Linksgrün adoptiert rechte Feindbilder und Kriegsrhetorik

Ukraine-Debatte: Die Heimkehr der Konservativen in den Mainstream

von Alexander Wallasch (Kommentare: 1)

In vielen Gesprächen der letzten Tage habe ich etwas Tröstliches erfahren: Es geht nicht nur mir so, auch Leser, Freunde und Bekannte bemerken neue Gräben, die sich an der Ukrainefrage aufgetan haben.

Gräben, die nicht mehr deckungsgleich verlaufen, wie jene der Corona-Debatte der letzten zwei Jahre. Oder noch früher: die nicht die üblichen Verdächtigen in der Zuwanderungsdebatte gegenüberstellen.

Tröstlich ja, aber grundsätzlich alarmierend, dass es überhaupt so ist. Zuletzt hatten sich etliche Vertreter aus Politik und Altmedien darüber ausgelassen, dass Corona-Maßnahmenkritiker eine Affinität zu Putin hätten.

So diagnostizierte der Focus exemplarisch für die einvernehmliche Sichtweise der Medien eine „merkwürdige Allianz“ zwischen Spaziergängern und Putin. Das führte zu der schäbigen Schlagzeile: „Auf Telegram entdecken Corona-Leugner ihre Begeisterung für Putins Angriffskrieg.“

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Schäbig deshalb, weil das Wochenmagazin, dass sich einen Jan Fleischhauer als konservatives Feigenblatt leistet, hier stur die Steinzeit-Narrative des polit-medialen Komplexes bedient und Corona-Maßnahmenkritiker weiter als „Leugner“ bezeichnet. Wohl weil das nach Auschwitz-Leugner klingt und aus dieser dreckigen Assoziation heraus den Maßnahmenkritikern ihre Satisfaktionsfähigkeit abspricht, sie entmenscht.

So schamlos formuliert der Focus:

„Einige derjenigen, die die Corona-Maßnahmen vehement ablehnten, satteln jetzt um, und halten Putins Einmarsch in der Ukraine für legitim. Offenbar geht es ihnen vor allem um eins: Protest gegen das, was eine Mehrheit für richtig hält.“

Das ist schon deshalb wenig intelligent formuliert, weil es von „umsatteln“ spricht, aber die denunziatorische Behauptung einer Deckungsgleichheit zweier Haltungen im Sinne hat und damit Maßnahmenkritiker diffamieren will.

Aber es ist vor allem eine Kapitulation des Blattes vor den eigenen Aufgaben: Medien sind der Stachel im Fleisch einer von einer Mehrheit gewählten Regierung. Journalismus ist so betrachtet – wir zitieren erneut den Focus – „Protest gegen das, was eine Mehrheit für richtig hält.“

Aber das Blatt macht es wie so viele Blätter in dieser Zeit: Es will partout mehrheitsfähig bleiben, ergo regierungskompatibel. Wie entlarvend und vor allem selbstdiskreditierend.

Und wie selbsterklärend, was die glatte Halbierung der Verkaufszahlen in nur wenigen Jahren betrifft: Nein, das ist nicht nur ein brutaler Verlust an Lesern in kurzer Zeit, das ist vor allem ein massiver Verlust an Glaubwürdigkeit beim Focus. Der hier zitierte Text erklärt exemplarisch die Ursache dafür.

Aber es soll hier nicht um Medienkritik gehen. Und auch nicht darum, wie sich Corona-Maßnahmenkritiker hinter dieser Wand aus Diffamierungen in der Ukraine-Frage aufgestellt haben.

Viel irritierender finde ich nämlich mittlerweile die Haltung einer ganzen Reihe gewichtiger konservativer Stimmen von Kollegen, Vertrauten und Bekannten.

Die Konservativen fanden sich mit Merkels Beerdigung der konservativen Werte unvermittelt auf der Seite der Fundamentalkritiker der Regierung wieder. Also dort, wo traditionell die Linken ihre Zelte aufgeschlagen hat.

Zwischenbemerkung: Interessant übrigens, dass die immerhin sieben Jahre andauernde Ära Schröder/Fischer bei Konservativen kaum so etwas wie Verlustängste oder Identitätsprobleme auszulösen in der Lage war.

Man akzeptierte einfach, dass nach der Ära Helmut Kohl eine oppositionelle Sammlungs- und Solidierungsphase unvermeidlich war. Aber das Konservative an sich war nicht in Frage gestellt, nicht vom Tisch gefegt worden, wie es ab der Mitte der Ära Merkel in atemberaubendem Tempo passiert war.

Schon vor dem kläglichen Ende der Ära Merkel versammelten sich eine Reihe Konservativer außerhalb des polit-medialen Komplexes, die Geburtsstunde eines konservativen Elements in der außerparlamentarischen Bewegung war geboren, welches nicht automatisch einem alten rechten Lager zuzuordnen war, das weder rechtsradikal noch -extremistisch war.

Der Deutschlandfunk formulierte es so:

„Bis Anfang 2018 war „konservative Revolution“ kaum jemandem ein Begriff. Doch dann äußerte der CSU-Politiker Alexander Dobrindt in der Zeitung „Die Welt“ den Wunsch nach der „konservativen Revolution der Bürger“, als Antwort auf die „linke Revolution der Eliten“.“

Wer behauptet, der Mainstream ist links (linksgrün), der hat recht damit. Heute hat die Opposition in Deutschland ihre Wurzeln im konservativen Lager. Verwirrend ist hier nur: Die Linke spielt weiter Opposition. Sie demonstriert weiter, sie versammelt sich weiter in Arbeitsgruppen, sie gründet weiter Nichtregierungsoppositionen (NGO).

