Die Debatte um die Wiedereinführung der Wehrpflicht in Deutschland wird durch die AfD angeheizt, die ihren fünf Jahre alten Antrag vom 18. November 2020 zur „Reaktivierung der Wehrpflicht“ erneut einbringen will. Aber Forderung kann in der Ukraine-Krise auch als gefährliches Signal an Russland und weniger als Verteidigungsbereitschaft interpretiert werden.
2020 wurde der AfD-Antrag von CDU/CSU, SPD, FDP, Linken und Grünen abgelehnt, mit Argumenten wie fehlendem Konsens, Verfassungswidrigkeit und mangelnder Infrastruktur. Nun fordern diese Parteien teilweise selbst die Wehrpflicht, was ihre damalige Ablehnung opportunistisch erscheinen lässt. Laut Medien plant die AfD für September 2025 einen neuen Antrag.
Wird die Wehrpflicht als Allheilmittel angesehen? Oder muss man die Debatte als ein gefährliches Signal Richtung Moskau interpretieren?
Die AfD könnte die Altparteien mit ihrem Antrag bloßstellen, doch die erneute Forderung kann riskant und fehlgeleitet sein, da sie die Spannungen im Ukraine-Kontext verschärfen könnte.
Der AfD-Bundestagsabgeordnete Rüdiger Lucassen wird als erster Antragsteller der AfD-Bundestagsfraktion für die „Reaktivierung der Wehrpflicht“ genannt. Lucassen ist der verteidigungspolitische Sprecher der AfD.
Der Oberst a. D. der Bundeswehr und Obmann im Verteidigungsausschuss kann entlang seiner Aussagen sicher nicht als Ukraine-Lobbyist durchgehen, aber er bleibt das Feigenblatt der AfD gegen Vorwürfe, die Partei sei eine fünfte Kolonne Moskaus.
Die AfD ist nicht nur in Sachen „Remigration“ auf einem Kuschelkurs mit Merz bzw. in Abwehrbewegung gegen ein drohendes Verbotsverfahren. Auch die Verrenkungen bis zur Unkenntlichkeit etwa von MdB Maximilian Krah sind ein weiteres Indiz dafür, dass der AfD die Bedrohungslage ernst erscheint. Das befreit die Partei von Alice Weidel und Tino Chrupalla jedoch nicht davor, für ihre Forderung einer „Reaktivierung der Wehrpflicht“ genauer unter die Lupe genommen zu werden.
Etwa der Stern schreibt auf Basis einer AFP-Meldung:
„Die AfD will nach Informationen des ‚Spiegel‘ nach der Sommerpause einen Antrag in den Bundestag auf Wiedereinführung der seit 2011 ausgesetzten Wehrpflicht einbringen, voraussichtlich im September.“
Und auch hier wird Lucassen zitiert:
„Der AfD-Verteidigungspolitiker Rüdiger Lucassen sagte dem Magazin dazu, die Wehrpflicht würde besonders bei der jungen Generation bestimmt ‚keine Begeisterungsstürme‘ auslösen, sei aber wichtig, um ‚die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands‘ wieder zu gewährleisten.“
Aber die Sache hat einen entscheidenden Haken: Der Antrag „Reaktivierung der Wehrpflicht“ ist kein neuer Antrag der AfD, er ist mittlerweile bald fünf Jahre alt und trägt das Datum 18. November 2020.
Aber warum sollte dieser damals im Bundestag abgelehnte Antrag jetzt erneuert werden? Wer mit Blick auf die Ukraine in der jetzigen Situation eine „Reaktivierung der Wehrpflicht“ fordert, der soll bitteschön nicht mit dem Argument kommen, Deutschland müsse allgemein verteidigungsfähig sein. Es geht hier ausschließlich um den Blick auf Moskau, den Ukrainekrieg und die Folgen der deutschen Waffen- und Milliardenlieferungen an Kiew.
Wer zum jetzigen Zeitpunkt eine „Reaktivierung der Wehrpflicht“ fordert bzw. erneuert, tut das mit Vorsatz und weiß, welches Signal er damit aussendet. Es gibt keine andere Bedrohungslage als jene, die entsteht, wenn sich Deutschland gegen Russland zur Kriegspartei macht.
