Appell der Polizei

„Wo man singt, da lass dich ruhig nieder, böse Menschen haben keine Lieder“

von Alexander Wallasch (Kommentare: 6)

Ohrenzeugen dringend gesucht© Quelle: Pixabay/Meridy

„Die osthessische Polizei appelliert in diesem Zusammenhang - unabhängig der strafrechtlichen Relevanz - sich von Personengruppen zu distanzieren, die solche Gesänge beziehungsweise andere fremdenfeindliche Äußerungen von sich geben oder ähnliches Verhalten in der Öffentlichkeit zeigen.“

Keineswegs soll hier die wichtige Arbeit der Polizei generell kritisiert werden, aber was das Polizeipräsidium Osthessen im "Presseportal" veröffentlicht hat, ist bemerkenswert.

Heute um 13:40 Uhr startete besagtes Polizeipräsidium einen Zeugenaufruf in Verbindung mit einem Appell der osthessischen Polizei. Die Polizei nutzt dieses Medium, um nach Personen zu suchen, die um Mitternacht auf dem Festplatz von Obergude (233 Einwohner) „volksverhetzende Parolen“ zu einem Popsong skandiert haben sollen. Jeder ahnt, welcher Song hier wohl gemeint ist.

Abr so ganz sicher ist das alles nicht, die Polizei verweist auf „derzeit vorliegende Erkenntnisse“, möglicherweise wurde ja auch „Marmor, Stein und Eisen bricht“ gesungen, aber es klang nur so unheimlich Nazi, weil die, die dann also doch keine Nazis waren, einfach so unglaublich besoffen waren.

Jetzt sucht die ermittelnde Polizeidienststelle in Fulda nach Zeuginnen und Zeugen. Und hier wohl in erster Linie nach Ohrenzeugen. Denn etwas anders gibt es noch nicht. Deshalb wünscht sich die Polizei Ton- oder Videoaufnahmen, „die während des Abspielens des Liedes“ gefertigt wurden. Das wäre dann der Jackpot der Ermittlungen.

Aber weil nun die Sprecherin der Polizei selbst beim Tippen gemerkt hatte, wie dünn das alles ist, hat die Polizei der Meldung einen "Appell" angehängt. Vergleichbar etwa damit, dass man die Bevölkerung aufruft, bestimmte Areale zu meiden, wenn man weiß, dass dort gleich zwei verfeindete Fußballfangruppen aufeinandertreffen (könnten).

Der Appell im Wortlaut:

„Die osthessische Polizei appelliert in diesem Zusammenhang - unabhängig der strafrechtlichen Relevanz - sich von Personengruppen zu distanzieren, die solche Gesänge beziehungsweise andere fremdenfeindliche Äußerungen von sich geben oder ähnliches Verhalten in der Öffentlichkeit zeigen. Ein solches Verhalten ist inakzeptabel und aufs Schärfste zu verurteilen. Zeuginnen und Zeugen, die entsprechende Wahrnehmungen machen, informieren bitte sofort die Polizei. Die Polizei verfolgt entsprechende Straftaten konsequent und trifft umgehend alle notwendigen Maßnahmen.“

Hier fällt die Formulierung „unabhängig der strafrechtlichen Relevanz“ auf. Die Polizei wird zur Geschmackspolizei. Denn was sollte dem Absingen so eines Liedes für eine Straftat folgen? Was fürchtet die Polizei, das in Obergude passieren könnte? Es gibt demnach strafrechtlich relevante Taten und solche, die moralisch, ethisch oder wie auch immer „inakzeptabel und aufs Schärfste zu verurteilen“ sind, aber der Polizei keine Handhabe geben, den Sängern die Notenständer wegzunehmen.

Zum Schluss des Appells heißt es dann wiederum: „Die Polizei verfolgt entsprechende Straftaten konsequent.“ Da wird es dann tragisch mit dieser Meldung, denn es zeigt, dass da jemand offenbar nicht bis drei zählen kann, hatte die Sprecherin doch drei Sätze vorher noch erklärt, dass eine strafrechtliche Relevanz zweifelhaft sei.

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