Meine persönliche Odyssee durch die Nacht mit Anne Will, Maybritt Illner, Frank Plasberg und Sandra Maischberger

Aus Anne Will wird Caren Miosga – Die Grabenbauerin gibt den Staffelstab weiter

von Alexander Wallasch (Kommentare: 16)

Im Windschatten von Anne Will bemühten sich Maischberger, Illner und Plaßberg darum, mindestens ebenso einseitig zu berichten.© Quelle: Youtube/ ARD / Tichys Einblick

Anne Will hört auf. Aber sie blieb viel zu lange. Und sie durfte vor allem deshalb bleiben, weil sie zu Vielem schwieg und Viele zum Schweigen brachte.

Gestatten Sie mir, dass ich heute etwas persönlicher starte: Am 8. Oktober 2015 traf ich eine für mich folgenschwere Entscheidung.

Ich hatte ein paar Tage zuvor beim damals noch blutjungen Portal von Roland Tichy angeheuert und sollte in den kommenden sechs Jahren geschätzte 1.500 Artikel für Tichys Einblick schreiben. Damals konnte noch keiner ahnen, wie erfolgreich wir damit werden.

Roland Tichy ist zweifellos der Erfinder der Alternativen Medien, einige seiner späteren Zöglinge wurden selbst zu beachteten Akteuren dieser Neuen Medien – die einen düsterer, die anderen im Licht – so beispielsweise Boris Reitschuster und andere, die diese DNA tief eingeatmet und erfolgreich diese Ribonukleinsäure „Made by Tichy" auf ihre individuelle Weise verbreitet haben.

Aber zurück zum 8. Oktober 2015. Damals bot ich Tichy an, wie schon zuvor bei TheEuropean Rezensionen der vier großen öffentlich-rechtlichen Talkshows zu schreiben, der Chef griff gerne zu. Was dann folgte, katapultierte uns regelmäßig in die Spitze der Rankings „meistgelesen“ und animierte auch Portale wie Spiegel Online regelmäßiger über Talkshows zu berichten.

Im Aufmerksamkeits-Ranking der sozialen Medien lag Tichys Einblick dennoch immer vorn. Na klar, wir waren die kritische Stimme und berichteten nicht regierungsnah wie die anderen. Das Rezept der Neuen Medien war also denkbar einfach: Journalismus als Vierte Gewalt. Und die Etablierten überließen uns freiwillig dieses Terrain.

Am 8. Oktober also meine erste Talkshow-Rezension für Tichys Einblick, Anne Will hatte die Bundeskanzlerin zu Gast. Deutschland befand sich damals auf dem Höhepunkt der Zuwanderungskrise. Hätte ich damals geahnt, was für ein Wahnsinn an vier Abenden die Woche noch auf mich zukommt, wahrscheinlich hätte ich hingeschmissen: Aber es ist damit womöglich wie mit dem Kinder kriegen und diese dann großziehen: Der Aufwand darf nicht hinterfragt werden, was zählt, sind die schönen Momente. Und dazu gehörten immer mehr Leser.

Bleiben wir bei Anne Will auf den beigen Ledersesseln. Die Moderatorin hatte vor einer Weile bekanntgegeben, dass sie ihren Vertrag nicht verlängert und Ende des Jahres zum letzten Mal auf Sendung gehen wird. Ihre Nachfolgerin wird – voraussichtlich und wenig überraschend – Caren Miosga sein, die, wie Anne Will zuvor auch, von der Tagesschau weich in die Talkshow-Sessel fällt.

Aber die Öffentlich-Rechtlichen und auch die etablierten privaten Medien sollten sich hüten, hier so etwas wie das Ende einer goldenen Ära plus Fortführung mit Miosga zu feiern. Im Folgenden werde ich an ein paar wenigen Beispielen aus hunderten Artikeln zu diesen Sendungen belegen, welche Schuld diese Formate – allen voran „Anne Will“ zur besten Sendezeit am Sonntag nach dem Tatort – auf sich geladen haben, wie dieses Regierungsfernsehen Woche für Woche den Graben in der Gesellschaft immer weiter aufgerissen hat und den verfassungsmäßig geschützten Journalismus als Vierte Gewalt so stark beschädigt hat.

