Im Interview: Gerhard Wisnewski zur Festnahme von Daniela Klette

RAF-Terroristin Klette verhaftet – Waren die Attentate der dritten RAF-Generation Geheimdienstoperationen?

von Alexander Wallasch (Kommentare: 8)

„Wir hatten sogar einen Vorabdruck des RAF-Phantom im SZ-Magazin.“© Quelle: privat

Gestern wurde die ehemalige RAF-Terroristin Daniela Klette verhaftet. Sie soll der dritten Generation der RAF angehört haben. Alexander-Wallasch.de spricht dazu mit Gerhard Wisnewski, dem Bestsellerautor von „Das RAF-Phantom“.

Der ehemalige WDR-Mitarbeiter und Bestsellerautor Gerhard Wisnewski schrieb 1992 mit „Das RAF-Phantom“ einen vieldiskutieren Bestseller, der die Existenz der RAF ab Mitte der 1980er Jahre bestreitet und behauptete, die Terroranschläge ab 1985 seien Aktionen westlicher Geheimdienste unter falscher Flagge gewesen.

Jetzt ist über dreißig Jahre später mit der Verhaftung von Daniela Klette in Berlin-Kreuzberg ein RAF-Phantom wieder aufgetaucht. Höchste Zeit mit Gerhard Wisnewski zu sprechen. Im Interview mit Alexander-Wallasch.de:

Sie haben 1992 mit „Das RAF-Phantom“ einen Besteller über die sogenannte dritte Generation der Roten Armee Fraktion geschrieben. Das ist über 30 Jahre her. Und jetzt lesen Sie in den Nachrichtenportalen, die ehemalige RAF-Terroristin Daniela Klette sei festgenommen worden. Was löst diese Nachricht in Ihnen aus?

Das löst Erinnerungen aus an andere Fälle, die es ja schon vor Jahrzehnten gab, als plötzlich sogenannte RAF-Terroristen der dritten Generation aufgetaucht sein sollen. Das war, glaube ich, 1996, als sich beispielsweise Christoph Seidler stellte, der zeitweise für die angebliche Beteiligung an dem Herrhausen-Attentat gesucht worden war, und sich dann herausstellte, das Ganze war eine einzige Luftnummer.

Der Mann hatte ein Alibi, der war meines Wissens im Ausland die ganzen Jahre, und der wurde also umgehend wieder auf freien Fuß gesetzt. Das heißt, die Bundesanwaltschaft, das Bundeskriminalamt operieren hier im Fall der Roten Armee Fraktion der dritten Generation sowieso mit lauter Luftnummern.
Deswegen haben wir auch unser Buch damals „Das RAF-Phantom“ genannt. Nach damaligem Stand gab es überhaupt keine Beweise für die Existenz einer dritten Generation. Die bestand hauptsächlich aus V-Leuten und aus anderen Personen, die oft mit den Attentaten nichts zu tun hatten. Das Erscheinen von Frau Klette ändert überhaupt nichts an der These des RAF-Phantoms.

Daniela Klette tauchte über 30 Jahre unter. Sie haben für ihre Buchrecherche Anfang der 1990er Jahre mit Leuten gesprochen, die ebenfalls länger im Untergrund waren um sich der Festnahme zu entziehen. Haben Sie ein Gefühl dafür entwickelt, was das für Frau Klette bedeutet haben könnte, 30 Jahre lang untergetaucht zu leben? Sie ist jetzt in Berlin-Kreuzberg aufgegriffen worden ...

Die Frage ist ja, war die Frau wirklich untergetaucht, oder wurde sie etwa die ganze lange Zeit über nicht weiterverfolgt und einfach nicht festgenommen? Man kann davon ausgehen, dass die Behörden oft sehr genau wissen, wo sich diese Leute aufhalten. Man hat sie meiner Meinung nach aber ganz gern weiter auf den Fahndungsplakaten, um das RAF-Phantom am Leben zu erhalten. Wir hatten das zum Beispiel auch bei diesen sogenannten Terroristen, die sich in Wirklichkeit über Jahrzehnte in der DDR befanden ...

