Auch Steinmeier wird aufgefordert, Korruption, Ausbeutung, Betrug und Belästigung zu unterlassen

Sodom und Gomorra: Ökumenischer Rat bittet Teilnehmer auf psychischen und sexuellen Missbrauch zu verzichten

von Alexander Wallasch (Kommentare: 2)

Voilà! Die Goldgräber-Missionarsstellung des christlichen Blut-Kolonialismus jenseits der Lebenswelt eines Albert Schweitzers.© Quelle: Pixabay / fsHH / Alexas_ / Youtube / reformiert-chemnitz-zwickau, Montage Alexander Wallasch

Der Ökumenische Rat der Kirchen ruft seine Teilnehmer vor der Veranstaltung in Karlsruhe eindringlich dazu auf, die Hände in den Taschen zu lassen: Zu unterlassen sind unter anderem körperliche oder sexuelle Übergriffe und unsittliche Entblößung. Die Liste ist viel länger – aber dazu gleich mehr.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach vorgestern bei der Eröffnung der 11. Vollversammlung des Ökumenischen Rates. Hier sind über 350 christliche Kirchen vereint, der Sitz des 1948 gegründeten zentralen Rates ist Genf.

Steinmeier betonte dabei, dass die „bunte Vielfalt“ von Anfang an „zu den Wesensmerkmalen des Christentums“ gehört hätte. Wir wollen uns hier gar nicht damit aufhalten, welche schrecklichen Blutopfer die Missionierung samt die Vernichtung der Naturreligionen und ihrer Vertreter mit sich brachte, diese bunte Vielfalt zu organisieren.

Nur so viel aus der Gegenwart: Noch vor kurzem fuhren Kirchler mit Zahnarzt-Schiffen den Amazonas herunter und stopften Löcher – nicht ohne vorher eine Missionierung an den vom Industriezucker gepeinigten Eingeborenen vorzunehmen – das bekannte christliche Quid pro quo. Ein besonders passendes Bild.

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Viel aktueller und deshalb interessanter sind aber die Verhaltensregeln der Veranstaltung, denen sich auch der Bundespräsident zu unterwerfen hatte, bevor er das Rednerpult erklomm.

Der ökumenische Rat der Kirchen hatte im Vorfeld „Verhaltensrichtlinien für alle Teilnehmer“ ausgegeben. Und schaut man sich inhaltlich an, was da auch vom deutschen Staatsoberhaupt angemahnt wird, da fühlt man sich für den Moment zurückkatapultiert in die Goldgräber-Missionarsstellung des christlichen Blut-Kolonialismus jenseits der Lebenswelt eines Albert Schweitzers.

Oder nein, die Reise rückwärts, die man bei der Lektüre macht, legt schon einen Zwischenstopp in einem düsteren Kapitel der neueren Kirchengeschichte ein, dort nämlich, wo Kirchenleute ihre Schäfchen sexuell nötigten, missbrauchten und vergewaltigten – durch die Kirchenbank von der älteren Frau bis zum kleinen Jungen in der vermeintlichen Obhut der Kirche.

Oder wie es Papst Franziskus 2014 als Oberhaupt der Katholiken formulierte:

„Ich fühle mich gerufen, um Vergebung zu bitten für alles Böse, für all den Schaden, den einige Priester angerichtet haben, für die Fälle von sexuellem Missbrauch von Kindern. Es ist ein persönlicher und moralischer Schaden, verübt durch Männer der Kirche.“

„Persönlicher und moralischer Schaden“ ist hier allerdings eine geradezu unanständig sanfte Umschreibung für die multiplen Quälereien. Die Zeugenaussagen rauben den Lesern den Schlaf.

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Jetzt also Verhaltensrichtlinien für alle Christen, herausgegeben vom Ökumenischen Rat der Kirchen. Und man muss das schon zwei Mal lesen, um zu begreifen, zu was für eine Selbsteinschätzung die führenden Vertreter der Kirchen bei der Selbstbetrachtung kommen. Da kommt einem schon mehr als nur die Galle hoch.

Offensichtlich weiß man genug um die Verhaltensweisen von führenden Christenmenschen und mahnt an, dieses Verhalten wenigstens für das Zusammentreffen einzustellen:

„Die Verhaltensrichtlinien für die 11. ÖRK-Vollversammlung entsprechen der Verpflichtung, alle Formen von Fehlverhalten, einschließlich Korruption, Ausbeutung, Betrug, Belästigung, psychischen und sexuellen Missbrauch zu vermeiden und die Sicherheit sowohl für die Erwachsenen als auch die Minderjährigen zu gewährleisten.“

Weiter heißt es da:

„Diese Verhaltensrichtlinien stützen sich (…) insbesondere auf die Personalordnung und die Personalrichtlinien des ÖRK (…) die Kinderschutzrichtlinie, die Richtlinie zur Vorbeugung von sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch sowie die Grundsätze für Geschlechtergerechtigkeit.“

Für die Vollversammlungen, so das Papier, sind die Anweisungen eine „Vereinbarung zwischen allen Vollversammlungsteilnehmenden, respekt- und würdevoll miteinander umzugehen.“

Das muss man sich vorstellen, dass so etwas zwischen Christen explizit verabredet werden muss. Immerhin, es liest sich wie ein großes Eingeständnis.

