Der Fall verbreitet sich aktuell rasant in den sozialen Medien. Die Erregungskurve steigt. Ein Schüler eines Gymnasiums in Freiburg soll ein Meme verbreitet haben, in dem er Bezug nimmt auf den Auftritt eines Jugendoffiziers der Bundeswehr an seiner Schule. Dafür, so heißt es in verschiedenen Meldungen von heute, sei der Schüler angezeigt worden.
„Junge Welt“ titelte: „Wehrkraftzersetzer des Tages: Gymnasiasten“ und der „tkp“-Blog schreibt dazu: „Anzeige gegen Schüler wegen Anti-Kriegs-Posting“.
„Junge Welt“ wird von „tkp“ zitiert:
„Das Motiv zeigt einen Jugendoffizier mit Waffe vor einer Schulklasse, darauf der kriegskritische Satz: ‚Also Kinder, wer von euch würde gerne an der Ostfront sterben?‘ ‚Solche Manöver lässt ein gestandenes Heer nicht unbeantwortet, seit dieser Woche wird zurückgeschossen‘, schreibt die Junge Welt dazu.“
Zudem gibt es seit drei Tagen eine Spendensammlung via „gofundme“, die mutmaßlich vom Schüler selbst eröffnet wurde und mittlerweile über 1500 Euro eingebracht hat. Entlang des Veröffentlichungszeitpunkts hat die Verbreitung der Spendensammlung in den sozialen Medien samt des dazugehörigen Textes überhaupt erst die Berichterstattung ausgelöst.
Alexander-Wallasch.de sprach am Nachmittag mit der „Unternehmenskommunikation“ der Schule, an der sich der Fall ereignet hatte. Danach allerdings stellt sich der Vorfall ganz anders dar: Der Schüler soll für ein ganz anderes Meme als die in den Medien verbreitete moderate Kritik in Grafikform von der Bundeswehr angezeigt worden sein.
Vielmehr soll ein Foto des vortragenden Jugendoffiziers verfremdet worden sein, der Vertreter der Schule deutet an, dass es ein „Kontext SS“ gegeben habe und der Jugendoffizier auch namentlich genannt wurde. Das Verfahren sei zudem bereits im Sommer eingestellt worden.
Interessant an dem Fall ist, dass es sich bei besagtem Gymnasium in Freiburg um eine Schule handelt, die sich der Montessori-Pädagogik verpflichtet fühlt. Für Laien: Diese Montessori-Bewegung sagt von sich, sie setze sich „für einen achtsamen und respektvollen Umgang mit Kindern und Jugendlichen ein“.
Da stellt sich die Frage doppelt, wie an so einem Ort die Bundeswehr Einzug halten konnte.
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Auch darauf hat die Schule gegenüber Alexander-Wallasch.de eine Antwort, der Unterricht sei freiwillig und liege in der Mittagsstunde. Die Schule arbeite zudem mit der Bundeszentrale für politische Bildung zusammen. So seien immer mal wieder Regionalpolitiker zum Gespräch mit den Schülern bereit.
Auf Nachfrage wird bestätigt, dass bisher noch kein AfD-Politiker eingeladen wurde. Aber für einen späteren Zeitpunkt sei das durchaus geplant.
Die Kommunikationsabteilung der Schule spricht von „Gesprächsangeboten“, die man dem Schüler gemacht habe, um den Fall zu diskutieren. Diese Angebote sollen aber „leider“ weder vom Jungen noch von den Eltern angenommen worden sein. Das habe man sich anders erhofft.
Wichtig ist der Schule zu erwähnen, dass man alles darangesetzt hatte, dass der Schüler auch nach dem Vorfall noch sein Abitur machen konnte. Das sei damals nur noch wenige Monate hin gewesen und man wollte dem Jungen nicht die Zukunft verbauen.
Der Betroffene soll auch eine Schülerzeitung initiiert haben, die aber laut Aussage der Schulkommunikation allein von ihm hergestellt und verteilt wurde. Hier soll es inhaltlich ebenfalls Angriffe gegeben haben, die sich intern auf die Schule bezogen, wegen derer es ebenfalls Gesprächsbedarf gegeben habe. Laut Aussage der Schulkommunikation stand der Junge aber mit seiner Haltung relativ isoliert da und wurde wohl auch von der Schülerschaft dafür kritisiert.
Generell entsteht hier der Eindruck eines jungen Mannes, der sich kritische Gedanken macht und dabei – positiv formuliert – ziemlich robust vorgeht. Ein junger Mann, der mit einem bearbeiteten Foto des in der Montessori-Schule vortragenden Bundeswehrsoldaten eine Anzeige kassiert hat.
Im Spendenaufruf, der mutmaßlich vom ehemaligen Schüler selbst kommt, ist durchgehend von „Genossen“ die Rede, samt Slogans wie „Bundeswehr raus aus unseren Schulen, Solidarität mit unseren Genossen“.
Die Schulkommunikation spricht davon, dass sich bereits Fernsehsender gemeldet haben oder Interesse an einem Gespräch angemeldet haben. Der junge Mann selbst war nicht zu erreichen, die tatsächlichen Meme soll er bereits im Februar gelöscht haben, was letztlich auch zur Einstellung des Verfahrens geführt habe.