Wie Inge Viett beispielsweise ...

... genau ... und die hier gesucht wurden als die großen RAF-Terroristen, aber meines Wissens für Attentate, die sie gar nicht begangen haben konnten. Es ist so viel Vertuschung auch im Bereich der Behörden vorhanden, dass man noch gar nichts sicher sagen kann.

Nun soll dieses Trio – neben Klette werden Burkhard Garweg, und Ernst-Volker Wilhelm Staub ­genannt — von 1999 bis 2016 etliche schwere Raubüberfälle begangen haben, etwa Überfall auf Geldtransporte mit teils spektakulären Waffen wie Panzerfäusten und mit Millionenschaden ...

Ja, das ist auch interessant, vor allen Dingen die Professionalität dieser Raubüberfälle, die militärische Qualität, sag ich mal, und dann auch noch die Fähigkeit, sich bei solchen schweren Straftaten so lange der Festnahme zu entziehen. Da weiß ich nicht, was ich davon halten soll. Oft sind ja diese Leute nicht wirklich militärisch ausgebildet gewesen, schon gar nicht an schweren Waffen, die man braucht, um Panzerfahrzeuge zu zerstören. Da ist auch sehr viel Behördenfantasie dabei. Und es wird sich erst noch herausstellen, was da überhaupt dran ist.

Man muss sich tatsächlich fragen, wo solche Leute an so schweres Gerät wie Panzerfäuste herankommen. Die liegen ja nicht auf Straße herum. Da braucht es doch eine hohe kriminelle Energie und Logistik ...

Da ist auch unglaublich viel Desinformation unterwegs. Es wird dann erzählt, die wurden hier gesichtet oder dort gesichtet, und sie sollen jetzt jenes tun, oder sie sollen jetzt Banküberfälle verüben, oder sie sollen jetzt ganz im Ausland sein, und so weiter. Die Attentate der dritten Generation sind aus meiner Sicht Geheimdienstoperationen gewesen. Und deswegen müssen wir jetzt wirklich erst einmal warten, bis sich die Nebel lichten und bis hoffentlich eine seriöse Justiz die Arbeit aufnimmt.

Ihre Kernthese war 1992, dass Opfer wie Herrhausen und Rohwedder politisch und wirtschaftlich Andersdenkende gewesen seien, die für die herrschenden Machtstrukturen unbequem wurden. Nun werden Frau Klette und ihren Mitstreitern solche Attentate gar nicht vorgeworfen, im Wesentlichen geht es wohl um die Raubzüge. Und da stellt sich tatsächlich die Frage, was der Geheimdienst damit bezweckt, jedenfalls, wenn man Ihrer These folgt ...

Wenn meine These richtig ist, und davon gehe ich aus, dass es in Wirklichkeit um wirtschaftliche Interessen ging, dann waren diese sogenannten RAF-Leute nur Sündenböcke. Man hat sie als V-Leute teilweise angeworben, man hat sie wegen kleinerer Vergehen angeklagt oder aber verfolgt und dann dazu gebracht, zu kooperieren. So läuft das meistens mit V-Leuten. Das berühmteste Beispiel ist Andreas Baader selbst. Der hatte ursprünglich nie was mit Politik am Hut gehabt, sondern er war lediglich ein Kleinkrimineller und Autodieb, der dann aufgrund dessen in die Fänge der Behörden geriet und kooperierte.

Sie stehen weiterhin zu den Kernthesen ihres Buches? Das hat ja damals für großen Aufruhr gesorgt. „Das RAF-Phantom“ wurde ein großer Bestseller. Damals stellte man sie aber noch nicht in die Ecke der Verschwörungstheoretiker. Ihre Thesen von der nichtexistenten dritten RAF-Generation wurden auch in den Leitmedien diskutiert und bei den Öffentlich-Rechtlichen. Oder gab es damals bereits erste Anzeichen dafür, dass man in Ihnen als Autor einen Staatsfeind gesehen hat?

