Wissen Sie, wo auf der Welt die meisten Katholiken leben? Viele denken spontan an ein südamerikanisches Land. Tatsächlich aber ist die Heimat von Papst Johannes Paul II das Land mit den meisten Katholiken. Fast 90 Prozent aller Polen bezeichnen sich als Katholiken.
Das mag zunächst nicht verwundern, wenn es in Polen auch strengere Sitten und Moralvorstellungen gäbe. Aber von schlimmen Verwerfungen war im östlichen EU-Mitgliedstaat bisher wenig bekannt. Die Polen gelten als besonders lebensbejahend, die moderne Polin ist europäisch emanzipiert und kennt ihre Rechte.
Der MDR fasste 2023 allerdings ein grassierendes Problem zusammen: Polinnen finden kaum noch einen adäquaten Mann. Während immer mehr Frauen gut gebildet, weltoffen und liberal sind, pflegen junge Männer immer häufiger ein ausgesprochen konservatives Weltbild. Das wirkt sich nicht nur auf die Partnersuche aus.
Dazu passt nun eine verstörende aktuelle Meldung: Eine größere Zahl von polnischen jungen Männern konservativer Prägung soll mit ihren Handys Jagd auf polnische Mädchen und Frauen machen, die sich angeblich zu freizügig oder aufreizend kleiden. Dabei tragen sie gelbe Warnwesten mit der Aufschrift „Szin Patrol“, was in etwa der abwertenden Bezeichnung „Nutten-Kontrolle“ gleichkommt.
Der Focus titelte jüngst die reißerische Schlagzeile:
„Nuttenflittchen“-Bewegung – was hinter der Jagd auf junge Frauen steckt.“
Laut Medienberichten sollen schon Tausende solcher Mobbing-Filme von den Betreibern der sozialen Medien gelöscht worden sein. Die Klickzahlen gehen hier in die Millionen.
Im Spannungsfeld zwischen kirchlichen Moralvorstellungen und Moderne wuchs derweil eine neue Generation Frauen in Polen heran. So hat sich bei den jungen Erwachsenen zwischen 18 und 24 Jahren die Zahl der Nichtgläubigen seit 2005 mehr als verdoppelt und beträgt inzwischen 15 Prozent.
Etwa das Portal „Länder Analysen“ betont demgegenüber, dass es in Polen nach wie vor auch eine enge Symbiose zwischen polnischem Nationalismus und Katholizismus gibt:
„Der polnische Nationalismus, erwachsen aus dem Denken Roman Dmowskis, hat seine Besonderheit: Er ist unlösbar mit dem Katholizismus verbunden.“
„Funk – Das Content-Netzwerk von ARD & ZDF“ schreibt zu den Videoaufnahmen von angeblich zu freizügig gekleideten Polinnen, der Begriff „Szon“ sei eine abgekürzte Form des polnischen Wortes für „Prostituierte“ – und sei bewusst gewählt worden, um Sperren auf Social Media zu umgehen.
Die Social-Media-Konzerne löschten laut Angaben von „Funk“ auf Initiative der Organisation KidsAlert zwar zunehmend Profile, es entstünden aber immer wieder neue Filme:
„Mehrere Schülerinnen haben in polnischen Medien angegeben, von Mitschülern wegen des Trends gemobbt und mit Hass konfrontiert worden zu sein. Einige Eltern berichten, dass ihre Kinder deshalb sogar nicht mehr zur Schule gehen wollten.“
Eine Instagram-Nutzerin „tasha_onee_san“ kommentiert den „Funk“-Bericht, indem sie den Fokus auf eine Meta-Ebene lenkt:
„Wow. Rechts wählen, weil man „gegen die Islamisierung“ ist und dann selbst eine Sittenpolizei gründen. Das ist eines der besten Beispiele, dass das Problem in erster Instanz immer von Männern ausgeht.“
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Diese Entwicklungen in Polen stehen nicht isoliert, sondern spiegeln einen globalen Konflikt wider, in dem sich konservative Werte und religiöse Überzeugungen mit modernen, liberalen Lebensentwürfen reiben. Besonders in westlichen Gesellschaften, wo religiöse und moralische Debatten zunehmend politisiert werden, zeigen sich Parallelen. In diesem Kontext lohnt ein Blick auf Diskussionen in Europa und den USA, wo Politikerinnen und Meinungsführerinnen die Rolle von Religion und Moral in der modernen Gesellschaft neu definieren.
