Eine Spurensuche im Trüben – Irgendwo zwischen Hostie und letztem Abendmahl

Wieviel Kirche steckt in der AfD und den Neuen Medien?

von Alexander Wallasch (Kommentare: 8)

Freikirchler, weil der Katholizismus nicht katholisch genug ist.© Quelle: Pixabay / Sabine_999

Wie katholisch, wie christlich konservativ, wie freikirchlich ist die konservative Bewegung in Deutschland? Und wenn dem so ist, soll, kann oder muss man sich dagegen wehren?

Gibt es eine starke katholische Strömung, die sich seit Jahren unter dem Radar versammelt und erheblichen Einfluss nimmt auf konservative und rechte Politik und womöglich auch in den Neuen Medien überrepräsentiert ist? Dazu gehört die Frage, ob das Christliche, das Katholische nicht sowieso automatisch im Konservativen überrepräsentiert ist oder sogar sein sollte.

Schauen wir uns eine zufällige Auswahl von in Frage kommender Protagonisten an. Maximilian Krah etwa, der Spitzenkandidat der AfD für das Europa-Parlament, ist glühender Katholik. Das evangelische Magazin Chrismon schrieb über Krahs Aktivitäten von einem „Kreuzzug von rechts“. Krah sei „Anhänger der „Alten Messe“, also des tridentinischen Ritus, bei dem der katholische Priester die Liturgie auf Latein vor einem Hochaltar mit dem Rücken zur Gemeinde ausführt.

In einem Videogespräch Krahs mit dem thüringischen AfD-Chef Björn Höcke habe dieser laut „Chrismon“ auch geäußert, er wünsche sich einen Glauben, „der das Heilige des Christentums mit dem Heldentum aus dem Heidentum vereint“.

Götz Kubitschek, für viele ein wichtiger Spin-Doktor der AfD, ist praktizierender Katholik, seine Ehefrau und politische Weggefährtin Ellen Kositza erklärte zuletzt, sie bete täglich für eine „Christianisierung des Ostens“.

Und auch Martin Sellner, der Chef der Identitären Bewegung und gern gesehener Gast bei den Kubitscheks in Schnellroda ist bekennender Katholik.

Alexander Kissler ist ein einflussreicher konservativer katholischer Journalist, erst bei Cicero, jetzt beim Focus.

Michael Klonovsky, Autor, Journalist und zuletzt AfD-Bundestagskandidat, brachte 2013, damals noch wohlgelitten beim Focus, Folgendes zu Papier: „Der Atheismus wird immer geistloser, und die Papstkritik ist peinlich. Hier bekennt sich ein gottloser Nichtchrist zum Katholizismus.“ Und weiter: „Wenn man sich die Zusammensetzung ihrer Gegner anschaut, kann man die katholische Kirche nur bewundern.“

Klonovskys historisches Wissen um die Blutspur und Kriminalgeschichte des Christentums erscheint demgegenüber arg verkümmert. Das mag im vorliegenden Text aber an seiner fast kindlichen Begeisterung für den deutschen Papst und gleichzeitig an einer tiefen Ablehnung des woken Zeitgeistes gelegen haben.

Die Publizisten Birgit und Klaus Kelle machen aus dem für ihre Arbeit so prägenden Katholizismus kein Geheimnis. Klaus Kelle versammelt regelmäßig Konservative zu gut besuchten Jahrestreffen.

Der ehemalige Feuilletonchef des Spiegels, Matthias Matussek, machte sein katholisches Bekenntnis 2010 selbstbewusst zum Spiegel-Bestseller.

Über Markus Krall, Unternehmer und Parteigründer in Spe, schrieb die Neue Zürcher Zeitung im vergangenen Jahr, er sei Katholik und sorge mit seinen Thesen zur christlichen Gesellschaftsordnung immer wieder für Aufsehen, Krall sei „Mitglied des für seine konservativen Ansichten bekannten päpstlichen Ritterordens vom Heiligen Grab“.

Freikirchler wie der Journalist Peter Hahne und der Publizist Max Otte sind in der Intensität ihres Glaubens im Wesen freiwillig umetikettierte Katholiken. Hahne jedenfalls sieht die wichtigste Aufgabe der Christen heute darin, die „tiefe Spaltung unseres Volkes“ aufzubrechen.

