Krah gegen Kubitschek und Sellner: Die neurechte Allianz zerbricht

Verrat und Bunkerkoller: Großes Shakespeare-Drama aus Schnellroda

von Alexander Wallasch (Kommentare: 3)

Sand im neurechten Getriebe© Quelle: Youtube/ Kanal Schnellroda, Screenshots, Montage: Wallasch

AfD-Enfant-Terrible Maximilian Krah wird von Götz Kubitschek und Martin Sellner gestellt. Die Wagenburg wackelt: Krah überschreitet dunkelrote Linien und wird zum „gemäßigten Realo“ gestempelt – ist das der endgültige Bruch?

Ist das Tischtuch jetzt zerschnitten zwischen dem AfD-Abgeordneten Maximilian Krah auf der einen und seinem Verleger Götz Kubitschek und dem ebenfalls beim Antaios Verlag publizierenden Martin Sellner auf der anderen Seite?

Jedenfalls ist Kubitschek es jetzt noch eine Gangart härter angegangen. Bis dahin, dass er einem öffentlichen Austausch zwischen Sellner und Krah eine Absage erteilt hat. Bevor es Krah selbst so handhabt?

In einem Online-Beitrag seiner Zeitschrift Sezession in seiner persönlich gehaltenen „Rubrik Hinter den Linien. Tagebuch“ schrieb Götz Kubitschek heute:

„Martin Sellner und Maximilian Krah werden im Rahmen des Antaios-Sommerfests keine Debatte auf öffentlichem Podium führen.“

Noch einmal kritisiert Kubitschek den Auftritt von Krah bei Correctiv und T-Online – aber dieses Mal klingt es schärfer, als noch vor Wochen in einem stundenlangen Schnellroda-Gespräch, welches via YouTube bis in die etablierten Medien hinein für Aufmerksamkeit sorgte.

Der Verleger beider Protagonisten schreibt: „Schlimmere und verlogenere Medien als Correctiv und T-Online gibt es kaum.“ Und er wirft Krah vor, er habe Sellner zum Verfassungsfeind erklärt:

„Mit solchen Plattformen zu sprechen und dabei nicht nur eine experimentelle und vom bisherigen Konsens abweichende Meinung zu präsentieren, sondern einen zentralen Kopf des Vorfelds juristisch zu markieren, ist das Überschreiten einer der feuerroten Linien.“

Das ist der Sound einer eingeschworenen Gruppe gegen Abweichler. Wie kommt Kubitschek darauf, anzunehmen, dass Krah überhaupt Teil einer solchen Gruppe sei?

Weil der AfD-Bundestagsabgeordnete (vorher EU) selbst in einem älteren öffentlichen Gespräch in etwa wörtlich sagte, er verdanke Schnellroda – also Kubitschek – alles. Kubitschek ist demnach viel mehr als nur der neurechte Verleger des AfD-Politikers.

Und noch etwas fällt auf: Kubitschek selbst war vor ein paar Jahren der erklärte düstere Liebling der großen etablierten Medien von Melanie Amann (Spiegel) bis zur Frankfurter Allgemeinen Zeitung, die 2016 zu Besuch auf dem Rittergut in Sachsen-Anhalt war und schrieb:

„An einem Abend im April, als sich die Sonne über Schnellroda senkt, nimmt der Hausherr einen Kochtopf in die Hand und betritt den Stall.“

Auch „Spiegel“-Autor Tobias Rapp trank von der Ziegenmilch und schrieb anschließend:

„Der Apfelsaft ist selbst gepresst, das Brot selbst gebacken, der Rahmkäse kommt von ihrer Hofziege. Sie haben sieben Kinder, sechs Mädchen und einen Jungen. Vor dem Essen wird ein Tischgebet gesprochen. Kubitschek und Kositza siezen sich. ‚Geben Sie mir bitte den Salat?‘“

Was macht für Kubitschek also den Unterschied, wenn Krah mit T-Online spricht? Immerhin sitzt der 48-jährige gebürtige Räckelwitzer im Bundestag. Die Antwort ist einfach. Unausgesprochen oder nicht: Krah wird hier markiert, als sei er schon mit einem Fuß ein Verräter, demgegenüber besagte feuerrote Linien aufgezeigt werden müssen.

Erstaunlich ist an diesem Vorgang vor allem, dass Kubitschek damit öffentlich wird. Der Verleger will offenbar nicht, dass Krah hinter den gemeinsamen Kulissen weiter Boden macht. Also werden die Verbündeten darüber alarmiert, dass Krah die ehernen Gesetze der eingeschworenen Gemeinde verletzt hat.

Von einem „Verhaltensfehler“ ist gar die Rede und davon, dass nicht klar sei, ob sich dieser Fehler auf offener Bühne erneut wiederholen könne.