Nur die Stoßrichtung ist jetzt eine andere: Sie richtet sich nicht mehr gegen das System, sie verteidigt das System, indem sie sich gegen die konservative Opposition aufstellt und diese als „Nazi“, als „rechtsextrem“ diffamiert. Der antifaschistische Schutzwall der DDR ist in der Bundesrepublik auf breiter Front neu aufgestellt worden, die tiefen Gräben ersetzen den Mauerbau.

Die Konservativen finden nicht in ihre neue oppositionelle Rolle. Es bleibt eine Sehnsucht nach der Geborgenheit des Systems, sie fürchten sich sogar, in Schnellroda oder anderswo zu landen. Nein, der moderne Konservative ist kein Revolutionär. Das liegt einfach nicht in seiner Natur.

Und damit sind wir bei der Haltung der im außerparlamentarischen Exil darbenden Konservativen in der Ukrainefrage angekommen: Der Krieg ist hier  Gelegenheit, zurück in den Mainstream zu finden. Und vermeintliche Outlaws wie Julian Reichelt (Ex-Bildchef) schlagen die Trommel dazu.

Wo sich die Mainstream-Linke noch schwer tut, bieten die verstoßenen Konservativen jetzt ihre Hilfe an: Sie haben die Rezepte und vor allem die angestammten Feindbilder, wie man unter dem Eindruck des grausigen Kriegs von Mariupol bis Kiew klare Kante zeigen kann:

Der Ost-West-Konflikt, der kalte Krieg, Demokratie versus Diktatur (Kapitalismus versus Kommunismus) - das alles ist unverrückbarer Teil der konservativen Erzählung, ihrer DNA, und es wurde binnen Tagen reanimiert wie ein Untoter, der im tiefen Keller in Fesseln lag, aber einfach nicht sterben wollte. Der Phoenix aus der Asche.

Jetzt schlägt die Stunde jener Konservativen, die schon mit dreizehn Jahren in die Junge Union eintraten und die seitdem alles verachtet haben, was sich nicht systemkonform verhält. Einfach, weil sie es für ihr ureigenes System hielten.

Ja, sie wurden immer schon von links als tumbe Truppe belächelt, aber das konnte ihnen nichts anhaben, sie waren ja Teil der Mehrheitsgesellschaft. Jedenfalls bis zur Vertreibung aus dem Paradies durch Merkel und dem damit einhergehenden Verrat aus den eigenen Reihen.

Aber diese wider Willen zum Außerparlamentarischen verdonnerten Konservativen waren nicht alle paralysiert. Einige richteten sich erfolgreich ein: Das war die Geburtsstunde der Neuen Medien, die rasant mehr Leser gewannen und in ihrem Segment rasch die Deutungshoheit erlangten. Das wiederum machte die Altmedien spürbar nervös, die kein eigenes Rezept fanden, den Verlust an Lesern zu stoppen.

Auf der politischen Ebene zog mit der AfD eine neue konservative Kraft in der Stärke einer Hundertschaft in den deutschen Bundestag ein und sie blieb über eine Legislatur hinaus.

Hat sich also alles in Wohlgefallen eingerichtet? Nein, denn heute wissen wir: Es fühlte sich für die konservativen Protagonisten dieses Aufstandes, es fühlte sich für unsere neuen oppositionellen Helden nie richtig gut an.

Denn Aufständige wollten sie ja nie sein. Der Konservative, der aufständig wird, ist dem eigenen Verständnis nach ein Radikaler. Die Regierung fundamental anzugreifen, passt so überhaupt nicht zur inneren Haltung.

Die Positionierung im Ukrainekrieg ermöglicht jetzt die Heimkehr. Die in die außerparlamentarische Oppositionsrolle verstoßene Rechte wittert Morgenluft, Und sie hat die Blaupausen aus dem Keller geholt für einen traditionellen Russlandhass, der jetzt Konjunktur hat.

Putins Überfall auf die Ukraine öffnete das Fenster für eine Art konservativen Schulterschluss mit dem linken Mainstream. Letzterer nämlich war seinerseits heilfroh, dass diese politischen Urgesteine und Praktiker die eingestaubten Handlungsanweisungen aus dem Keller holten. Eine Win-Win-Situation. Und als Gegenleistung sperrte der linksgrüne Mainstream seine USA-Kritik in den Keller. Eine antiimperialistische Dialektik wurde endgültig verbannt, gleichsam mit jedweder traditionellen Neokapitalismus-Kritik.

Das ist die Heimkehr des Konservativen in den Schoss des Mainstreams unter dem Kriegsdonner aus der Ukraine.

Exemplarisch ist hier die neue Beliebtheit des grünen Vizekanzlers Habeck bei den Konservativen. Unter dem Eindruck der Realpolitik hat hier der Kretschmann-Effekt zugeschlagen.

Ein weiteres eindeutiges Indiz: Die Fridays-for-Future-Aktivistin Carla Reemtsma ist enttäuscht von Robert Habeck. Die Regierung scheitere am Umgang mit dem Ukraine-Krieg. Der linksgrüne Mainstream macht es den neuen konservativen Freunden also nach, man entledigt sich der Aktivisten, der Mohr hat seine Schuldigkeit getan.

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