Eine Berliner Gerichtsverhandlung am Bildschirm

Rechtsanwalt Ulbrich: „Mündliche Verhandlung endet mit Befangenheitsantrag"

von Alexander Wallasch (Kommentare: 3)

Beim Videotermin setzte der Richter abwechselnd seine Maske ab und wieder auf.© Quelle: Pixabay / OpenCliparts-Vectors / berlin.de, Screenshot, Montage B. Willison

Rechtsanwalt Tobias Ulbrich berichtet auf X vom Gerichtstermin eines impfgeschädigten jungen Mandanten gegen Biontech.

Thema heute: "Erste mündliche Verhandlung vor dem Landgericht Berlin II endet im Befangenheitsantrag"

Das Landgericht Berlin änderte kurz vor dem Termin die mündliche Verhandlung ab in eine Verhandlung, die als Videotermin durchgeführt wurde, weil die streikbedingten Verkehrsumstände keine andere Möglichkeit zuließen.

Die Kammer saß bereits 15 min vorher zunächst in Maske zur Vorbesprechung im Gerichtssaal. Da ich mich auch schon 15 min vorher eingeschaltet hatte, konnte ich das wahrnehmen. Anschließend während der Verhandlung setzte der Vorsitzende der Kammer abwechselnd seine Maske ab und wieder auf.

Inhaltlich stieg dann die Kammer damit ein, wie schlimm das SARS-Cov2-Virus gewesen sei und dass sie ein positives Nutzen-Risiko sehen würden. Maßgeblich sei aus Sicht der Kammer abweichend zur sonstigen Rechtsprechung der Stand der medialen Berichterstattung im Zeitpunkt der Impfung. Entsprechend referierte der Vorsitzende, was damaliger Stand vor den Impfungen aus seiner Medienkenntnis gewesen sei, was dazu führe, dass damals ein positives Nutzen-Risiko Verhältnis vorgelegen hätte.

Auch habe die Beklagte alle Fach-und Gebrauchinformationen vor den Impfungen vorgelegt. Auf meinen Hinweis, dass das streitig sei und ob der Kammer diese Fach- und Gebrauchsinformationen vorlägen, wurde dies von der Kammer mit dem Hinweis verneint, dass das auch nicht erforderlich sei, da ja vorgetragen worden sei, dass diese den Behörden vorgelegen hätten. Zum Inhalt der Fach- und Gebrauchsinformationen müsse nichts vorgetragen werden. Auch das bestritten wir mit dem Hinweis, dass der erste PSUR erst im Juli/August überhaupt eingereicht worden sei. Wie also sollen dem Stand der Erkenntnis zum 10.06.2021 Fach - und Gebrauchsinformationen vorgelegen haben?

Die Beklagte wiederholte gebetsmühlenartig, dass diese für jedermann auf ihrer Internetseite herunterzuladen gewesen seien. Ich bestritt das für die Klagepartei, da ich diese nie wie behauptet finden konnte. Heute wurde mir von Ärzten mitgeteilt, dass diese heute auch nur für das Fachpublikum mit übermittelten Zugangsdaten möglich sei. Was damals war, konnte mir auch keiner sagen. Der Grund dafür, dass ich als Rechtsanwalt diese nicht finden und abrufen konnte, wurde somit bestätigt.

Also stimmte die Aussage der freien Abrufbarkeit für jedermann auch nicht.

Mir wurde es dann zu bunt und ich stellte eine Frage zur dienstlichen Stellungnahme, nämlich ob und wie oft die Kammermitglieder mit Comirnaty geimpft wurden. Die Kammer zog sich zur Beratung zurück und erklärte dann, dass sie keine Auskunft erteilen werden.

Wir vertreten die Auffassung, dass dies zum Pflichtenkreis des Richters gehört, darauf aufmerksam zu machen, wenn die an der Sachentscheidung beteiligten Richter persönlich betroffen sind. Dabei stützen wir uns auf folgende Beweggründe:

