Von der roten Kneipe zum schwebenden Ruderboot

Wenn die Zeit für einen Moment stillsteht – Was ist Dein schönster Augenblick?

von Alexander Wallasch

Mensch, wie schön ist das denn?© Quelle: Pixabay/Rotten

Während draußen Diffamierung und Kriegsangst herrschen, klammert sich eine 97-Jährige an Gedichte und Lieder – und steht wieder auf. Ich erinnere mich an drei Augenblicke puren Glücks. Welcher Moment lässt Sie in dieser Vorweihnachtszeit lächeln?

Unsere 97-jährige Tante Anneliese ist auf dem Weg der Besserung. Was in den ersten Tagen wenig hoffnungsvoll aussah, hat sich heute schon zum Positiven entwickelt. Die Wirkungen der Narkose, die Wirkung des Schocks sind verflogen und Anneliese ist auf dem Weg zurück ins Leben, zu alter Reststärke.

Wie hat sie es gemacht? So wie immer: Anneliese hat sich in den dunkleren Momenten an schönere Zeiten erinnert. Der Faden ist ihr nie abgerissen. Sie erzählte bei einem Besuch gestern, sie habe sich alte Gedichte und Lieder aufgesagt und vorgesungen und dann eben abgewartet, was noch kommt. Das kann sich jeder denken: Mit 97 Jahren hoffnungsvoll in die Zukunft zu schauen ist wohl keine einfache Herausforderung.

Ich dachte an der Stelle, dass es sinnvoll ist, mal nachzuforschen, wo bisher meine schönsten Momente im Leben waren und wie diese aussahen. Das macht noch mehr Sinn in einer Zeit, die von politischen Wirrnissen angefüllt ist und von einer Kriegsgefahr, die von dieser gefährlichen deutschen Politik ausgeht, die unser Schicksal so eng mit dem der Ukraine verknüpft hat. Es ist die Zeit der Diffamierungen, Denunzierungen, Diskreditierungen und Ausgrenzungen, die Regierungskritiker bald schon routinemäßig widerfahren.

Was sind die schönsten Momente in Ihrem Leben? Haben Sie auch solche konservierten Augenblicke? Jeder der in seinem Gedächtnis nachschaut, wird wohl hoffentlich einen finden. Das müssen nicht diese stereotypen Momente sein, wie etwa die Geburten der Kinder. Die nämlich entpuppen sich beim genaueren Hinsehen als alles andere als schönste Momente. Sie werden es nur manchmal, weil sie samt Schmerzen der Frau irgendwann nach quälenden Stunden oder Tagen überwunden und überstanden sind und der maximal hohe Stresslevel mit dem ersten gesunden Kinderschrei einem Eimer voll Endorphinen Platz gemacht hat. Ich kann es mit vier Kindern aus Erfahrung sagen und meine Frau erinnert sich mit Grauen an die Strapazen der Geburten.

Also die Frage: Was ist Ihr schönster Moment? Vielleicht haben Sie in der Vorweihnachtszeit auch Spaß daran und Gelegenheit, diesen in ein paar Sätzen aufzuschreiben und hier zu kommentieren.

Aber Sie haben recht, wer auffordert, muss erst mal vorlegen: Ich möchte Ihnen von drei solchen schönsten Momenten in meinem Leben erzählen.

Moment Nummer eins liegt länger zurück und den werden besonders Ältere unter uns nachvollziehen können. Ich hatte zu dem Zeitpunkt Gastronomie. Café und Bar lagen in einem belebten Szeneviertel, bevölkert von Rotlicht und subversiven und spannenden Gestalten, die Mieten waren erschwinglich. Und da gab es diese eine Kneipe mit verruchtem Ruf, die man nach Feierabend der eigenen Gastronomie aufsuchte. Das war anziehender als die normale Eckkneipe oder einfach nach Hause zu fahren.

Ich saß also in dieser Kneipe. Die Musik waberte vor sich hin, das Licht leuchte warm und einladend in schmeichelndem Rot. Es gab genug zu trinken frisch aus dem Zapfhahn, es wurde geplaudert, es waren nette Frauen und gute Kumpels dabei. Und mit einmal stand die Zeit still. Ich saß am Tresen, trank mein Bier und war mir in dem Moment ganz sicher, dass das nun ewig so weitergehe. Natürlich graute dann doch irgendwann der Morgen und ich fand – ohne dass es dafür eines Wunders bedurfte – wieder den Weg nach Hause.