Wer heute nach Wehrpflicht und Aufrüstung schreit, der muss sich den Vorwurf gefallen lassen, mit Merz, Strack-Zimmermann, und Kiesewetter in einem Boot zu sitzen.
Aber zur Wahrheit gehört noch etwas anderes: Als die AfD Ende 2020 ihren Antrag in den Bundestag einbrachte, wurde der zunächst an den Verteidigungsausschuss verwiesen. Wäre dem Antrag damals zugestimmt worden – es gäbe knapp fünf Jahre später keine aktuelle Debatte um die Wiedereinführung der Wehrpflicht mit Blick auf den Ukrainekrieg.
Im Februar 2021 wurde in der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Verteidigungsausschusses https://dserver.bundestag.de/btd/19/269/1926944.pdf mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP, Linkspartei und Grünen gegen die Stimmen der Fraktion der AfD angeregt, den Antrag abzulehnen, was dann auch geschah. Auch die Ausschüsse für Recht und Verbraucherschutz, für Wirtschaft und Energie und der Ausschuss für Arbeit und Soziales hatten den AfD-Antrag in gleicher Zusammensetzung abgelehnt.
Die ablehnenden Kartellparteien wollen heute also im Hauruckverfahren exakt das Gleiche, was die AfD Ende 2020 noch erfolglos vorgeschlagen hatte? Die FDP-Fraktion, hier Frau Strack-Zimmermann, bekundete damals – festgehalten in „Beschlussempfehlung und Bericht“, „dass eine Reaktivierung der Wehrpflicht nicht finanzierbar sei. Zudem sei eine Wehrpflicht nur für Männer verfassungswidrig.“
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Die Fraktion der CDU/CSU führte damals aus, „dass es für eine Reaktivierung der Wehrpflicht weder einen parlamentarischen noch einen gesellschaftlichen Konsens gebe. Es sei zielführender, Menschen nicht zu einem Dienst zu zwingen, sondern das Prinzip der Freiwilligkeit zu stärken.“
Die SPD betonte, „dass auch die Bundeswehr selbst die Reaktivierung der Wehrpflicht ablehne. Die strukturellen Voraussetzungen für die Musterung, Unterbringung und Ausbildung von Wehrpflichtigen seien nicht mehr gegeben. Anstelle der Reaktivierung der Wehrpflicht solle der freiwillige Dienst attraktiver gestaltet werden.“
Und die Grünen erklärten, „dass die Wehrpflicht kein probates Mittel gegen den bestehenden Personalmangel sei. Die Debatte über ihre Reaktivierung habe nichts mit der Lösung gegenwärtiger Herausforderungen der Bundeswehr zu tun.“
Kurz nach seinem Amtsantritt als Verteidigungsminister Anfang 2023 erklärte der SPD-Verteidigungsminister Boris Pistorius im „Zeit“-Interview, es sei ein Fehler gewesen, die Wehrpflicht abzuschaffen. Aber auch Jahre später (2020) hatte die SPD den Antrag der AfD zur Wiedereinführung der Wehrpflicht noch abgelehnt.
Ende Juli 2025 brachte die „Bild“ folgende Schlagzeile: „Auch für Frauen! Erste Top-Grüne fordert neue Wehrpflicht für alle“.
Der Grüne Anton Hofreiter hat immerhin erkannt, wie widersprüchlich es wäre, jetzt die Wehrpflicht zu fordern, so gern man es offenbar möchte. Vor wenigen Tagen schrieb der Merkur:
„Deutschland muss verteidigungsbereit werden, das sieht auch Hofreiter so. ‚Die Frage der Wehrpflicht halte ich aber nicht für die zentrale Debatte.‘ Man müsse sich schnell für Bedrohungen wappnen. Da komme die Wehrpflicht viel zu spät. ‚Wir haben gar nicht mehr die dafür nötigen Kasernen und die Kreiswehrersatzämter‘, sagt der Grünen-Politiker.“
Kanzler Merz spricht schon seit vielen Wochen von einer möglichen Wiedereinführung der Wehrpflicht, Stimmen aus der Union möchten das am liebsten ohne den Bundestag über die Bühne bringen. CDU-Verteidigungspolitiker Thomas Röwekamp möchte die Wehrpflicht „schnell und unbürokratisch und ohne erneute Beteiligung des Bundestages“ wieder in Kraft setzen, weiß wiederum der Bundeswehrverband.
