Reichelt, Schuler und andere Alt-Medien-Journalisten wollen zurück zur Vierten Gewalt – Herzlich Willkommen!

BILD-Redaktionschef Ralf Schuler schmeißt hin: Schnauze voll von stalinistischer LGBT-Sprache

von Alexander Wallasch (Kommentare: 3)

„Ich stehe keiner politischen Bewegung ‚fest zur Seite‘ und halte dies auch ganz grundsätzlich NICHT für die Aufgabe von Journalisten.“© Quelle: Pixabay / Sabrina_Groeschke, YouTube / BILD, Achtung, Reichelt!, Welt I Montage Alexander Wallasch

Ralf Schuler, der Leiter der Parlamentsredaktion bei der Bildzeitung, verlässt das sinkende Schiff. Einer seiner vielen Anwürfe: In der Sprache der Zeitung fände man mittlerweile einen „stalinistischen Schwulst der Formulierung“.

Schuler, Reichelt, Röhn – was ist da los bei Springer, Großreinemachen für den medial begleiteten öko-sozialistischen Endsieg? Julian Reichelt wurde gegangen, Ralf Schuler geht gerade freiwillig aus Empörung und Tim Röhn bleibt halt noch ein Weilchen.

Für alle drei gilt allerdings zunächst einmal Folgendes: Bei Springer (Bild/Welt) sind oder waren sie Teil jener Alt-Medien, die gemeinsam mit den Bundesregierungen sowohl unter Merkel wie auch jetzt mit der Ampel den polit-medialen Komplex definierten.

Diese drei Herren erfüllten für den Verlag auch eine Alibi-Funktion, sie sorgten dafür, dass Welt und Bild nach außen so etwas wie eine Meinungsvielfalt suggerierten (Röhn ist noch dabei).

Wenn die Bild beispielsweise einen „Refugees Welcome“-Sticker millionenfach dem Blatt beilegte, dann durften Julian Reichelt oder später Tim Röhn durchaus noch zuwanderungskritische Töne dagegensetzen. An der Grundpositionierung des Verlages freilich änderte das nichts.

Und vor allem ändert das nichts daran, dass Springer weiter die Lokomotive der „etablierten Medien“ bleibt.

Unabhängig von unseren drei Helden besteht eine tägliche Hausaufgabe von Welt bis Bild nämlich seit Jahren darin, sich von den aufstrebenden – und vor allem, was die positiven Wachstumsraten angeht, auch erfolgreicheren – neuen oder alternativen Medien abzugrenzen.

Es ist in diesen Häusern seit Jahren das morgendliche Mantra, welches unsere drei gefallenen Engel mit angestimmt haben werden: „Ceterum censeo Carthaginem esse delendam“ - Karthago hier als Synonym für die neuen/alternativen Medien.

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Lassen wir den in den alternativen Medien immer öfter zitierten Tim Röhn einmal weg. Seine Beliebtheit auf der Außenbande ist entstanden, weil er bei Welt die Alibi-Funktion der kritischen Stimme bezüglich der Corona-Maßnahmen der Bundesregierung einnimmt.

Das macht Springer ja ganz geschickt, mitunter werden kritische Stimmen allerdings auch hinter der Paywall deponiert, wenn sie zu kritisch sind, wie es seit Jahr und Tag mit dem regierungskritischen Blogger Don Alphonso passiert, der so faktisch von Welt blockiert wird, aber im Zweifel ein prima Alibi hergibt.

Lassen wir Röhn kurz außen vor und schauen auf Schuler und Reichelt: Hier gibt es zunächst einen gewichtigen Unterschied: Schuler geht, Reichelt wurde gegangen. Wichtig im Hinterkopf zu behalten: Julian Reichelt wäre heute vermutlich noch bei Bild/Springer, wenn man ihn nur gelassen hätte.

Jetzt kann man durchaus sagen: Dem Journalismus hat das gut getan. Denn Reichelt demonstriert heute auf besondere Weise, wie die Vierte Gewalt arbeiten kann, wenn man im positiven Sinne zügellos ist.

Tatsächlich könnte man behaupten, dass die wattierten Redaktionen der Alt-Medien eben genau das sind: Eine Wattierung, die mit der Bereitschaft einhergeht, die regierungsnahe Haltung des Hauses in letzter Konsequenz oder generell mitzutragen.

Froh kann da sein, wer die Rolle der Alibi-Funktion für diese Häuser einnehmen darf.

Nur sollte man nicht anfangen, selbst zu glauben, es sei mehr als nur eine Alibi-Funktion. So steht man schnell im rauen Wind und wird womöglich über irgendwelche fingierten Frauengeschichten geschubst, wie es Julian Reichelt passierte.

Einer wie der Ex-Spiegel-, jetzt Focus-Kolumnist Jan Fleischhauer kann das viel besser: Er hat genau verstanden, welche Alibi-Rolle er im jeweiligen Haus spielen darf, soll und muss. Bei aller Kritik daran muss man ihm das wenigstens grundsätzlich einmal positiv anrechnen.

Bei Ralf Schuler ist das etwas anderes. Der ist zu jung, um schon in Rente zu gehen und hat jetzt die Schnauze voll vom regierungsnahen Journalismus, ihm ist offensichtlich auch die Alibirolle nicht mehr genug, er packt seinen Koffer und sagt "Adieu", wie Cicero und andere heute früh berichtet haben.