"Die Selbstablehnung ist eine Dienstpflicht des Richters, die nach er pflichtgemäßem Ermessen auszuüben hat. … Die richterliche Unabhängigkeit aus Art. 97 GG ist eine zentrale Säule des demokratischen Rechtsstaates. Richter sind unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen (Art. 97 Abs. 1 GG, § 1 GVG, § 25 DRiG). Durch die richterliche Unabhängigkeit wird die für den Rechtsstaat unerlässliche Gewaltenteilung garantiert und sichergestellt, dass die an einem Rechtsstreit Beteiligten sich einem neutralen Richter gegenübersehen. Nach Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG darf niemand seinem gesetzlichen Richter ent zogen werden. Das Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG gewährt nicht nur einen Anspruch auf den nach den Gesetzen und de m Geschäftsverteilungs- und Besetzungsregelungen des Gerichte s vorgesehenen zuständigen Richter, sondern garantiert den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens darüber hinaus, vor einem unabhängigen und unparteilichen Richter zu stehen, der die Gewähr für Neutralität und Distanz gegenüber allen Verfahrensbeteiligten und dem Verfahrensgegenstand bietet. … Der Grundsatz, dass niemand in eigener Sache Richterin oder Richter sein darf, ist ein fundamentales rechtsstaatliches Prinzip. Es gehört zum Wesen der richterlichen Tätigkeit, dass sie von nichtbeteiligten Dritten ausgeübt wird. Dies erfordert Neutralität und gleiche Distanz gegenüber allen Verfahrensbeteiligten. Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG gewährleistet, dass die Verfahrensbeteiligten im konkreten Fall vor einem Gericht stehen, dessen Mitglieder die Voraussetzungen der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit uneingeschränkt erfüllen. Während der Schutz der richterlichen Unabhängigkeit … die allgemeine Stellung und Tätigkeit der Richter betrifft …, zielt die Unparteilichkeit auf die Objektivität und Sachlichkeit im Hinblick auf Beziehungen der Richter zu den Beteiligten und zum Streitgegenstand im konkreten Verfahren. … Die Frage, ob Befangenheitsgründe gegen die Mitwirkung eines Richters sprechen, berührt die prozessuale Rechtsstellung der Verfahrensbeteiligten.“ (LG Erfurt, 2 KLs 542 Js 11498/21 vom 23. August 2023)

Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes (1 BvR 1615/23) vom 15. Januar 2024:
„Die richterliche Tätigkeit erfordert daher unbedingte Neutralität gegenüber den Verfahrensbeteiligten. Das Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gewährt deshalb nicht nur einen Anspruch auf den sich aus dem Gerichtsverfassungsgesetz, den Prozessordnungen sowie den Geschäftsverteilungs- und Besetzungsregelungen des Gerichts ergebenden Richter, sondern garantiert auch, dass der Betroffene nicht vor einem Richter steht, der aufgrund persönlicher oder sachlicher Beziehungen zu den Verfahrensbeteiligten oder zum Streitgegenstand die gebotene Neutralität vermissen lässt. Dieses Verlangen nach Unvoreingenommenheit und Neutralität des Richters ist zugleich ein Gebot der Rechtsstaatlichkeit. “ (BVerfG a.a.O. RdNr. m.w.N)

Darüber hinaus wurde der böse Schein der Besorgnis der Befangenheit auch gleich durch mehrere unsachliche Ausführungen der Kammer (s.o.) untermauert, so dass uns in der Gesamtschau gar nichts anderes übrig blieb, als einen Befangenheitsantrag zu stellen.

Der persönlich anwesende Kläger, ein junger Mann, der schwerste gesundheitliche Schäden davongetragen hatte, wollte dies so und er wunderte sich, dass derart kalt und empathielos ein Gericht über seinen Vortrag hinweggeht, als ginge es gar nicht um sein Leben, sondern das Ziehen eines Tickets am Parkautomaten.

Die Kammer erklärte, dass sie den Befangenheitsantrag für zulässig ansehe, und wolle nun diesen dem 4. Mitglied der Kammer sowie zwei weiteren Kammermitgliedern aus anderen Kammern zur Beratung und Beschlussfassung darüber vorlegen.

Dann brachen sie die Verhandlung ab mit den Worten "Na, Sie haben ja jetzt alles gesagt", dann bestimmen wir mal einen Verkündungstermin. Natürlich hatte ich nichts in der Sache, sondern nur zur Besorgnis der Befangenheit geäußert, so dass auch insoweit das rechtliche Gehör abgeschnitten war. Wer will es aber der Kammer verübeln, nachdem im Termin ein Befangenheitsantrag gestellt worden war.

Rechtsanwalt Tobias Ulbrich auf X

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