Die Union will demnach im Bundestag nicht damit konfrontiert werden, dass man Ende 2020 dem Antrag der AfD zur „Reaktivierung der Wehrpflicht“ nicht zugestimmt hat. Aber so leicht will es die AfD den Etablierten auch nicht machen: Sie will einen ähnlichen Antrag im September im Bundestag erneut zur Abstimmung bringen. Ein „Nein“ fiele Union, SPD und Grünen fünf Jahre später deutlich schwerer.
Das allerdings beantwortet längst nicht die Frage, wie sinnvoll so eine Wehrpflicht überhaupt ist und vor allem, welches Signal damit ausgesendet wird.
Auch die AfD gerät hier schwer ins Fahrwasser der Kriegstreiber, denn es kann ja überhaupt nur einen Grund geben, eine Wehrpflicht zu fordern, wenn man eine Bedrohungslage sieht. Und da kann es nur um Russland gehen, Dänemark, Polen, Frankreich und Österreich lassen nicht erkennen, demnächst gegen Berlin zu marschieren. Und wer hier etwas von Cyber-Bedrohungen, hybrider Kriegsführung und globale Machtverschiebungen erzählt, der verkennt, dass hier die Zuständigkeit der Bundeswehr im Kontext zur Rolle der Dienste ganz ungewiss ist.
2020 mag der Antrag der AfD dem Leitbild der konservativen Partei gefolgt sein. Damals mag der Antrag vielen sinnvoll erschienen sein, er wurde aber abgelehnt.
2025 und mit Blick auf Kiew und Moskau ist eine Erneuerung des Antrags fatal, geradezu sträflich. Die AfD sollte der Verführung widerstehen, politisches Kapital schlagen zu wollen, indem sie die früheren Ablehnungen der anderen Parteien bloßstellt und diesen die „Reaktivierung der Wehrpflicht“ von 2020 noch einmal unter die Nase zu reiben.
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Kommentar von winfried Claus
Wenn die Russen kommen, dann im Gleichschritt und ohne Waffen. Asyl Asyl Asyl Asyl Asyl Asyl Asyl Asyl.
Bei einer Geburtenrate von 1,2 können wir eh nicht mehr Krieg führen, außerdem sollten wir die Flintenweiber und die Negers voran gehen lassen. Wir kämpfen dann für ein Volk ohne Deutsche, ohne eigene Währung, ohne Grenzen, die Regierung ist irgendwo im Ausland und der Rest ist ruiniert. Na wenn die Russen kommen, hat der Osten wieder billiges Gas, die Amis haben nichts mehr zu melden, die Fremden rennen in den Westen und den kaufen wir dann später auf!
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Kommentar von Joly Joker
Wer vor 5 und mehr Jahren für die Wehrpflicht war, hat zumindest politische Weitsicht gezeigt. Wer heute dafür ist, zeigt einen gesunden Menschenverstand. Wehrpflicht ist der 1. Schritt zur Verteidigungsfähigkeit, zum Aufbau einer Reserve und auch zur Fähigkeit Krieg zu führen also kriegsfähig zu sein. Dazu gehört auch das Ende von Offizieren in Uniform und High-Heels oder das Gejammer von fehlenden Kasernen, fehlenden Kreiswehrersatzämter, Stiefeln, Uniformen und Esbit-Kochern. Kein Geld - das ist einfach lächerlich. Lächerlich ist auch das Argument wir könnten gegen Russland Krieg führen. nein Kriegsfähigkeit heißt erst einmal die neue Lage beurteilen und die Erkenntnisse aus dem Ukraine-Krieg und der gegenwärtigen Situation zu analysieren und zu gewichten. Wir brauchen Argumente warum Russland uns konventionell gefährlich werden könnte. Und dazu gehört die strategische Tiefe neu zu gewichten, die wir so noch nie hatten. Wir bekommen in den nächsten Jahren einen gegen Russland aufgerüsteten "Ostblock". Was bedeutet das für uns? Wir mussten zur Kenntnis nehmen, dass die USA uns mit Norwegen das GAS weggebombt haben. Das sind NATO-Partner. Trump bedroht unsere wirtschaftliche Existenz und droht mit dem Ende des nuklearen Schutzes. Wir sehen momentan wie wirkungsvoll smarte Waffen sind und wie effektiv