AfD, Wehrpflicht und Bundeswehr

Wehrpflicht-Wahn: AfD und Altparteien steuern auf gefährlichen Irrweg

von Alexander Wallasch (Kommentare: 5)

Die AfD gräbt ihren alten Antrag aus, doch die Rückkehr der Wehrpflicht ist ein riskantes Manöver für alle© Quelle: Pixabay/Planet_Fox

Die AfD holt ihren alten Wehrpflicht-Antrag aus der Schublade – und zwingt Union, SPD und Grüne in die Defensive. Doch die Debatte ist ein gefährliches Spiel: Es geht weniger um Deutschlands Schutz als um ein riskantes Signal Richtung Moskau. Wer hier wen in die Kriegstreiber-Ecke drängt, bleibt unklar.

Kurze Version

Die Debatte um die Wiedereinführung der Wehrpflicht in Deutschland wird durch die AfD angeheizt, die ihren fünf Jahre alten Antrag vom 18. November 2020 zur „Reaktivierung der Wehrpflicht“ erneut einbringen will. Aber Forderung kann in der Ukraine-Krise auch als gefährliches Signal an Russland und weniger als Verteidigungsbereitschaft interpretiert werden.

2020 wurde der AfD-Antrag von CDU/CSU, SPD, FDP, Linken und Grünen abgelehnt, mit Argumenten wie fehlendem Konsens, Verfassungswidrigkeit und mangelnder Infrastruktur. Nun fordern diese Parteien teilweise selbst die Wehrpflicht, was ihre damalige Ablehnung opportunistisch erscheinen lässt. Laut Medien plant die AfD für September 2025 einen neuen Antrag.

Wird die Wehrpflicht als Allheilmittel angesehen? Oder muss man die Debatte als ein gefährliches Signal Richtung Moskau interpretieren?

Die AfD könnte die Altparteien mit ihrem Antrag bloßstellen, doch die erneute Forderung kann riskant und fehlgeleitet sein, da sie die Spannungen im Ukraine-Kontext verschärfen könnte.

Der AfD-Bundestagsabgeordnete Rüdiger Lucassen wird als erster Antragsteller der AfD-Bundestagsfraktion für die „Reaktivierung der Wehrpflicht“ genannt. Lucassen ist der verteidigungspolitische Sprecher der AfD.

Der Oberst a. D. der Bundeswehr und Obmann im Verteidigungsausschuss kann entlang seiner Aussagen sicher nicht als Ukraine-Lobbyist durchgehen, aber er bleibt das Feigenblatt der AfD gegen Vorwürfe, die Partei sei eine fünfte Kolonne Moskaus.

Die AfD ist nicht nur in Sachen „Remigration“ auf einem Kuschelkurs mit Merz bzw. in Abwehrbewegung gegen ein drohendes Verbotsverfahren. Auch die Verrenkungen bis zur Unkenntlichkeit etwa von MdB Maximilian Krah sind ein weiteres Indiz dafür, dass der AfD die Bedrohungslage ernst erscheint. Das befreit die Partei von Alice Weidel und Tino Chrupalla jedoch nicht davor, für ihre Forderung einer „Reaktivierung der Wehrpflicht“ genauer unter die Lupe genommen zu werden.

Etwa der Stern schreibt auf Basis einer AFP-Meldung:

„Die AfD will nach Informationen des ‚Spiegel‘ nach der Sommerpause einen Antrag in den Bundestag auf Wiedereinführung der seit 2011 ausgesetzten Wehrpflicht einbringen, voraussichtlich im September.“

Und auch hier wird Lucassen zitiert:

„Der AfD-Verteidigungspolitiker Rüdiger Lucassen sagte dem Magazin dazu, die Wehrpflicht würde besonders bei der jungen Generation bestimmt ‚keine Begeisterungsstürme‘ auslösen, sei aber wichtig, um ‚die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands‘ wieder zu gewährleisten.“

Aber die Sache hat einen entscheidenden Haken: Der Antrag „Reaktivierung der Wehrpflicht“ ist kein neuer Antrag der AfD, er ist mittlerweile bald fünf Jahre alt und trägt das Datum 18. November 2020.

Aber warum sollte dieser damals im Bundestag abgelehnte Antrag jetzt erneuert werden? Wer mit Blick auf die Ukraine in der jetzigen Situation eine „Reaktivierung der Wehrpflicht“ fordert, der soll bitteschön nicht mit dem Argument kommen, Deutschland müsse allgemein verteidigungsfähig sein. Es geht hier ausschließlich um den Blick auf Moskau, den Ukrainekrieg und die Folgen der deutschen Waffen- und Milliardenlieferungen an Kiew.

Wer zum jetzigen Zeitpunkt eine „Reaktivierung der Wehrpflicht“ fordert bzw. erneuert, tut das mit Vorsatz und weiß, welches Signal er damit aussendet. Es gibt keine andere Bedrohungslage als jene, die entsteht, wenn sich Deutschland gegen Russland zur Kriegspartei macht.

Wer heute nach Wehrpflicht und Aufrüstung schreit, der muss sich den Vorwurf gefallen lassen, mit Merz, Strack-Zimmermann, und Kiesewetter in einem Boot zu sitzen.

Aber zur Wahrheit gehört noch etwas anderes: Als die AfD Ende 2020 ihren Antrag in den Bundestag einbrachte, wurde der zunächst an den Verteidigungsausschuss verwiesen. Wäre dem Antrag damals zugestimmt worden – es gäbe knapp fünf Jahre später keine aktuelle Debatte um die Wiedereinführung der Wehrpflicht mit Blick auf den Ukrainekrieg.

