Merz schweigt: Polen führt Deutschland weiter am Nasenring

Seit 5:45 Uhr wird geschwiegen: Lässt Deutschland Nord-Stream-Attentäter laufen?

von Alexander Wallasch (Kommentare: 5)

Merz lässt klare Worte gegenüber Tusk vermissen© Quelle: Youtube/Tagesschau, Screenshot

Polen blockiert die Auslieferung eines Nord-Stream-Verdächtigen – und Deutschland schaut zu. Warum ignoriert die Bundesregierung Tusks Provokation?  

Und warum wurde einer der mutmaßlichen Attentäter der Nord-Stream-Pipeline überhaupt festgenommen, muss man Polen fragen, wenn er jetzt nicht ausgeliefert werden soll? Wenn man ein Interesse daran hätte, den Mann zu befragen, hätten das auch die polnischen Geheimdienste ohne viel Aufhebens erledigen und den Mann dann seiner Wege gehen lassen können.

Stattdessen nutzt der polnische Ministerpräsident die Gelegenheit, Deutschland als Deppen Europas darzustellen, indem Donald Tusk einen europäischen Haftbefehl einfach ignoriert und erklärt, er werde den am vergangenen Dienstag von polnischen Sicherheitsbehörden in der Nähe von Warschau festgenommenen ukrainischen Taucher Wolodymyr Sch. „ungern“ ausliefern.

Seine Begründung lieferte Tusk auf einer Pressekonferenz gleich dazu:

„Das Problem Europas, der Ukraine, Litauens und Polens ist nicht, dass Nord Stream 2 gesprengt wurde, sondern dass es gebaut wurde.“

Der größte Sabotageakt, den Europa je erlebt hat, wird hier von einem Staatschef eines EU-Mitgliedslands auf offener Bühne gerechtfertigt. Und wie reagiert das von diesem Sprengstoffanschlag betroffene Deutschland? Im Prinzip gar nicht. Was der direkt dem Kanzler unterstellte Sprecher der Bundesregierung, Steffen Kornelius, vorgestern auf der Bundespressekonferenz zu diesem Thema geboten hat, war unterirdisch.

Aber niemand der fragenden Journalisten hat den ehemaligen SZ-Mitarbeiter darauf hingewiesen, dass das, was er da ablieferte – oder eben nicht ablieferte –, nicht akzeptabel sei. Es war zunächst ein osteuropäischer Fragesteller, der vom Sprecher wissen wollte, wie Berlin auf diesen Affront zu reagieren gedenkt.

Kornelius verwies darauf, dass das Verfahren beim Generalbundesanwalt in Karlsruhe liege. Wörtlich sagte der Sprecher von Merz: „Die Bundesregierung ist nicht Teil dieser Ermittlungen, deshalb werde ich mich nicht dazu äußern.“

Das ist zunächst schon inhaltlich falsch. Der Generalbundesanwalt ist ein politischer Beamter und abhängig von der Bundesregierung. Er kann von der Regierung sogar Einzelanweisungen bekommen. Er hat die kriminal- und sicherheitspolitischen Ansichten und Ziele der jeweils amtierenden Bundesregierung zu teilen und untersteht direkt der Dienstaufsicht des Justizministers, an dessen Weisungen er gebunden ist. Solche Weisungen müssen schriftlich erfolgen und können angefochten werden, aber sie sind bindend. Und das Innenministerium hat im Rahmen der Richtlinienkompetenz zu tun, was der Kanzler sagt. Die Aussagen von Kornelius sind schon juristisch falsch.

Aber der Sprecher der Bundesregierung belässt es nicht dabei, er erklärt der Bundespressekonferenz weiter: „Die Justiz arbeitet in dieser Frage unabhängig“, was falsch ist, aber von den fragenden Kollegen nicht beanstandet wird.

Ein weiterer osteuropäischer Kollege erneuert die Frage, wie sich die Bundesregierung gegenüber den Aussagen von Tusk aufzustellen gedenkt. Antwort des Sprechers der Bundesregierung:

„Diese Aussage haben wir zur Kenntnis genommen. Wir kommentieren sie nicht. Die Bundesregierung hat ein hohes Interesse daran, dass die Hintergründe juristisch aufgeklärt werden.“

Dazu müsse man die Entscheidung der polnischen Justiz abwarten.

Dann versucht es auch Florian Warweg von den Nachdenkseiten noch einmal.
Antwort des Sprechers hier:

„Nach unserer Sicht ist es ein Vorgang, der bei der deutschen Justiz und der polnischen Justiz liegt, und insofern würde ich das auch dort belassen. Was andere dazu kommentieren, habe ich nicht zu kommentieren.“

Selbstverständlich liegt der Vorgang bei der weisungsgebundenen Bundesregierung, das sollte auch Steffen Kornelius wissen. Und der polnische Staatschef ist mehr als nur „andere“.

