Prominenter Epidemiologe wüsste von STIKO gern, „was da gelaufen ist. Wie kommen die da plötzlich drauf?“

Für Prof. Kekulé "Gewäsch": STIKO empfiehlt Impfung für Kinder von 5-11 Jahren

von Alexander Wallasch (Kommentare: 1)

„Die Übertragbarkeit wird weder bei Erwachsenen noch bei Kindern nennenswert verhindert durch die Impfung. Deshalb wäre es interessant zu verstehen, was die Stiko sich dabei gedacht hat.“© Quelle: Screenshot / YouTube, MDR aktuell

Prof. Alexander Kekulé ist für viele besorgte Eltern und Corona-Maßnahmenkritiker eine wichtige Stimme geworden. Der Epidemiologe ist immer für eine eigenständige Haltung und Aussage gut. In vielen hundert Folgen hat der Mediziner beim MDR Hörfunk Zuhörer über seine Sicht der Dinge in „Kekulés Corona-Kompass“ informiert.

In der aktuellen Ausgabe „Kekulé #310“ spricht er über die Entscheidung der Ständigen Impfkommission, die jetzt doch eine Empfehlung für Kinder von 5-11 Jahren ausgesprochen hat.

Der MDR fragt Kekulé: „Was ist von dieser Entscheidung zu halten?“

Im Folgenden lesen Sie, was der Epidemiologe Prof. Alexander Kekulé antwortet (Im Anhang finden sie außerdem den Link zur Sendung, falls Sie die gut eine Stunde dauernde Aufzeichnung nachhören wollen):

„Die STIKO ist immer wieder für Überraschungen gut, sag ich mal. Also der Auftrag der STIKO ist ja, diese Sachen wirklich objektiv zu beurteilen nach rein wissenschaftlichen Fakten. Das ist ja so ein bisschen die Hoffnung, dass Fachleute, auch wenn es natürlich nie wirklich stimmt, da unparteiisch sind.

Und die STIKO hat ja bisher einfach gesagt, für Kinder ist es so, die haben keine besonders schweren Verläufe, dass man aufgrund der Häufigkeit schwerer Verläufe argumentieren könnte, dass die Impfung im Sinne des Kindes selber notwendig ist.

Das war die ganz starke Überzeugung der STIKO. Und sie haben zweitens gesagt: Die Übertragung des Virus wird durch die Impfung nicht ausreichend gebremst, sodass eine Impfung der Kinder auch nicht aus epidemiologischen Gründen zu verantworten oder zu begründen ist. Weil man dadurch jetzt den Schutz der Risikogruppen, um die es ja eigentlich geht, nicht verbessern würde.

Das war der Stand – Achtung! – während der Deltawelle oder noch vor der Deltawelle. Das waren also die alten Varianten, wo der Impfstoff noch richtig gut gewirkt hat – 95 Prozent, wenn ich das zur Erinnerung sagen darf, bezüglich symptomatischer Erkrankungen bei Erwachsenen.

Jetzt haben wir inzwischen Omikron. Das heißt, die Schwere der Erkrankungen ist für Kinder absolut in den Keller gesackt. Also die Fälle, wo Kinder schwer erkrankt im Krankenhaus liegen, sind anteilig an den Infektionen, wirklich extrem gering.

Zweitens ist es so, dass gerade herausgekommen ist, dass dieses MIS-C, dieses Multiinflammationssyndrom bei Kindern, was eine seltene Sache ist – in einer Größenordnung von 50 pro 100.000 Kindern kommt es so ungefähr vor, wahrscheinlich sogar noch ein bisschen seltener, wenn man es genauer diagnostiziert –, dass das bei Omikron im Vergleich zu den vorhergehenden Varianten um mehr als das Zehnfache gesunken ist, das Risiko. Eine aktuelle Studie, gerade aus Katar, hat gesagt, dass das in der Größenordnung von 3 pro 100.000 ist, statt eben 50 pro 100.000.

Also das, wo man immer so ein bisschen Angst davor hat – Übersehen wir da was bei den Kindern, bezüglich des immunologischen Syndroms? – ist weg. Und es ist ja klar, dass die Verhinderung der Infektionen, also die Übertragbarkeit, das wird ja quasi weder bei Erwachsenen noch bei Kindern nennenswert verhindert durch die Impfung. Deshalb wäre es interessant, zu verstehen, was die STIKO sich dabei gedacht hat.