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Im Windschatten von Anne Will bemühten sich Maischberger, Illner und Plaßberg darum, mindestens ebenso einseitig zu berichten. Ausgrenzung und Diffamierung gehörten hier zum täglichen Geschäft. Wenn Anne Will jetzt dafür gefeiert wird, dass sie 16 Jahre dabei war (zwischenzeitlich übernahm Günther Jauch mal ihren Sonntagssessel), dann liegt ihr Verdienst allenfalls darin, dass sie es den Mächtigen immer leicht gemacht hat und der Politik via ÖR-Fernsehen folgsam ablieferte. Sie blieb, weil sie zu vielem schwieg und viele zum Schweigen brachte.

Die üblen Techniken beschrieb ich Folge für Folge neu, als säße ich in einem Hamsterrad: Anne Will und Co haben sehr oft ihre neutrale Ecke verlassen, sie ließen Vertreter der Opposition nicht ausreden, haben sie unterbrochen oder – was noch viel häufiger geschah – einfach nicht mehr eingeladen.

Als die Grünen 2017 mit 8,9 Prozentpunkten als kleinste Fraktion in den Bundestag einzogen und die AfD Oppositionsführer wurde, begannen die etablierten Medien – allen voran die Big-4-ÖR-Talksshows – ihren konzertierten Masterplan „Grün-2021“. Vertreter der kleinsten Bundestagsfraktion gehörten schnell zu den am häufigsten eingeladenen Talkgästen, AfD-Vertreter wurden gar nicht mehr eingeladen und eine Umfrage fand heraus, dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen seinen Nachwuchs nach Parteibuch bzw. politischer Einstellung auswählt: Über 90 Prozent der Volontäre gehörten demnach zum grünen oder roten Lager.

Ich habe bei Tichys Einblick in sechs Jahren meistens vier Mal die Woche diese Talkshows bis spät in den Abend hinein mit Stopptaste am Aufnahmegerät geschaut und noch in der Nacht in die Redaktion gesandt, wo sie von der Frühschicht bei Tichys Einblick bearbeitet wurden.

Roland Tichy selbst war sogar morgens mitunter mit dem realen Wahnsinn live aus diesen Talkshows konfrontiert und musste also bereits vor dem ersten Kaffee oder Tee nachlesen und lektorieren, was Millionen Deutsche am Vorabend wieder um die Ohren geschallert bekommen haben. Es waren also immer gleich mehrere Hamsterräder laut am quietschen.

Besonders kurios fanden wir, dass diese Rezensionen zwar Bestseller bei den Lesern wurden, aber immer auch sehr viele Leser in den Kommentaren inständig darum baten, diese Talkshows nicht mehr zu besprechen. Wir saßen demnach alle in einem Boot: Das Faszinosum dieser Regierungspropaganda fesselte vor allem wegen seiner Skrupellosigkeit. Ich stellte mir mehr als einmal die Frage: Warum machen die das? Alles nur wegen des Geldes? Wie kann man da noch ruhig schlafen, wenn man so viele oppositionelle Menschen vor Millionen Zuschauern so eiskalt über die Klinge springen lässt?

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Aber Sie merken es schon: Ich versuche mich hier händeringend um das Wichtigste zu drücken, nämlich Ihnen beispielhaft zu zitieren, inwieweit Anne Will in den vergangenen Jahren eine der übelsten Grabenbauerinnen war und in wie vielen Sendungen sie Kritiker der Regierung – so überhaupt noch eingeladen – versucht hatte, öffentlich hinzurichten.

Ironischerweise war Anne Will in dieser düsteren Zerstörungskraft zwar die Meisterin, aber es war ausgerechnet Sandra Maischberger, der es am 27. Januar 2016 gelang, in Sachen Grabenschaufeln die vielleicht folgenreichste „Anne-Will-Sendung“ hinzulegen, als Frauky Petry öffentlich an den Pranger gestellt wurde mit dem eindeutigen Ziel, die damalige Chefin der AfD zu vernichten.

Sehen Sie mir es bitte nach, dass ich ihnen zum Nachlesen meiner Anne-Will-Sendungen hier nur einen Link mit meinen Artikeln bei Tichys Einblick zur Verfügung stelle – unter „alle Artikel“ können Sie hier bis 2015 zurückblättern und jede einzelne Besprechung fast jeder öffentlich-rechtlichen Talksendung nachlesen.

Unbedingt nicht zu vergessen: Später unterstützten weitere exzellente Autoren – Vier Mal die Woche Wahnsinn wurde irgendwann einfach zu viel, andere Themen durften auf keinen Fall deswegen auf der Strecke bleiben. Aber ich bin dennoch froh, dass jede einzelne Sendung im Archiv von Roland Tichys Webseite nachzulesen ist. Viel Freude beim Nachlesen mag ich allerdings kaum wünschen.

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