Til Schweiger ist in diesem Moment Rebell und Outlaw, Til Schweiger ist Rainer Werner Fassbinder

Der Spiegel hebt das Bein an Til Schweiger

von Alexander Wallasch (Kommentare: 12)

Der Mann verkörpert Bodenständigkeit, ein großes Herz, er nimmt Menschen mit seinem unverstellten Charisma für sich ein. Schweiger ist der Typ, der den Kindern Eierkuchen backt.© Quelle: Youtube/ Psyche Phil/ Screenshot

Der Spiegel berichtet aktuell von angeblichen Vorkommnissen hinter den Kulissen am Set von Til Schweiger.

Über Mitarbeiter heißt es im Titel: „Sie nennen ihn den ‚Imperator“. Von mutmaßlichen Schikanen ist die Rede und von Gewalt beim Filmdreh. Schweiger widerspricht der Darstellung.

Fakt ist: Gleich eine ganze Reihe sogenannter Edelfedern haben Til Schweigers aktuellen Film „Manta Manta zwoter Teil“ gnadenlos verrissen. Davon unbeeindruckt wurde dieser typische Schweigerfilm in rasendem Tempo zu einem Publikumsmagneten. Ein Affront von Schweiger gegenüber dem Feuilleton.

Bei den vielen Bestsellern des erfolgreichen Produzenten, Regisseurs und Schauspielers war eine gestörte Reaktion der Mainstream-Medien allerdings keine Seltenheit.

Hier kann man sich die Frage stellen, was diese Hochhaus-Redakteure daran reizt, Talent und Erfolg dieses Mannes immer wieder so madig zu schreiben. Aber man kann es auch einfach lassen. Es mag daran liegen, was Schweiger für seine Millionen Fans verkörpert:

Der Mann repräsentiert Bodenständigkeit, ein großes Herz, er nimmt Menschen mit einem unverstellten Charisma für sich ein. Schweiger ist der Typ, der den Kindern Eierkuchen backt. Und irgendwo war mal zu hören, das Schweiger einem Freund, der Sorgen hatte, noch nachts um vier Uhr seine berühmten Eierkuchen gebacken hätte, mit zu viel süßer Soße, wie der Freund später lachend erzählte. Aber er lachte wieder. Vielleicht auch deshalb, weil Schweigers Vier-Uhr-Eierkuchen schlimmer waren als der Schmerz.

Keine Ahnung, ob die Zuckerbäckerei stimmt, aber entscheidend ist doch, dass sie stimmen könnte. Und das haben sich offenbar jene Autoren gedacht, die jetzt über Schweiger herfallen und gar nicht begreifen, wie auffällig peinlich das ist, auf den beneideten Erfolg Schweigers nun Müll zu kippen.

Womöglich, um mit der Miesmacherkritik an Schweigers Werk doch noch irgendwie Recht behalten zu haben. Frei nach dem Motto: Okay, die Millionen Zuschauer sind bescheuert, solche Filme zu mögen. Aber die Suppe versalzen wir Til.

Von einem betrunkenen Schweiger am Set ist die Rede, gar von einer Ohrfeige. Aber das Schweiger gern mal einen Erfolg feiert, das stellt er selbst bei Instagram ein, dafür braucht er keine schmierigen Gazetten.

Szenenwechsel: Der Spiegel sprach 1999 mit dem Filmemacher Werner Herzog. Diese feuilletonistische Heldenverehrung trug den zunächst merkwürdig erscheinenden Titel „Wir hätten uns fast ermordet“. Im Interview selbst erzählt Herzog von seiner „Wahnsinnsbeziehung“ zu Klaus Kinski und darüber, dass der Schauspieler für ihn „ein Geschenk Gottes“ gewesen sei.

Interessanter für den Leser wird es da, wo Herzog sein Gottesgeschenk am Drehort erschießen wollte. Die Stimmung am Set zwischen Kinski und ihm schildert Herzog so: „Diese Intensität war auch lebensbedrohlich. Und es wäre fast dazu gekommen, dass wir uns getötet hätten.“

Edelfeder Andreas Kilb schwärmte später in der Frankfurter Allgemeine über Killer-Herzog:

„Er ist mit der Kamera durch Wüsten und über Berge gezogen, unter die Erde und in die Antarktis, er hat die Tiefen des Meeres und des Dschungels gefilmt, er war im brennenden Kuweit und im Reich des Kaisers Bokassa.“

Und Kilb schreibt mit fast stumpfer Begeisterung darüber, dass Herzog bei den Dreharbeiten zu „Aguirre, der Zorn Gottes“ seinem Hauptdarsteller noch drohen musste, ihn zu erschießen, wenn Kinski es bloß gewagt hätte, vorzeitig abzureisen.