Im Februar 2021 wurde in der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Verteidigungsausschusses https://dserver.bundestag.de/btd/19/269/1926944.pdf mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP, Linkspartei und Grünen gegen die Stimmen der Fraktion der AfD angeregt, den Antrag abzulehnen, was dann auch geschah. Auch die Ausschüsse für Recht und Verbraucherschutz, für Wirtschaft und Energie und der Ausschuss für Arbeit und Soziales hatten den AfD-Antrag in gleicher Zusammensetzung abgelehnt.

Die ablehnenden Kartellparteien wollen heute also im Hauruckverfahren exakt das Gleiche, was die AfD Ende 2020 noch erfolglos vorgeschlagen hatte? Die FDP-Fraktion, hier Frau Strack-Zimmermann, bekundete damals – festgehalten in „Beschlussempfehlung und Bericht“, „dass eine Reaktivierung der Wehrpflicht nicht finanzierbar sei. Zudem sei eine Wehrpflicht nur für Männer verfassungswidrig.“

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Die Fraktion der CDU/CSU führte damals aus, „dass es für eine Reaktivierung der Wehrpflicht weder einen parlamentarischen noch einen gesellschaftlichen Konsens gebe. Es sei zielführender, Menschen nicht zu einem Dienst zu zwingen, sondern das Prinzip der Freiwilligkeit zu stärken.“

Die SPD betonte, „dass auch die Bundeswehr selbst die Reaktivierung der Wehrpflicht ablehne. Die strukturellen Voraussetzungen für die Musterung, Unterbringung und Ausbildung von Wehrpflichtigen seien nicht mehr gegeben. Anstelle der Reaktivierung der Wehrpflicht solle der freiwillige Dienst attraktiver gestaltet werden.“

Und die Grünen erklärten, „dass die Wehrpflicht kein probates Mittel gegen den bestehenden Personalmangel sei. Die Debatte über ihre Reaktivierung habe nichts mit der Lösung gegenwärtiger Herausforderungen der Bundeswehr zu tun.“

Kurz nach seinem Amtsantritt als Verteidigungsminister Anfang 2023 erklärte der SPD-Verteidigungsminister Boris Pistorius im „Zeit“-Interview, es sei ein Fehler gewesen, die Wehrpflicht abzuschaffen. Aber auch Jahre später (2020) hatte die SPD den Antrag der AfD zur Wiedereinführung der Wehrpflicht noch abgelehnt.

Ende Juli 2025 brachte die „Bild“ folgende Schlagzeile: „Auch für Frauen! Erste Top-Grüne fordert neue Wehrpflicht für alle“.

Der Grüne Anton Hofreiter hat immerhin erkannt, wie widersprüchlich es wäre, jetzt die Wehrpflicht zu fordern, so gern man es offenbar möchte. Vor wenigen Tagen schrieb der Merkur:

„Deutschland muss verteidigungsbereit werden, das sieht auch Hofreiter so. ‚Die Frage der Wehrpflicht halte ich aber nicht für die zentrale Debatte.‘ Man müsse sich schnell für Bedrohungen wappnen. Da komme die Wehrpflicht viel zu spät. ‚Wir haben gar nicht mehr die dafür nötigen Kasernen und die Kreiswehrersatzämter‘, sagt der Grünen-Politiker.“

Kanzler Merz spricht schon seit vielen Wochen von einer möglichen Wiedereinführung der Wehrpflicht, Stimmen aus der Union möchten das am liebsten ohne den Bundestag über die Bühne bringen. CDU-Verteidigungspolitiker Thomas Röwekamp möchte die Wehrpflicht „schnell und unbürokratisch und ohne erneute Beteiligung des Bundestages“ wieder in Kraft setzen, weiß wiederum der Bundeswehrverband.

Die Union will demnach im Bundestag nicht damit konfrontiert werden, dass man Ende 2020 dem Antrag der AfD zur „Reaktivierung der Wehrpflicht“ nicht zugestimmt hat. Aber so leicht will es die AfD den Etablierten auch nicht machen: Sie will einen ähnlichen Antrag im September im Bundestag erneut zur Abstimmung bringen. Ein „Nein“ fiele Union, SPD und Grünen fünf Jahre später deutlich schwerer.

Das allerdings beantwortet längst nicht die Frage, wie sinnvoll so eine Wehrpflicht überhaupt ist und vor allem, welches Signal damit ausgesendet wird.

Auch die AfD gerät hier schwer ins Fahrwasser der Kriegstreiber, denn es kann ja überhaupt nur einen Grund geben, eine Wehrpflicht zu fordern, wenn man eine Bedrohungslage sieht. Und da kann es nur um Russland gehen, Dänemark, Polen, Frankreich und Österreich lassen nicht erkennen, demnächst gegen Berlin zu marschieren. Und wer hier etwas von Cyber-Bedrohungen, hybrider Kriegsführung und globale Machtverschiebungen erzählt, der verkennt, dass hier die Zuständigkeit der Bundeswehr im Kontext zur Rolle der Dienste ganz ungewiss ist.

2020 mag der Antrag der AfD dem Leitbild der konservativen Partei gefolgt sein. Damals mag der Antrag vielen sinnvoll erschienen sein, er wurde aber abgelehnt.

2025 und mit Blick auf Kiew und Moskau ist eine Erneuerung des Antrags fatal, geradezu sträflich. Die AfD sollte der Verführung widerstehen, politisches Kapital schlagen zu wollen, indem sie die früheren Ablehnungen der anderen Parteien bloßstellt und diesen die „Reaktivierung der Wehrpflicht“ von 2020 noch einmal unter die Nase zu reiben.

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