Erik Ahrens hatte bereits unter großem Getrommel mit Schnellroda gebrochen. Der radikale und seltsame Aktivist ist deshalb erwähnenswert, weil er so etwas wie der erfolgreiche Social-Media-Experte für Krah war und weil er wohl auch eine Weile von der ehemaligen engen Krah-Freundin Mathilde Huss protegiert wurde. Huss ist die Hausherrin jener Potsdamer Villa, wo das falsche Correctiv-Geheimtreffen stattfand. Hier ging auch Krah ein und aus – nur bei Sellners Remigration-Auftritt wurde er von Correctiv nicht gesichtet bzw. benannt.

Was Krah mache, so schreibt Kubitschek, sei „eine politisch recht leichte Übung“, sich „als nunmehr gemäßigt zu präsentieren und dem Kontrahenten justiziable Betonköpfigkeit zu unterstellen“.

Kubitschek endet Richtung Krah zunächst scheinbar versöhnlich: „Als Verleger hoffe ich auf das zweite Buch aus der Feder Krahs, denn ein Kopf ist er fraglos.“

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Was an dieser Auseinandersetzung bemerkenswert ist, sind die Umrisse. An Kubitscheks bestimmender Reaktion wird die Nähe Krahs zu Schnellroda erst deutlich. Und Krah ist auch eine immanent wichtige Figur für Kubitscheks Behauptung, Schnellroda mit Verlag im Zentrum sei das geistige Vorfeld der AfD.

Und ganz gleich, in welche Richtung man es gewichtet: Die Verbindungen zwischen Partei und Schnellroda waren in den letzten Jahren vielfältig – Kubitschek ist ein sehr deutscher Romantiker, aber er ist sicher kein versponnener Träumer. Der Mann weiß um seinen Einfluss. Und er weiß, welcher enorm wichtige Türaufhalter Maximilian Krah hier ist – oder muss man sagen „war“?

Martin Sellner meldete sich ebenfalls via Sezession zur Causa Krah zu Wort und wurde dabei sehr konkret. Er sei bestürzt, dass Krah gegen ihn und andere „Methoden des Gegners“ angewendet habe. Sellners Urteil gegen den Schnellroda-Weggefährten ist eindeutig:

„Krah will mitspielen. Er will Macht. Er erkennt den Zeitgeist und positioniert sich nach seiner neurechten Episode nun als ‚gemäßigter Realo‘. Dabei nutzt er frühere Weggefährten als Prellbock, um genau diese Schlagzeilen zu produzieren: ‚Krah bekämpft Sellners Remigration‘.“

Das ist der Bruch. Sellner ist hier viel deutlicher als Kubitschek, aber beide sind sich einig gegen Krah.

Aber etwas stimmt an diesem Infight trotzdem so ganz und gar nicht. Und dafür kann durchaus jemand wie „Welt“-Herausgeber Ulf Poschardt als Zeuge aufgerufen werden. Poschardt erklärte zuletzt, er sei durchaus interessiert an Sellner und neugierig auf dessen Buch „Remigration“ – womöglich hat er es sogar längst gelesen und fand es richtig toll.

Und dann erklärte ausgerechnet die „Zeit“ vor ein paar Tagen, das Gespräch zwischen Kubitschek und Krah gehöre „zum Interessantesten, was politische Parteien und ihr intellektuelles Vorfeld zuletzt hervorgebracht haben.“

Mehr geht kaum. Und das muss doch eine große Befriedigung und Hoffnung bei Sellner und Kubitschek ausgelöst haben. Ulf Poschardt ist zudem der direkte Zugang zur Mitte der Gesellschaft, ein Türöffner, wie ihn Schnellroda bisher nie vorweisen konnte. Keiner der beiden käme auf die Idee, Poschardt vorzuwerfen, er sei etwa ein „gemäßigter Realo“ im rechten Lager – aber genau die Beschreibung trifft es besonders gut.

Warum ist es dann bei Krah etwas anderes? Weil Kubitschek und Sellner offenbar an einem veritablen – und gemessen am Dauerfeuer absolut verständlichen – Bunkerkoller leiden. Die Wagenburgmentalität richtet sich gegen den Abtrünnigen, den ehemaligen Vertrauten. Ein veritables Shakespeare-Drama.

Wenn Sellner und Kubitschek eine Agenda haben, der Krah immer weniger zugeneigt ist, dann ist der nach außen gestülpte Aufruhr gegen den AfD-Politiker zwar verständlich – niemand schätzt den Verräter – aber ist die öffentliche Empörung und der öffentliche Austragungsort auch besonders klug?

Wer über keine politische Gestaltungsmacht verfügt und sich um diese bewerben will, der sollte vor allem in zwei Dingen meisterlich unterwegs sein:
Nämlich darin, immer wieder neue Bündnisse zu schmieden und neue Weggefährten zu gewinnen.

Aber mindestens ebenso wichtig: Er muss lernen, loszulassen. Lebensabschnittsgefährten ziehen zu lassen. In Frieden. Denn Gegendruck erzeugt immer Gegendruck. Der nützt am Ende niemandem. Interessanter bleibt es, die Gemeinsamkeiten zu betonen. Jedenfalls dann, wenn man noch ein gemeinsames Ziel verfolgt.

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