Drohnen jede konventionelle Armee stoppen kann. All diese Punkte vermisse ich bei allen Politikern. Statt dessen kaufen wir 1000 und mehr neue LEO`s. Oder die F 35. Eine Waffe die nur mit Zustimmung der USA einsatzfähig ist. Wo bleibt eigentlich der Schutz der Zivilbevölkerung? Warum werden jetzt Tiefgaragen beim Neubau wieder abgeschafft? Wo sind Überlegungen wie in Finnland. Dort werden SPA´s, Tiefgaragen und Tunnel immer auch mit dem Dual Use für den Zivilschutz betrachtet. Wieso werden die Verbote für ANTI-Personen-Minen und Streumunition nicht aufgehoben. Dieser Einsatz hat sich in der Ukraine wieder sehr bewährt. Billig und schnell beschaffbar und umgehend einsetzbar. Ach ja - noch ein Punkt: Polen rüstet auf wie jeck; will die größten Landstreitkräfte aufbauen. Wenn die nicht mehr gegen Russland gebraucht werden, dann vielleicht gegen uns? Wie viele Billionen verlangt jeder polnische Präsident von uns spätestens bei dem ersten Gespräch mit unserem Kanzler? Es hat sich massig viel geändert. Wo bleibt die entsprechend Reaktion.
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Kommentar von Alwin Ettl
Ja, es war ein Fehler die Wehrpflicht und den Zivildienst abzuschaffen.
Die Forderung der AfD im Jahr 2020 war richtig und konsequent. Jedes souveräne Land muss eine unabhängige, glaubhafte Verteidigungsfähigkeit vorweisen können.
Nun ist aber folgendes passiert: Die NATO plant Krieg gegen Russland. Deutschland ist in dieses aggressive Bündnis eingebunden und nicht souverän handlungsfähig. Ohne Austritt aus NATO und EU ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine Wehrpflicht in Deutschland nichts anderes, als eine Fleischmühle für die dunklen Pläne der Transatlantiker zur Zerschlagung und Ausbeutung Russlands.
Wer nicht begreifen will, dass der Einmarsch Russlands im Donbass mit dem Maidan-Putsch des Westens, dem Krieg Kiews nach 2014 gegen die eigene russischstämmige Bevölkerung und der Ablehnung der NATO-Staaten über Verhandlungen zu den von Russland definierten roten Linien zusammenhängt, ist böswillig und will nur Russland um jeden Preis vernichten.
Eine Wehrpflicht zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist jedenfalls kontraproduktiv.
Deutschland muss sich für einen Verhandlungsfrieden stark machen und dann aus NATO und EU austreten, um künftig blockneutral zu sein.
Nur so kann Deutschland Frieden haben entgegen den Absichten unserer "Freunde".
Deutschland hat keine Freunde!
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Kommentar von Eugen Karl
1. wollen sie die Wehrpflicht wieder einführen; 2. wollen sie auch die alte Ungerechtigkeit beibehalten, der gemäß gefälligst nur Männer als Staatssklaven ihr Leben zu opfern haben. Sowohl 1. als auch 2. lehne ich ab. Ad2) Alle Rechte bedeutet immer auch alle Pflichten. Ad1) Wehrpflicht ist wie Impfpflicht (St. Homburg), wer gegen diese ist, muß eigentlich auch gegen jene sein.
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Kommentar von stephan manus
Lucassen wird "sicher nicht als Ukraine-Lobbyist durchgehen, aber er bleibt das Feigenblatt der AfD gegen Vorwürfe, die Partei sei eine fünfte Kolonne Moskaus." Seine Russlandfeindlichkeit kann ich nicht nachvollziehen (sog. AfD Putin-Versteher waren für ihn "Volksverräter") und sind einem interessenbasierten Verhältnis eher abträglich. Was die Wehrpflicht betrifft ist es m.E. der falsche Zeitpunkt darüber jetzt zu sprechen, weil sie ein Bedrohungslage (der böse Russe greift uns an) unterstellt, die es so m.E. nicht gibt. Eine Wehrpflicht würde nur dann Sinn machen, wenn Deutschland tatsächlich Russland (wieder) angreifen möchte.