Zuletzt war Alexander-Wallasch.de persönlich in der afghanischen Botschaft in Berlin, um die chaotischen Zustände dort zu beschreiben:
„Eine rosa Villa im Grunewald, kein Security, kein Botschafter, kein System – aber in Minuten fertige Pässe und Urkunden. Die Taliban haben längst übernommen, Deutschland schaut zu und braucht die Stempel sogar für Abschiebungen. Ein Ortstermin in der absurdesten Behörde der Republik – und die Geschichte, wie die Bundesregierung sich mit den Radikalislamisten arrangierte, die sie nie anerkennen wollte.“
Anschließend baten wir das Auswärtige Amt um Beantwortung von Fragen. Wir wollten wissen, wie viele Mitarbeiter für die Arbeit in der afghanischen Botschaft akkreditiert wurden; das muss nämlich bis hin zum Bediensteten für jede einzelne Person geschehen.
Das Auswärtige Amt erteilte uns dazu keine konkrete Auskunft. Wir wollten wissen:
· Wie viel Personal wurde in der afghanischen Botschaft in Berlin akkreditiert?
· Wann wurden zuletzt (Datum) akkreditiert und wie viele Personen waren das?
· Kann man sagen, dass Personal dort ausgetauscht wurde?
· Wie passt das zusammen mit der Nichtanerkennung des Taliban-Regimes?
· Inwiefern halten Sie es für zumutbar, dass deutsche Behörden bei einer afghanischen Botschaft um Unterlagen vorsprechen?
· Welche Absprachen gibt es mit dem Taliban-Regime über die Führung dieser Botschaften?
Aus dem Auswärtigen Amt hieß es dazu, Deutschland habe die diplomatischen Beziehungen zu Afghanistan nie abgebrochen. Die Bundesregierung habe zudem ein Interesse daran, dass die afghanischen Vertretungen in Deutschland weiterhin arbeitsfähig seien und dass afghanische Staatsangehörige in Deutschland adäquat konsularisch versorgt werden.
Die Bundesregierung habe daher zugestimmt, zwei von Kabul entsandte neue Mitarbeiter für den Konsularbereich zu akkreditieren, die inzwischen eingereist seien. Einer dieser Mitarbeiter arbeite für die afghanische Botschaft in Berlin. Darüber hinaus gebe es keine neuen Akkreditierungen.
Sind es Entsandte der Taliban-Regierung oder wurden hier zwei Anhänger der alten afghanischen Regierung akkreditiert – mit dem Wissen der Taliban? Der Antwortteil „zwei von Kabul entsandte“ deutet darauf hin, dass es sich um Taliban-Vertreter handelt.
Aus dem Auswärtigen Amt heißt es allerdings weiter, dem Auswärtigen Amt sei daran gelegen, dass die afghanischen Vertretungen weiterhin durch Personen geleitet werden, die von der Islamischen Republik Afghanistan vor dem Machtwechsel im August 2021 entsandt und in Deutschland akkreditiert wurden. Dies sei der Fall.
Der Widerspruch ist allerdings eklatant. Wenn es sich nicht um Taliban-Vertreter handelt, wäre die Formulierung „zwei von Kabul entsandte“ falsch. Oder es gibt Absprachen mit Taliban, dass diese zwar ihre Vertreter entsenden dürfen, aber diese offiziell nur eine Art Beobachterstatus in der afghanischen Botschaft haben. Aber das wäre reine Spekulation.
Ein Sprecher des Auswärtigen Amts erklärte weiter:
„Das Auswärtige Amt steht mit der afghanischen Botschaft in Berlin regelmäßig in Kontakt.“
Weiter habe man dem nichts hinzuzufügen.
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Aber was bedeutet das nun alles konkret? Was für die Afghanen in Deutschland und was für die Deutschen, die Abschiebungen durchsetzen und Aufenthaltsstatute beenden wollen?
Deutschland steckt hier in einem klassischen Realpolitik-Dilemma, das moralisch extrem unangenehm ist, aber praktisch kaum vermeidbar war – und das sich in den letzten Monaten immer weiter zugespitzt hat.
Die Bundesregierung hat die Taliban-Regierung offiziell nie anerkannt und betont das auch weiterhin mantra-artig. Gleichzeitig braucht sie funktionierende konsularische Vertretungen für hunderttausende Afghanen in Deutschland: Pässe verlängern, Geburtsurkunden beglaubigen, Tazkiras ausstellen usw. Ohne das kollabiert das System für die afghanische Community hier – und genau das wollte man vermeiden.
Der Preis dafür: Man hat zwei „Konsularmitarbeiter“ aus Kabul akkreditiert. Zum genauen Hintergrund äußert sich das Auswärtige Amt nicht. Welchen Einfluss haben diese beiden Neuakkreditierungen in den Vertretungen? Dazu wird nichts gesagt, aber man stehe mit den Botschaften in Kontakt.
Allerdings: Das alte Personal der Islamischen Republik wurde verdrängt oder hat aus Protest gekündigt (In der Bonner Vertretung vor wenigen Wochen). In der Praxis kontrollieren die Taliban damit inzwischen alle drei afghanischen Vertretungen in Deutschland (Berlin, Bonn, München), auch wenn das Auswärtige Amt das – jedenfalls für die Berliner Botschaft – verbal noch schönredet („weiterhin von vor 2021 akkreditierten Personen geleitet“ – was faktisch mindestens teilweise nicht mehr stimmt).
Das ist bitter mindestens für jene Afghanen, die tatsächlich vor diesem Regime geflohen und nun gezwungen sind, bei Taliban-Vertretern vorstellig zu werden, um Papiere zu bekommen. Es birgt reale Risiken: Datenlecks, Druck auf Familien in Afghanistan, Spitzelaktivitäten.
Aber der Hauptgrund für diese schleichende Kapitulation ist migrationspolitisch: Deutschland will – jedenfalls will man das den Bürgern vermitteln – straffällige oder abgelehnte Afghanen abschieben können. Dafür braucht man Taliban-Stempel in Pässen und Kooperation in Kabul. Ohne das geht gar nichts – und genau das war der Deal, der seit Mitte 2025 immer offener wird.
Deutschland kauft sich mit dieser faktischen Teilkapitulation von den Taliban pragmatische Handlungsfähigkeit hinsichtlich der Konsularversorgung und anstehenden Abschiebungen. Es ist eine zynische Notwendigkeit und es zeigt, wie wenig Hebel der Westen vier Jahre nach dem Abzug aus Kabul noch hat.
Die Alternative wäre eine komplette Schließung der Vertretungen und Ersatzpapiere durch deutsche Behörden. Bürokratisch wäre das ein Albtraum und politisch kaum durchsetzbar. Für die Taliban bedeutet der Ist-Zustand einen weiteren Schritt in Richtung internationale Akzeptanz.
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