Naheliegend, dass sich Schuler möglicherweise selbst den Cicero als Grenzgänger zwischen den Welten ausgesucht hat. Auch Reichelt hat das Blatt einmal genutzt, um sich zurückzumelden. Der Cicero ist kein alternatives Medium, aber zu regierungskritisch, um noch zu den Alt-Medien gezählt werden zu dürfen – ein anstrengender Spagat, der in den Kronjuwelen ganz schon schmerzhaft sein muss, wenn man weiter auf Cojones besteht.

Ralf Schuler allerdings beschwerte sich auch darüber, dass sein Brief öffentlich wurde. Unklar also, wer hier tatsächlich wann öffentlich wurde.

Der Cicero titelte jedenfalls: „Ralf Schuler verlässt 'Bild' - 'Ich bin nicht bereit, für eine politische Bewegung und unter ihrer Flagge zu arbeiten'“.

Das ist ein radikaler Bruch mit den Alt-Medien und ein Anwurf in reinster Neu-Medien-Tonalität. Wer sich an die Hochzeit der Pegida-Bewegung erinnert, der erinnert sich an den Begriff „Lügenpresse“, bei Schuler ist das – gemessen an der Aufgabe der Medien als Vierte Gewalt – mit etwas bösem Willen auch so zu interpretieren.

Schuler ist aktuell noch Leiter der Parlamentsredaktion und schrieb einen Brief an Springer-Chef Mathias Döpfner und „Bild“-Chefredakteur Johannes Boie. Der Cicero zitiert aus diesem Brief:

„Im Geiste Axel Springers treten wir selbstverständlich im besten freiheitlich-bürgerlichen Sinne für die Rechte des Einzelnen ein, diskriminierungsfrei zu leben, solange er niemandes Freiheit beschneidet. Das bedeutet aber ausdrücklich nicht, dass wir „fest an der Seite der LGBTQ-Community im eisenharten Kampf für Menschenrechte und gegen Diskriminierung“ stehen, wie es ein stellvertretender BILD-Chefredakteur im täglichen Briefing dieser Tage schrieb. Vom stalinistischen Schwulst der Formulierung einmal abgesehen, stehe ich keiner politischen Bewegung ‚fest zur Seite‘ und halte dies auch ganz grundsätzlich NICHT für die Aufgabe von Journalisten.“

Schuler schmeißt jetzt offiziell hin wegen der Springer-Verbeugung vor der Regenbogenflagge, wie sie zuletzt von Döpfner selbst auf erschreckend devote Art und Weise durchgeführt wurde.

Wer Mathias Döpfners Arbeit kennt, der weiß, dass der Chef im Hause Springer sonst unerschrocken agiert. Aber auch er wurde zuletzt angeschossen, private kritische Äußerungen über die Regierungspolitik wurden ausgerechnet von vermeintlichen Freunden durchgestoßen.

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Man darf gespannt sein, wo sich Ralf Schuler demnächst journalistisch niederlassen wird. Es wäre ihm zu wünschen, dass er sich auf seine eigenen Beine stellt, wie es jetzt Reichelt zwangsweise machen musste. Möglicherweise gehen beide sogar zusammen, wer weiß.

Da dürfte es dann wiederum spannend werden, wie sehr ihnen die alte Alpha-Männchen-Ellenbogenmentalität der Alt-Medien einen Strich durch die Rechnung macht. Aber vielleicht können die beiden gar nicht miteinander.

Die taz hatte übrigens schon 2018 über Reichelt lange vor dessen Rausschmiss geschrieben, er sei der „bei Rechten beliebte Twitterer Julian Reichelt“.

Ralf Schuler und beispielsweise Tim Röhn finden auch außerhalb der regierungsnahen Medien Beachtung.

Was hier auf alle drei zu trifft: Reichelt, Schuler und Röhn schmeckt die Luft der Freiheit der Anderen. Sie genießen sie, aber sie scheuen wie der Teufel das Weihwasser die neuen Medien, die diesen Wind erzeugen, sie wildern nur gerne und genießen den unerwarteten Applaus.

Ein Modell, das die drei aber nicht selbst erfunden haben. Ein bekanntes Trio aus der Politik hat es vorgemacht: Sahra Wagenknecht, Oskar Lafontaine und Wolfgang Kubicki haben längst das Publikum der neuen Medien für sich entdeckt, sind aber bis heute konsequent auf eine Weise ausgrenzend unterwegs gegenüber diesen Medien, dass man schnell erkennt, worum es ihnen tatsächlich geht.

Suchen Sie doch einmal ein Interview von Wagenknecht oder Lafontaine bei den neuen Medien oder nur ein Gespräch mit Julian Reichelt – Pustekuchen.

Ein Pustekuchen ist ein Windbeutel. Und auch Ralf Schuler wird jetzt – so er nicht in die Werbung geht – noch einmal die harte Schule des kritischen Journalismus neu erleben. Er wird auf seinen eigenen Füßen dorthin gehen müssen, wo die Eisernen Kreuze wachsen. Herzlich Willkommen bei den bösen Mädchen und Jungs.

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