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Ein weiterer Szenenwechsel hinüber in die Bundeskunsthalle Bonn und zu einer Retroperspektive mit dem Titel „Methode Rainer Werner Fassbinder“. Die Deutsche Welle schrieb über diese Retrospektive:

„Fassbinder eckte an - auch mit seiner Homosexualität. Weder in seine filmischen Konzepte noch in seinen Lebensstil ließ er sich hineinreden. Fassbinders Homosexualität, die sowohl in seinen Filmen als auch in der Öffentlichkeit thematisiert wurde, stieß im gesellschaftlichen Klima im Deutschland der 1970er-Jahre auf viele Vorbehalte. Fassbinder war ein radikaler Außenseiter in einer bürgerlichen Gesellschaft.“

Wie klänge es, schriebe man diese Passage 2023 auf Til Schweiger um? Vielleicht so:

„Til Schweiger eckte an - auch mit seiner Bodenständigkeit. Weder in seine filmischen Konzepte noch in seinen Lebensstil läßt er sich hineinreden. Schon gar nicht von einem selbstbesoffenen Feuilleton. Schweigers heute fast schon wieder laszessiv wirkende Normalität, die sowohl in seinen Filmen als auch in der Öffentlichkeit thematisiert wird, stößt im gesellschaftlichen Klima im Deutschland der 2023er-Jahre auf viele Vorbehalte. Schweiger ist der Bürgerliche unter lauter Radikalen.“

Über Fassbinder heißt es, er sei am Set ein Wüterich gewesen und hätte Freund und Feind beschimpft. Der Treibstoff, welcher zum Erfolg führte, war eine tiefer See aus Tränen, könnte man allenfalls poetisch verklärend schreiben.

Wieder der Spiegel interviewte 2020 den Fassbinder-Schauspieler Harry Baer und titelte aus diesem Interview: „Wirklich befreit von ihm fühle ich mich erst seit ein paar Jahren.“ Übel im Umgang sei Fassbinder gewesen und Baer bestätigt, dass Fassbinders spezielles Talent auch darin bestand, Schauspieler am Set mies zu behandeln.

Die Bunte schrieb vor wenigen Stunden über Til Schweigers Arbeit am Set, dass der „die Arbeitsbedingungen für die Crewmitglieder extrem herausfordernd gestalte, indem er die täglichen Produktionszeiten so weit ausdehne, bis die psychische Belastung der Mitarbeiter am Limit sei und sich auch Unfälle häufen“.

Unabhängig davon, dass so ein Filmdreh kein Donnerstagvormittag im Hochhausbüro bei Siemens ist, passt das nicht zusammen mit Stimmen von Kollegen, die Schweiger als einen warmherzigen und empathischen Menschen beschreiben. Einen Schweiger-Drehort mit Schweigers Töchtern am Set als eine Hexenküche oder Folterkammer zu beschreiben, erscheint abwegig.

Fakt ist: Der Spiegel gibt hier den Stuckrad-Barre und sammelt Stimmen gegen Schweiger. Und der ist in diesem Moment von Bertie zu Döpfner und Reichelt geworden.

Hier geht es darum, den Normalo Schweiger zu demontieren und aus dem Geschäft zu drängen. Zu sehr hatte man wohl gehofft, dass der gebürtige Freiburger mit „Manta Manta zwoter Teil“ baden geht.

Aber der Erfolg war noch nicht einmal die größte Frechheit von Schweiger. Die polit-mediale Meuchelmaschine wurde mutmaßlich angeschmissen, weil Schweiger politisch wurde, als er sich gegen Klimakleber aussprach, sie „Vollidioten“ nannte und sich wünschte, der grüne Wirtschaftsminister Habeck würde sich lieber klebend dazusetzen, anstatt das Land zu zerstören.

Und dann war da noch der Schweiger, der sich in einem sehr einfühlsamen Porträt gemeinsam mit anderen Künstlern vorsichtig kritisch gegen das Impfen ausspricht, weil eine seiner Töchter sehr unter den Folgen einer früheren Impfung leidet oder litt.

Das alles darf man als Filmschaffender in Deutschland nicht. Til Schweiger schert das nicht, er macht aus seinem Herzen keine Mördergrube, während diese Horde von öffentlich-rechtlich gepamperten Film- und Fernsehmachern der Politik nicht in die Quere kommt.

Til Schweiger ist in diesem Moment Rebell und Outlaw, Til Schweiger ist Rainer Werner Fassbinder. Nur, dass sich Schweiger an so einem emotional aufgeladenen wie explosiven Platz wie einem Drehort deutlich besser benehmen kann als Fassbinder.

Es ist auch nichts darüber bekannt, dass Schweiger einmal einem Schauspieler gedroht hätte, diesen zu erschießen. Werner Herzog hat noch laut damit geprahlt. Noch ein Unterschied vielleicht: Wenn Tatort-Kommissar Nick Tschiller jemanden erschießen will, dann würde er mutmaßlich auch treffen.

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