Ich habe mir deshalb die sogenannte wissenschaftliche Begründung, die jetzt gerade veröffentlicht wurde, angesehen. Da ist nicht eine Studie zitiert. Wissenschaftliche Arbeiten sind ja immer so, dass sie am Schluss die zitierten Studien quasi so als Literaturverzeichnis haben, da ist nicht eine Studie dabei, die irgendwie neu wäre, wo man sagen würde: Ok, das sind die Daten, auf die sie sich stützen. Sie zitieren ihre eigenen alten Arbeiten hauptsächlich und ein paar Sachen, die damit gar nichts zu tun haben.

Deshalb muss ich wirklich die Frage stellen: Wie kommen die da jetzt plötzlich drauf? Und diese Idee, nur eine statt zwei (Anmerkung: Impfungen für Kinder), da muss man auch sagen: Die Studien, die in Amerika gemacht wurden, da ist ja die Empfehlung für 5- bis 11-Jährige, oder 5 bis 12 ist es dort, glaube ich, ist ja gerade auch dort ausgesprochen worden. Die CDC, die dort zuständig ist, hat das gerade dort gemacht. Und man hat vorher schon eine ganze Weile lang Erfahrungen sammeln können. Aber das sind natürlich mal grundsätzlich die Impfungen in so klassischen Studien bei Kindern mit reduzierter Dosis, ja, [die] aber natürlich immer mit zwei Impfungen gemacht wurden.

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Das Einzige, was ich sozusagen unterschreiben kann, ist: Ja, wir haben inzwischen sehr viele Kinder weltweit, die geimpft wurden zwischen 5 und 11 und da sind keine irgendwie relevanten Nebenwirkungen aufgetreten, wo man jetzt sagen müsste, Mensch, das kann man nicht verantworten, dass ist also nicht so, scheint so zu sein, dass diese Herzmuskelentzündung sogar eher in der Altersgruppe über elf Jahren häufiger ist. Und deshalb würde man sagen: Na ja, die Sicherheitsdaten sprechen nicht wirklich dagegen.

Aber ich kann es ganz ehrlich gesagt nicht nachvollziehen. Also ich wüsste gern, was da gelaufen ist.

(Zu den Argumenten, die für eine Impfung sprechen:) Um mal so einen Faktor zu nennen: Die sind ungefähr zehnmal schwächer geworden, wenn sie so den Mittelwert nehmen, Krankheitsschwere usw. Daher müsste man jetzt schon, auch wenn man jetzt weiß, ok, die Nebenwirkungen sind nicht relevant, muss man ja wirklich eine Begründung haben. Daher muss ich sagen, ich kann es nicht nachvollziehen. Ich will aber nicht ausschließen, dass hinter den Kulissen, ohne dass das jetzt öffentlich gemacht wurde, die STIKO irgendwelche sehr klugen Überlegungen hatte.

In Amerika ist ja die Situation anders, um das nochmal zu beleuchten, warum die CDC das macht: In Amerika haben wir eine wahnsinnig hohe Quote extrem fettleibiger Kinder zwischen fünf und elf. Es gibt eine sehr hohe Quote von Kindern in diesem Alter, die medizinisch völlig vernachlässigt sind. Anders kann man es nicht ausdrücken. Die gehören hauptsächlich zu der schwarzen und Latino-Communitiy, dort in Amerika. Und da haben die amerikanischen Gesundheitsbehörden rausgerechnet, dass für diese speziellen Gruppen die Möglichkeiten, auch sich zu schützen, schlechter sind, weil die Älteren schlechtere Jobs haben, sich nicht vor Infektionen schützen usw. Und aus diesem Gesamtbild, was aus unserer Sicht, sag ich mal, typisch Amerika ist, hat man dort sich dann dafür entschieden. Diese ganzen Kriterien, die dort in der Waagschale waren, sehe ich bei uns nicht.

(…) Wer [in Deutschland] in prekären Verhältnissen lebt, hat natürlich ähnliche Probleme, aber die sind von der Größenordnung nicht mit dem zu vergleichen, was in den USA ist. (…)

Ich muss einfach als Wissenschaftler relativ nüchtern sagen, und deshalb merken sie auch, dass ich so etwas, sag ich mal, auf den Topf gesetzt bin, seit ich das gelesen hab: Wenn man als Fachkommission seine vorher wirklich gründlich begründete Position – da waren ja auch studiengestützte – wenn man die um 180 Grad dreht, dann braucht man dafür einen Grund. Da kann man nicht sagen: Was interessiert mich mein Gewäsch von gestern.

Ich glaube, die Eltern müssen einfach selber so ein bisschen ihre innere Einstellung, das ist ja immer so bei allen Impfungen, man muss schon einfach überlegen, was habe ich für eine Einstellung zum Risiko?“

Wer weiterhören möchte, findet den Beitrag hier in der MDR-Audiothek.

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