Der Ökumenische Rat erinnert daran, dass die Richtlinien „die Risiken für Belästigung und Missbrauch“ benennen würden, „die bei großen öffentlichen Zusammenkünften vorkommen können“.

Warum der Rat seinen Teilnehmer Verhaltensrichtlinien mit auf den Weg gibt, die sexuelle Belästigung auch von Minderjährigen untersagt, liefert das Papier mit:

„Die Verhaltensrichtlinien für die Vollversammlung sind in der christlichen Lehre und Verantwortung verwurzelt. Sie festigen die rechtliche Verantwortung aller Teilnehmenden unter dem Gesetz des Gastgeberlandes.“

Ebenfalls kaum zu glauben: Es gibt während der Veranstaltung auch „ein Beschwerdeverfahren für Fehlverhalten, einschließlich rechtliche(r) Schritte“.

Und weil man offensichtlich davon ausgeht, dass es zu solchen Beschwerden kommen wird, empfiehlt der Rat, die Beschwerden „in gutem Glauben und in gegenseitiger Fürsorge“ einzureichen.  

Wie bitte? Dem Gottesmann gegenüber, der einen Minderjährigen auf dem Ökumenischen Rat der Kirchen in Karlsruhe sexuell belästigt, soll das Opfer noch in „gegenseitiger Fürsorge“ begegnen?

Oder ist das ein Lesefehler, man will es nicht glauben, die Sprache der Christen offenbart eine Perversion, die man im 21. Jahrhundert nicht mehr für möglich erachtet hätte.

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Sogar eine Ortsangabe wird gemacht, wo diese Verhaltensrichtlinien für die Kirchenoberen insbesondere gelten: Die Regeln „sind während der Vollversammlung jederzeit und überall gültig, einschließlich am Tagungsort, in der Stadt Karlsruhe und auf Ausflügen.“

„Und auf Ausflügen“!

Ein Gelöbnis, vorgetragen wie ein bigottes Glaubensbekenntnis kurz vor dem alltäglichen Missbrauch:

„Ich vermeide jedes Verhalten, das als Überschreitung des Strafgesetzes gilt oder rechtlich als Missbrauch, Ausbeutung, Fehlverhalten oder sexuelle Belästigung verstanden werden könnte, wie zum Beispiel:

  • Körperliche oder sexuelle Übergriffe, unsittliche Entblößung, Stalking oder obszöne Kommunikation.
  • Nötigung, Gewaltanwendung, Aufhetzung oder Aufforderung zu einer nicht einvernehmlichen sexuellen Handlung.
  • Sexuell anzügliches Verhalten, wie lüstern blicken oder glotzen, im Vorübergehen berühren, anfassen, streicheln, umarmen oder sexuell aufreizende Kommentare oder Witze machen.
  • Erkaufen von Sex, einschließlich sexuelle Gefälligkeiten oder andere Formen von demütigendem, erniedrigendem oder ausbeutendem Verhalten gegen Geld, eine Anstellung, ein Gut oder eine Dienstleistung.“

Der Bundestagsabgeordnete Jürgen Braun (AfD) fühlt sich bei der Lektüre an Sodom und Gomorra erinnert und schickt uns dazu folgende Bemerkungen:

„Wer diese Richtlinien liest, fragt sich ratlos: Tagt der Weltkirchenrat nicht in Karlsruhe sondern in Sodom und Gomorra? Was hat es an sexuellen Straftaten bei früheren Tagungen gegeben, dass man jetzt solche irren, ausführlichen Richtlinien für nötig hält? Oder greift man auf Erfahrungen von Treffen der deutschen Grünen zurück, die für ihr Verständnis für sexuellen Kindesmissbrauch berüchtigt sind? Ernste bis entsetzliche Themen werden so bürokratisch-verquast behandelt, dass man nur noch den Kopf über diese Abgründe schütteln kann. Ich frage mich, ob der Weltkirchenrat unsicher ist, noch wenigstens die 10 Gerechten in den eigenen Reihen zu finden, die schon in Sodom nicht zu finden waren.“

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