In Deutschland orakelte die Grüne Katrin Göring-Eckardt schon vor zehn Jahren, dass Europa religiöser werde und sie sich darauf freue. Die Entwicklungen in den USA wie etwa die politisch-religiöse Agenda von US-Außenminister JD Vance oder dem 2025 erschossenen Charlie Kirk waren hier als Blaupause für Europa noch nicht geboren. Göring-Eckardt bezog sich auch auf massenhaft illegal zugewanderte muslimische junge Männer.
Noch einmal fünf Jahre vor Göring-Eckardt, nämlich 2010, machte sich Welt-Autor Alan Posener in ähnlichem Kontext Gedanken über Frauenbekleidung. Seine Schlagzeile damals: „Was Minirock und Burka gemeinsam haben“. Posener schrieb unter anderem:
„Noch vor einigen Jahren galt es unter Feministinnen beiderlei Geschlechts als ausgemacht, dass die Würde der Frau von einem ganz anderen Textilstück gefährdet sei. Dem Minirock nämlich. Der Minirock kennzeichne die Frau als Sexualobjekt, kleide die Frau sozusagen mit den Augen des Mannes ein, dessen geiler Blick überhaupt bestimme, wie Frauen auszusehen hätten. Von oben nach unten: lange, möglichst aufgelöste Haare, die der Frau ins Gesicht fallen und dadurch sexuelle Bereitschaft signalisieren, dazu die Wangen und Lippen gerötet, als wäre die Frau sexuell erhitzt. Tiefer Ausschnitt mit Push-up-BH, um Blicke auf die sekundären Geschlechtsmerkmale freizugeben, besagter Minirock, hochhackige Schuhe, um die Beine länger erscheinen zu lassen, den Hintern nach oben zu schieben und jenen weiblichen Wackelgang zu betonen, der bei Männern entsprechende pawlowsche Reaktionen auslöst.“
Posener meinte weiter, er erinnere sich an einen Artikel im „Stern“ zur Zeit der Khomeini-Revolution, der die ganzkörperbedeckten Frauen Teherans als mutige Kämpferinnen wider den entwürdigenden männlichen Blick feierte.
Posener hielt unsere Gesellschaft vor 15 Jahren noch für die moralischste, die bisher in der Geschichte existiert habe. Und sie werde von allen Bigotten dieser Welt, von den iranischen Mullahs bis zum deutschen Papst, als unmoralisch, materialistisch und relativistisch kritisiert.
2017 berichtete katholisch.de vom „Ärger über freizügige Kleidung im Gottesdienst“. Hier geht es aber nicht um Polen, sondern um das westafrikanische Burkina Faso und allzu freizügige Kleidung mancher Gottesdienstbesucher.
„Ich bin persönlich sehr schockiert über die provokanten Kleider, die die Mädchen in der Sonntagsmesse tragen“, zitiert „La Croix“ hier einen Gläubigen. Ebenfalls 2017 fragte das gleiche Portal: „Wieviel Haut darf in die Kathedrale?“
Laut polnischen Medien wurden schon 3000 Videos mit mehreren Millionen Aufrufen gegen den Willen der gefilmten Frauen veröffentlicht. Einige Mädchen wollten nicht mehr zur Schule, Meta und TikTok löschen die Szon-Profile mittlerweile, aber es tauchen immer wieder neue auf.
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Kommentar von Rainer Möller
Das Gegenteil von "konservativ" ist nicht "liberal", sondern "progressiv". "Liberal" wäre es, wenn man die progressoven Neigungen der Frauen und die konservativen Neigungen der Männer gleichberechtigt nebeneinander stehen lässt,
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Kommentar von Lutz Richter
Ich habe auch Bekannte in Breslau, erzkatholisch. Aber offenbar scheit es in der Familie kein Problem mit Freizügigkeit der Gattin zu geben. Aber vielleicht ist es in anderen Familien anders.