Offen bleibt die Frage, was ein Bundeswehrsoldat an einer Schule macht, noch dazu an einer Montessori-Schule. Wie haben die Elternvertretungen auf dieses Angebot der Schulleitung reagiert? Gar nicht?
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Kommentar von Ombudsmann Wohlgemut
Seine Wortwahl irritiert, denn wer sich mit Genossen gemein macht, der ist eigentlich linksorientiert.
Vielleicht war das ja auch der Grund dafür, dass er wenig Unterstützung fand?
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Kommentar von Paul Brause
Wie können Demokratien in dieser Welt überstehen, wenn sie nicht wehrhaft sind? Kriege sind zu vermeiden, tragischerweise nicht zu verhindern - das ist nun mal Realität in dieser unserer Welt. Entsprechend verantwortungsvoll gehandhabt ist Militär ein unverzichtbarer Bestandteil unserer Gesellschaft.
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Kommentar von T S
Für mich sieht das so aus als ob besagter Schüler einfach nur als Nervensäge zu oft unangenehm aufgefallen ist, die Aussagen die er vertritt sind dann eher zweitrangig.
Grundsätzlich sehe ich es nicht nachteilig wenn ein Bundeswehrsoldat eine Schule besucht, schließlich ist er einer von mehreren hunderttausenden Mitbürgern deren Tätigkeit einen erklecklichen Teil des Steueraufkommens verbraucht - das sollte dann auch entsprechend sichtbar sein!
Fragt sich allerdings was dieser dann dort macht: Vorstellung seiner Tätigkeit und Diskussionsmöglichkeit ist im Rahmen der schulischen Bildung wünschenswert, einseitige Militärpropaganda oder gar Anwerbung hingegen nicht. Da sind dann aber Schule und Lehrerschaft am Ruder: Sichern diese eine neutrale und ausgewogene Information, oder sind sie Steigbügelhalter von Wadephul & Ko?
Man muß kein Freund von Rüstungsinteressen sein, aber die Flecktarntruppe pauschal auszusperren ist der fasche Weg - Aussperrung und Ausgrenzung gibt es ohnehin schon mehr als genug.
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Kommentar von Carl Peter
Hallihallo Frau Merkel, garnicht so schlecht Frau Specht: „Freiheit so viel wie möglich, Grenzen so viel wie nötig“. (Maria Montessori zu Erziehung)
1938 wurden alle Montessori-Einrichtungen von Nationalsozialisten geschlossen - Rumms! Um erst mal wieder frischen Wind in Maria Montessoris Grundgedanken der Weltbeschreibung für Kinder zu bringen.
Militär hatte da nie was zu suchen, und bedeutet eigentlich einen Verrat an den Grundgedanken der Montessori-Pädagogik - die Eigenschaften, die man für einen militärischen Lebensweg schon mitbringt oder dort erst erlangt, widersprechen doch sehr ihrem Konzept der "Kosmischen Erziehung" eines Kindes, solange man sich Montessori-Schule nennt, hat man damit allerdings zu tun.
Das Auszuführen geht zu lang, ist aber gut zu recherchieren - Kritik ist da auch angebracht, weil der 'Traum vom besseren Kind" dazu nötigt, und wie Sabine Seichter in ihrem gleichnamigen Buch aufzuzeigen versucht, findet sich da der geistige Ursprung der Montessoripädagogik in einem rassistischen sowie naturalistisch-eugenischen Denken.
„Hilf mir, es selbst zu tun“, bleibt aber ein lohnenswerter Montessori-Ansatz für Eltern, in der deutschen Schul-Brache ist eventuell über Maria Montessoris vielfältige Konzepte nachzudenken:
"Maria Montessori war ab 1907 in San Lorenzo, einem Armenviertel von Rom, für die erste Casa dei Bambini („Kinderhaus“) leitend zuständig. Dort wurden zum Teil verwahrloste Kinder der sozialen Unterschicht betreut. Die Kinder lernten hier mit großem Erfolg binnen kürzester Zeit Rechnen und Schreiben. Hier verwirklichte Montessori erstmals ihre Vorstellungen von Bildung und erweiterte ihre Methode."(Wikipedia)
Fühlen sich jetzt hier Eltern und ihre Kinder in den deutschen Schulen auf die Füße getreten, recht so.
Erweitert kann man noch von einer Montessori-Vergangenheit der linken Hippiebewegung des amerikanischen "Buck’s Rock Work Camp" und heute von Gabriel García Márquez oder Taylor Swift sprechen, da gibt's einen Haufen Montessori-Schüler, und Jeff Bezos war auch dabei.
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Kommentar von Rainer Möller
Sollte uns ins Gedächtnis rufen, dass es neben dem hier verbreiteten Rechtspazifismus auch noch (in Resten) einen Linkspazifismus gibt, der allerdings auch nicht gehaltvoller oder tiefgründiger ist und von dem sich keine inetllektuelle oder emotionale Stütze erwarten sollte.