Der fragende Journalist Warweg will weiter wissen, welche Konsequenzen die Bundesregierung aus dem ukrainischen Hintergrund der Sprengung zu ziehen gedenkt, sollte sich dieser bestätigen. Antwort des Sprechers:

„Die Erkenntnisse, die Sie zitieren, sind der Bundesregierung in diesen Details nicht bekannt. Deshalb werde ich sie auch nicht kommentieren.“

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Noch eine Antwort des Sprechers der Bundesregierung:

„Die Beziehungen der deutschen Regierung zur ukrainischen Regierung sind exzellent. Sie wissen, dass Deutschland der wichtigste Unterstützer der Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen die russische Aggression ist. Und daran wird sich nichts ändern.“

Daran wird sich nichts ändern? Übersetzt bedeutet das: Ganz gleich, ob die Ukraine die deutsche Pipeline gesprengt hat, es wird für die Ukraine folgenlos bleiben. Das wiederum gibt Raum für Spekulationen, ob die Bundesregierung überhaupt ein Interesse an einer Auslieferung eines der mutmaßlichen Attentäter hat.

Dann versucht es noch einmal eine Reporterin des Bayerischen Rundfunks. Auch sie bekommt keine vernünftige Antwort. Kornelius verweist darauf, dass Deutschland ein Rechtsstaat sei, das Verfahren liege bei der deutschen Justiz. Diese Justiz verfolge die Interessen, die ihr der Rechtsstaat und das Gesetz vorgeben.

Und weiter: „Deshalb hat die Bundesregierung sich dort nicht einzumischen.“

Die Äußerungen des polnischen Premiers stünden für sich. Die habe er nicht zu kommentieren. Sagt der Sprecher von Merz, der aber nicht nach seiner Meinung gefragt wurde, die niemanden interessiert, sondern nach der Meinung der Bundesregierung, sprich nach der des Bundeskanzlers. Auch die Sprecherin des deutschen Justizministeriums verweigert die Aussage.

Am Montag entschied ein polnisches Gericht, dass der Festgenommene weitere 40 Tage in Haft bleiben wird. Die Zeit soll genutzt werden, den europäischen Haftbefehl zu prüfen. Grundsätzlich ist Polen wie jeder andere EU-Staat verpflichtet, den Haftbefehl auszuführen, es sei denn, es liegen enge, im Rahmenbeschluss geregelte Gründe vor. Eine Verweigerung ohne solche Gründe würde eine Verletzung des EU-Rechts darstellen. Solche Gründe sind zurzeit nicht erkennbar.

Die Verteidigung des Mannes argumentierte gegenüber dem polnischen Gericht, die Vollstreckung des europäischen Haftbefehls sei angesichts des russischen Krieges in der Ukraine unzulässig. Wenn sich Polen weigern sollte, dem Auslieferungsantrag nachzukommen, kann Deutschland diese Entscheidung vor dem Europäischen Gerichtshof anfechten, falls sie EU-Recht verletzt.

In diesem Zusammenhang interessant kann sein, dass der EuGH zuletzt festgestellt hat, dass weisungsgebundene Staatsanwälte aufgrund dieser Abhängigkeit grundsätzlich keine europäischen Haftbefehle ausstellen dürfen, wenn besagte Weisungen eine unabhängige Entscheidung verhindern könnten.

Der damalige grüne Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck hatte sich Ende Februar 2022 zum Nord-Stream-Projekt dahingehend geäußert, dass es klüger gewesen wäre, die Gaspipeline Nord Stream 2 zwischen Russland und Deutschland überhaupt nicht zu bauen. Ein halbes Jahr später wurde die Pipeline gesprengt.

Als Russland eine Beteiligung an der Sprengung von sich wies, hatte Habeck zudem erklärt: „Die einzige Wahrheit, die aus Russland kommt, ist die Lüge.“

Wahrscheinlicher ist nun allerdings, dass Russland die Wahrheit gesagt und die Ukraine gelogen hat, als sie Russland der Täterschaft bezichtigte.

Die Aussagen des polnischen Staatschefs werden von der Bundesregierung nicht kommentiert. Das ist nicht nur ein Versäumnis, das hat auch nichts mit Stärke zu tun. Hier sind klare Worte der Bundesregierung zwingend, alles andere wäre Kumpanei.

Die Bundesregierung ist verpflichtet, alles Erforderliche zu tun, die Sprengung aufzuklären. Sie hat den Generalbundesanwalt anzuweisen, alle Maßnahmen zu ergreifen, die Auslieferung des Verdächtigen voranzutreiben – einschließlich einer scharfen Erwiderung in Richtung Donald Tusk.

Die Bundesregierung kann sich auch nicht damit herausreden, die Sache läge bei der Justiz. Denn noch Mitte Juli hatte sich der deutsche Außenminister an Ungarn gewandt und sich für bessere Haftbedingungen eingesetzt. Damals erklärte Wadephul, man werde in dieser Sache „kommende Woche erneut in Ungarn vorstellig werden. Unsere Bemühungen setzen wir intensiv fort.“

Das ist jene Intensität, die die Bundesregierung bezüglich des Nord-Stream-Attentats und der Aussagen von Tusk vermissen lässt. Eine mutmaßliche linksextremistische potenzielle Totschlägerin ist der Bundesregierung demnach wertvoller als die Aufklärung eines Attentats, das – so es auf die Ukraine hinweist – notwendigerweise sofort jedwede Beziehung und Kriegsbeteiligung auf Eis legen muss.

Deutschland heißt in Polen übrigens historisch „Niemcy“, das steht für „Die Stummen“.

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