Oder man könnte auch sagen: Die beiden sind Freikirchler, weil ihnen der Katholizismus nicht katholisch genug ist.

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Dieter Stein, Gründer der Jungen Freiheit und ein Urgestein rechtskonservativer Publizistik, hatte 2009 gegenüber Kubitscheks Magazin „Sezession“ ein kryptisches Bekenntnis abgelegt, das vielleicht die Verbindung der Konfessionen im Konservativem abbilden sollte, als er sagte:

„Ich bin evangelischer Christ. Falls man 25 Jahre lang über mich behaupten sollte, ich sei katholischer Sedisvakantist, werde ich mich auch dann nicht selbst so bezeichnen. Auch nicht als katholisch.“

Die Bundeszentrale für politische Bildung schrieb über Steins Zeitung:

„Zunehmend entdeckte die JF konservative Christen beider Konfessionen als Resonanzboden für ihre auf traditionelle Geschlechterrollen, überlieferte Familienmodelle, Autorität und Glaubenstreue festgelegte Berichterstattung.“

Die hier vorgestellten Christen sind allesamt auch bekennende Konservative. Und es erscheint vielfach so, als lebten sie in einer Art Diaspora des Christentums. Sie teilen jedenfalls die Empfindung, dass sie von Politikerinnen wie Katrin Göring-Eckardt (ehemals Präses und Rat der EKD) und von woken Kirchenmännern wie Kardinal Marx und Bischof Bedford-Strohm ihres wahren Christentums beraubt wurden.

In dem Zusammenhang ist auch der ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete Volker Münz interessant. Er ist Mitbegründer der „Christen in der AfD“. Laut Spiegel unterhielt er Verbindungen zu freikirchlichen Kreisen.

Auch der ehemalige AfD-Abgeordnete Waldemar Herdt muss hier genannt werden, der sich mit der freikirchlich-pfingstlerischen Gemeinde „Lebensquelle“ verbunden fühlt. Gegenüber dem Deutschlandfunk erklärte Herdt 2018 in pastoralem Duktus:

„Ich bin auch Katholik, ich bin auch Lutheraner, ich bin auch orthodox. Ich denke, dass die Trennwände, die die Denominationen aufgebaut haben, die reichen nicht bis zum Himmel. Jeder, der den Gott liebt und Jesus im Herz hat, ist mein Bruder.“

Für Herdt gehörten „Christsein und Deutschsein einfach zusammen“. Und weiter:

„Bist Du bereit für das Deutschsein zu leiden? Bist Du bereit für das Deutschsein zu stehen? Bist Du bereit für das Land auch zu kämpfen? Vielleicht auch zu sterben?“

Die „Christen in der AfD“ (ChrAfD) reklamieren für sich: „Nur die AfD setzt sich für christliche Werte ein.“ Dort wird auch etwas über die Zusammensetzung der Christen innerhalb der AfD erzählt:

„Der Bundesvereinigung ChrAfD gehören über 300 Mitglieder an (Stand 01.01.2020), davon sind ca. 35 Prozent katholischer oder orthodoxer Konfession und ca. 65 Prozent evangelischer oder freikirchlicher Konfession.“

In einem aktuellen Gespräch mit einem Bundestagsabgeordneten der AfD geht die Selbsteinschätzung soweit, dass man sich „nicht als tiefkirchliche Partei“ begreife. Es gebe ein paar, die ab und zu mal beten gehen, aber das sei ohne Relevanz für den Gesamtauftritt der Partei.

Unser Gesprächspartner sieht diese Renaissance eines politischen deutschen Christentums eher „in einem Milieu, aus dem diese neue Maaßen-Partei erwachsen soll“. Der Katholizismus eines Herdt und Münz sei innerhalb der AfD gar nicht tragfähig gewesen. Wenn es wirklich ein festes Netzwerk gäbe, dann wären die beiden „irgendwo im Bundesvorstand und immer noch dabei“, gibt unser Gesprächspartner zu bedenken.

Derweil haben sich die Amtskirchen längst von der AfD distanziert.

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