waren da aus Ihrer Region?

Auf jeden Fall. Und nein, so viel aktive, große Landwirte sind wir gar nicht mehr.

Wie viel gibt's da in etwa bei Ihnen?

Wir sind hier noch drei Vollerwerbsbetriebe.

Jetzt muss also ein Grundstück gefunden werden. Warum hat niemand das gute Geld genommen? Wer hat da letztlich zugeschlagen?

Ein Landwirt hier aus dem Übernachbardorf. Das ist halt jemand, dem die Sache an sich schon auf deutsch gesagt scheißegal ist.

Weil ...

Weil er so ist, der ist halt so.

Sie hatten im Vorgespräch die Vermutung geäußert, dass es auch darum gehen kann, Bauland zu erhalten in Zukunft?

Genau. Der Nachbar bekommt seinen Carport nicht genehmigt. Aber wenn die Gemeinde etwas baut oder der Landkreis, dann wird mitten auf der Wiese ein Containerdorf hochgezogen.

Und sie hatten jetzt die Vermutung, dass damit vielleicht auch das Bauland näher kommt für den Besitzer ...

Genau!

Wie kommen sie darauf?

Weil das logisch ist. Es ist ja dann schon eine bebaute, erschlossene Fläche. Auch wenn uns auf der Versammlung hoch und heilig versprochen wurde, nach fünf Jahren kommt das Ding auf jeden Fall wieder weg. Aber mal ernsthaft: Wenn ich da mehrere 100.000 Euro investiere, dann plane ich doch nicht damit, dass ich es nach fünf Jahren wieder abreißen lasse.

Wer hat das gesagt, dass das wieder wegkommt?

Der Bürgermeister, das wollte er uns hoch und heilig versprechen auf der Versammlung.

Wurde auch darüber gesprochen, wer da kommen soll? War von Familien die Rede oder eher von jungen Männern?

Der Bürgermeister hat versucht, die Veranstaltung zu vertrösten. Er sagte, sie versuchen das nachzufragen. Aber es wird ja dann doch zugeteilt, das heißt, sie können Wünsche äußern, aber dem muss ja nicht stattgegeben werden.

Gibt es denn bisher Probleme mit Zuwanderern?

Na ja, wir hatten im Nachbardorf auch schon eine Messerstecherei. Das kommt hier normalerweise nicht vor, und das waren auch Flüchtlinge. Deswegen waren die Leute auch gerade so aufgebracht, weil die Gemeinde erzählt, alles gut, es sei nie was gewesen. Aber das war schon ein großer Polizeieinsatz wegen dieser Messerstecherei. Der Bürgermeister sagte, es gab nie Probleme. Aber die Leute haben es ja selbst gesehen.

Jetzt geht es aber eigentlich um Integration. Aber jetzt wird schon händeringend nach Unterbringungen gesucht. Gibt es denn bei ihnen irgendwelche Integrationsmaßnahmen?

Das hat ja in Teilen funktioniert.

Arbeiten die Zuwanderer denn mit?

Das hat bei uns auf dem Hof leider nicht geklappt.

Warum nicht?

Weil er psychische Probleme hatte.

Was für einen Landsmann hatten Sie da auf dem Hof zur Hilfe?

Ich meine, der war Nordafrikaner. Es gibt auch ein paar, die sich integriert haben, wo das super funktioniert hat. Aber immer in kleinen Einheiten, also diese drei oder vier Familien, wo sich die Nachbarschaft drum kümmert, die dann mitgenommen werden, wo die Kinder auch eine Ausbildung machen. Aber sobald das Ganze größer wird, dann assimiliert das nicht mehr.

Nochmal kurz zum Staatsschutz. Der war nun bei Ihrer Frau, Sie waren nicht da, und dann gab es quasi eine verkürzte Ansprache für ihre Frau. Was wurde Ihrer Frau da erzählt?

Erstmal solle sie vorsichtig sein, was sie sagt, weil alleine schon eine Beleidigung, zum Beispiel „Arschloch“ oder so was, würde strafrechtlich verfolgt.

Eine Beleidigung in Richtung des Bürgermeisters?

Denke ich. Aber das haben sie so nicht gesagt. Was sie ganz klar gesagt haben, dass auf der Versammlung – und das ist es, was mich so schockt – dass auf der Versammlung die Namen notiert wurden von denjenigen, die sich negativ der Sache gegenüber geäußert haben, und die werden jetzt besucht.

Das hat der Staatsschutz ihrer Frau gegenüber gesagt?

Genau. Das ist ja wie in der DDR, als wenn die Jungs mit dem grauen Mantel kommen und erzählen, dass man im Betrieb lieber die Klappe hält, sonst kann der Junge nicht mehr studieren.

Danke für das Gespräch!

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