Das ging sogar ungefähr zehn Jahre so weiter, dass man mich nicht weiter diffamiert hat, bis dann eben 9/11 kam, das heißt, bis der Phantom-Terrorismus auf globaler Ebene wieder auferstanden ist. Und darüber habe ich dann auch ein Buch geschrieben, welches auch wieder ein Besteller wurde. (Gerhard Wisnewski, Operation 9/11: Angriff auf den Globus)

Dieses Buch hatte dann also wieder ins Schwarze getroffen, aber bei einer wesentlich größeren Sache. Das war dann der Casus Belli zwischen den Mainstreammedien und mir, die ja nichts weiter als Propaganda-Anstalten sind. Die haben mich als Verschwörungstheoretiker abgestempelt, um die Thesen und Fakten dieses Buch zu stigmatisieren. Das RAF-Phantom hatte man mir dagegen noch als Unfall quasi gutgeschrieben, weil ich dann knapp zehn Jahre sozusagen „unauffällig“ als Journalist gearbeitet habe ...

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Sie kamen von den Öffentlich-Rechtlichen. Sie waren ein etablierter, angesehener Journalist zu dem Zeitpunkt ...

Ja, absolut. Wir hatten sogar einen Vorabdruck des RAF-Phantom im SZ-Magazin. Das hatte unglaublich Aufsehen erregt. Und ich habe damals auch an führender Stelle im SZ-Magazin geschrieben. Da hingen zum Wochenende Plakate mit meinen Artikelüberschriften in der ganzen Stadt München verteilt herum.

Aber die Süddeutsche Zeitung hat noch nicht bei Ihnen um ein Interview zu Frau Klette gebeten? Ihr RAF-Phantom ist ja quasi nach über drei Jahrzehnten leibhaftig aufgetaucht ...

Nein, ich rede auch gar nicht mehr mit dem Mainstream über solche Fragen, das ist auch vollkommen sinnlos.

Jetzt wäre es ein Leichtes, Ihnen vorzuwerfen: Naja, der Gerhard Wisnewski hatte mit dem RAF-Phantom einen Mega-Erfolg gehabt mit einer tollkühnen Geschichte und dann musste es eben 9/11 sein, um das noch zu toppen. Was wäre hier Ihre Antwort?

Das ist ganz einfach: Das RAF-Phantom war für mich der Einstieg in diese ganze Behörden- und Medien-Desinformationen. Das RAF-Phantom war ein Lehrstück, wie Behörden, Polizeien und Ermittlungsbehörden überhaupt arbeiten. Mit dem RAF-Phantom habe ich mir das Handwerkszeug geholt, um solches Zeug zu entlarven, und mit diesem Handwerkszeug bin ich dann immer weiter an solche Ereignisse rangegangen und habe gemerkt, dass da in vielen Fällen etwas faul ist.

Was glauben Sie, wie das mit Frau Klette jetzt weitergeht? Sie ist festgenommen worden, es wird gesagt, es fehlten noch zwei ihrer Mittäter. Ein bisher unbekannter Mann ist ebenfalls festgenommen worden. Was ist ihre Prognose, wie sich das ausläuft? Die Frau ist ja auch schon über 60 Jahre alt ...

Die Behörden müssen jetzt erst einmal die Beweise auf den Tisch legen für ihre Vorwürfe gegenüber dieser Frau. Ja, und da gab es ja schon diverse Riesenpleiten für diese Ermittlungsbehörden. Die Bundesanwaltschaft hat da schon mehr als einen Schuss in den Ofen getätigt bei solchen Ermittlungen. Das sind überhaupt völlig unfähige Behörden in Sachen RAF, denn diese schwerwiegenden Attentate auf führende Persönlichkeiten der Bundesrepublik wie Herrhausen, Rohwedder, von Braunmühl, sind seit über 30 Jahren unaufgeklärt. Das leisten sich diese sogenannten „Kriminalisten“.