Aber über diese Stunden im „King George“, so hieß der verruchte Laden, kann ich sagen, das war ein schönster Moment, ich hatte ihn nicht angestrebt, er war einfach und ohne viel Aufsehen über mich gekommen.

Oder noch einfacher ausgedrückt in der Philosophie jeder Eckkneipe: Die Abwesenheit jedweder Probleme des Alltags, die der beste Grund dafür sind, ein Glas Bier zu leeren oder gleich drei.

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Das kommt Ihnen banal vor? Gut, ich habe noch zwei weitere Erlebnisse, die erstaunlicherweise beide etwas mit Wasser zu tun haben. Und die etwas mit Familie zu tun haben, was weniger erstaunlich ist, weil Familie der beste Generator für schönste Erinnerungen bleibt. Jedenfalls dann, wenn man Glück hat mit seinem Partner und wenn man Kinder hat, die einem grundsätzlich wohlgesonnen sind. Wenn man grundanständig mit seiner Familie umgeht, was ich von mir sagen will.

Also das zweite schönste Erlebnis entdecke ich in einem länger zurückliegenden Norwegenurlaub, ich hatte es irgendwo schon einmal aufgeschrieben. Das war der Moment, als wir eines sonnigen Morgens im August mit dem Motorboot ein größeres Wagnis eingingen und weit hinausfuhren bis zum letzten Leuchtturm. Die Frau blieb zu Hause, weil sie ungern Boot fährt, und ich saß nun mit den vier Kindern, die alle noch im Schulkindalter waren, in diesem so beladenen, nun doch recht klein erscheinenden Boot.

Jeder hatte eine Angel dabei und das Wasser war spiegelglatt. Die Sonne schien, was in Norwegen selbst im Sommer nicht durchgehend verlässlich ist. Wir hatten uns dieses weite Stück hinausgewagt. Die Wassertiefe zeigte hinter dem Leuchtturm 15 Meter, das Festland lag weit zurück, die hübschen Norwegerhäuschen erschienen viel kleiner als jene auf der Eisenbahnplatte im Keller. Dann machten wir unsere Angeln fertig, jeder half jedem. Und gleichzeitig fielen die Köder von allen Seiten des Bootes ins Wasser.

Und das Wunder geschah. Fast zeitgleich biss an jeder Angel etwas an und wir holten jeder unseren Fisch raus. Es waren sogar verschiedene Fischarten; das Wasser so klar, dass man tief hinunter- und zuschauen konnte, wie die Fische zuschnappten. Es waren große Fische. Und wir schauten uns an und lachten und strahlten um die Wette. Was für ein schönster Moment!

Ich kann noch von einem dritten schönsten Moment erzählen. Wahrscheinlich gibt es etliche mehr, aber das sind jene, die mir spontan einfallen. Ich bin gespannt, welche Ihnen gleich einfallen.

Im dritten schönsten Moment war ich mit mir ganz allein. Irgendwo in Schweden. Hier wiederum auf dem Wasser, in einem Ruderboot an der weitläufigen schwedischen Schärenküste. Auch hier war das Wasser spiegelglatt. Ich ruderte gemütlich, dann ließ ich das Boot eine Weile vor sich hintreiben. Und auf einmal erschien es mir als risse eine neue Dimension auf: Durch die Spiegelung des Himmels im Wasser war die Wasseroberfläche einfach verschwunden und mir stellte sich das unvergleichliche Gefühl ein, mit meinem kleinen Ruderboot einfach durch die Luft zu schweben, wie der kleine Häwelmann auf seiner Reise zum Mond.

Ein kaum wahrnehmbares feines musikalisches Summen und ein Dahingleiten im Nichts. Kein Wassergeräusch war zu hören. Eine stille fließende unendliche Bewegung. Entsprechend laut war natürlich der Knall. Denn die Gewissheit hatte sich nach einer Zeit des Fliegens eingestellt – ich erinnere mich immer noch gut – dass es an der Zeit war, wieder zurückzufinden, wenn es für mich kein Ikarus-Ende nehmen sollte. Als ich also endlich wieder die Ruder ins Wasser stellte und diese Szene abbrechen musste, um an mein ursprüngliches Ziel zu kommen, hatte ich einen besonders schönen Moment erlebt.

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