Das muss man sich einmal vorstellen, und dabei haben sie bei Mord normalerweise eine Aufklärungsquote von 95 Prozent. Bei bekannten Morden jedenfalls. Also bei Todesfällen, bei denen man weiß, das ist ein Mord gewesen - die werden zu 95 Prozent aufgeklärt, und bei den Taten der dritten Generation haben sie eine Aufklärungsquote von praktisch null Prozent! Da müssen diese Behörden mal erklären, was da eigentlich faul ist.

Jetzt stammt diese linke und grüne Klientel der Ampelregierung potenziell aus einer Generation mit hoher Heldenverehrung für die RAF mindestens der ersten Generation. Was macht das eigentlich mit unserer aktuellen politischen Situation. Können sie das so ein bisschen auflösen?

Ich höre da jetzt bei Ihnen raus, dass das für manche Menschen so eine Art Mythos ist ...

Ja, so in etwa ...

... da kann ich nur sagen, das waren äußerst prekäre Persönlichkeiten. Die meisten von denen waren kriminelle Drogenabhängige, die auch über Drogen gesteuert wurden von den Diensten. An denen ist absolut Nullkommanichts bewunderungswürdig. Der sogenannte Kampf von denen war absoluter Irrsinn. Der hat nur einen totalitären Staat herausgekitzelt, und das sollte er auch. Also an dieser sogenannten RAF, egal welche Generation, gibt es absolut definitiv nichts, was ich irgendwie hätte gut finden können oder gut finden würde, oder was irgendeinen Mythos oder Nostalgie wert wäre.

Aber Leute etwa wie Otto Schily und Christian Ströbele, vielleicht sogar bis hin zu Horst Mahler in seiner linksextremistischen Frühphase, die haben das sehr genährt. Dann gab es diese bleierne Zeit, Filmemacherinnen wie von Margarethe von Trotta und andere. Das war schon der kulturelle Treibsand für mache Protagonisten der aktuellen Regierenden, könnte man den Eindruck haben ...

Natürlich, man könnte jetzt ganz gemein werden, wenn man die in die Nähe der Roten Armee Fraktion stellen würde. Bestimmte Elemente sind vielleicht sogar erkennbar, jedenfalls, was das linksradikale Element angeht. Die amtierende Regierung ist ja auch linksradikal. Aber ich will da jetzt nichts weiter unterstellen. Wobei, es gibt da tatsächlich unglaubliche Sachen, nämlich dass laut einem Informanten die Tatwaffe im Fall der Ermordung von Heinz-Herbert Karry – das war der hessische Wirtschaftsminister, der angeblich von revolutionären Zellen erschossen wurde – in einem Auto von Joschka Fischer transportiert wurde.
Fischer wurde eine ganze Weile mit dem Mord in Verbindung gebracht. Heute heißt es, der Informant habe gelogen. Da gibt es noch viel aufzuklären. Ich bezweifle aber, dass unsere Behörden das überhaupt wollen. Die grüne Regierung schon gar nicht. Und sie dürfen eines nicht vergessen, die Bundesanwaltschaft, die zuständig ist in Terrorismus-Verfahren, ist keine unabhängige Ermittlungsbehörde, sondern untersteht der Bundesregierung, und demnach muss man das alles mit Vorsicht genießen.

Vielleicht noch ein Blick auf die Antifa. Haben sie denn das Gefühl, dass diese Antifa, wie sie heute auftritt, wie sie von Leuten wie Renate Künast, von der SPD-Chefin Saskia Esken dauerhaft finanziell gefördert werden soll, sehen Sie in dieser Antifa ein Potenzial für echten Terrorismus?

Soweit ich weiß und gehört habe von Leuten, die die Antifa beobachten, sind das auch oft prekäre Persönlichkeiten, die da rumlaufen, schwarz vermummt, tätowiert, gewalttätig und oft in psychologischer Behandlung. Das sind nicht selten auch Soziopathen. Und das ist allgemein betrachtet so ein Milieu, aus dem auch die RAF gekommen ist. In der zweiten RAF-Generation gab es ja sogar mal das Motto: „Irre ans Gewehr!“ Da haben die versucht, aus psychiatrischen Anstalten Kämpfer zu rekrutieren.

Danke für das Gespräch!

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