SPON-Kolumnist Thomas Fischer erinnert den Spiegel daran, wer er einmal war

Ein Spiegelkolumnist verprügelt Ukraine-Berichterstatter nach allen Regeln der Kunst – und wird wieder eingefangen

von Alexander Wallasch (Kommentare: 17)

„Das strategische Programm, es seien möglichst lange möglichst viele Waffen zu liefern bis zum vollständigen triumphalen Sieg des ukrainischen Brudervolks, scheint mir defizitär zu sein.“© Quelle: Youtube /BIld Screenshot

Ich hätte nicht mehr gedacht, dass ich noch einmal einen Artikel des Spiegels lobend erwähnen würde, aber nun passiert es doch.

Und warum? Weil der Spiegel-Online-Kolumnist, der Ex-Bundesrichter Thomas Fischer, einen Text zur Ukraine-Berichterstattung der etablierten Medien geschrieben hat, der solche Absätze enthält:

„Das Hanns-Joachim-Friedrichs-Gebot (»Einen guten Journalisten erkennt man daran, … dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache«) lernt natürlich noch immer jeder Journalistenschüler auswendig. In der Wirklichkeit hat es jedoch wenig Durchschlagskraft. (…) In der Ukraine- und Russlandberichterstattung klingt der oben zitierte Friedrichs-Satz endgültig wie ein Witz. Vielmehr scheint hier eine Identifikation mit der richtigen Seite sowie ihre ausdrückliche Versicherung von den Spitzen bis zu den Gute-Laune-Moderatoren und Lokalredakteuren ein journalistisches Bedürfnis zu sein.“

Jetzt kommt aber schon der erste Anlass, sich vor Lachen zu biegen: Der Spiegel war so überwältigt vom eigenen Mut, so etwas zu veröffentlichen, das nach Tagen allen Ernstes eine Gegenrede veröffentlicht wurde.

Dazu aber später mehr, erst einmal weiter zum Reichsparteitag beim Spiegel, zurück in Fischers Ukraine-Berichterstatter-Gerichtssaal. Ich bin übrigens froh, überhaupt bis zur zitierten Stelle durchgedrungen zu sein, denn wer schon glaubt, der Wallasch mäandere bisweilen herum, der soll erst einmal den Fischer lesen.

Juristen haben offenbar Probleme mit dem einen klaren Satz, sie sind es einfach gewöhnt, ständig irgendwelche erklärenden Querverweise zu setzen. Wer einmal einem hochrichterlich verlesenen Urteil von A bis Z lauschte, der weiß, was gemeint ist. Die Verlesung der Verurteilung gegen die Linksextremistin Lina Engel etwa soll über acht Stunden gedauert haben.

Fischer schaut auf die Welt und fällt sein Urteil und der Spiegel macht eine Kolumne daraus. Und erschrickt sich dann furchtbar, dass Thomas Fischer einmal – dieses eine verdammte Mal! – sagt, was ist, und sich darüber erregt, dass das nicht sein darf oder sein soll.

Fischer wirft eine Tintengranate mitten hinein in dieses deutsche Synchronorchester der Ukrainefreunde. Der Knall klingt dann so:

„Ein Phänomen sei noch erwähnt, welches die Publizistik zum Ukrainekrieg prägt: Mir fällt seit Längerem auf, dass die hiesige Expertenpublizistik zum Ukrainekrieg in erstaunlichem Umfang von Autoren bestritten wird, die entweder als Ukrainer vorgestellt werden oder als Russen, die eigentlich Ukrainer des Herzens sind, oder als Reporter, die »vor Ort« sowie mit ganzer Kraft Ukrainer des Herzens sind.“

Und so munter geht’s auch weiter:

„Nun ist persönliches Anliegen eine inspirierende und vielleicht auch verpflichtende Angelegenheit. Trotzdem, so meine ich, sollte für professionelle Journalisten doch eher der professionelle Journalismus die bestimmende Herzensangelegenheit sein als die emotional-demonstrative Verschmelzung mit einem Anliegen – in Kriegsfragen mit einer Kriegspartei.“

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Dann gibt’s kein Halten mehr. Und Bämm, gleich die nächste Explosion mitten ins einstimmige deutsche „Slawa Ukrajini“ hinein:

„Ein ganz erheblicher Teil der von Exil-Ukrainern verfassten Analysetexte besteht aus Wutbekenntnissen ohne größeren Wert. Ich kann mich nicht erinnern, dass den Stellungnahmen irgendeiner anderen internationalen Kriegs- und Konfliktpartei in den vergangenen Jahrzehnten in der deutschen Publizistik ein derart dominierender Platz ohne jegliche Gegenrede oder Kritik eingeräumt worden wäre.“

Selten hat zuletzt bei den Etablierten jemand so deftig in die Feldküche gespuckt, wie es Thomas Fischer hier macht:

„Haben Sie, verehrte Profikommunikatoren, schon jemals in Ihrem Berufsleben eine konflikthafte Problematik erlebt, in welcher die Positionierung zwischen »richtig« und »falsch« als so unhinterfragbar und eine andere, abweichende oder gar oppositionelle Position als annähernd so unvertretbar und verwerflich galten? Haben Sie jemals – sagen wir: rückblickend bis zum Vietnamkrieg – über eine politische oder militärische Konfliktlage berichtet, in welcher die als einzig vertretbar geltende Position ähnlich eisern festgeschrieben war wie im Ukrainekonflikt? Und hat Sie wirklich nicht ein einziges Mal eine Anmutung, Erregung oder Unruhe ergriffen des Inhalts, ob es möglicherweise auf denselben Gegenstand zwei, drei oder vier verschiedene Blicke geben könne, die jedenfalls einer journalistischen Zuwendung wert sein könnten?“

Und Fischer hatte seine Magazine auf die Kollegen noch lange nicht leergeballert, es wird jetzt ein richtiges Scheibenschießen:

„Als vor 20 Jahren die Koalition der Willigen (einschließlich der Republik Ukraine) in den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen den Irak zog, begann der »Embedded Journalism« seinen Lauf in die Welt des Richtigen und Wahren. Ich erinnere mich, dass die derart bezeichnete Propagandastrategie in Deutschland auf erhebliche Kritik stieß und empörte Distanzierungen auslöste. Das sind für die heutigen Welterklärer und Kriegsberichter, 400 Kilometer hinter der Front, vermutlich bestenfalls sentimentale Reminiszenzen.“

Thomas Fischer richtet final das Wort direkt an diese ganzen „Journalisten“ mit Ukraine-Flagge im Twitterprofil:

„Ich frage Sie: Gibt es irgendeinen vor dem Wahrheitsgebot bestehenden Grund für die Annahme, dass über den Konflikt der Ukraine mit Russland ausschließlich Ukrainer und amtlich beglaubigte Russenhasser berichten sollten, um die Wahrheit zu enthüllen?“

Und Fischer erinnert die Kollegen ferner daran, dass Betroffensein „für eine professionelle Berichterstattung und Bewertung von Konflikten nicht sachliche Bedingung, sondern ein hohes Qualitätsrisiko“ sei.

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Diese vom Kolumnisten Thomas Fischer beobachtete „Betroffenenperspektive“ enthält seiner Ansicht nach „erschreckendes Potenzial zu Unwahrhaftigkeit, Propaganda, Verkennung, Faulheit, Feigheit, Inkompetenz, Scheinrationalität und Opportunismus“. Dann nämlich, „wenn sie in der sozialen Wirklichkeit des professionellen Journalismus als regelhafte Anleitungen praktiziert werden. In diesem Fall illustrieren sie eben das, was zu bekämpfen und zu verhindern sie behaupten.“

Fischer findet „die einfallslos-repetitive Parteilichkeit der deutschen Publizistik in der Frage des Ukrainekonflikts“ überaus langweilig. Und er stellt klar, dass es keine empirische oder moralische Regel gebe, „wonach für die publizistische Bearbeitung eines militärischen Konflikts bevorzugt oder ausschließlich Personen als sachkundig anzusehen seien, die sich mit einer der Konfliktparteien identifizieren.“

Richter und Spiegel-Kolumnist Fischer attestiert „abertausenden Journalisten“ und deren Berichterstattung zum Ukrainekrieg „Sandkastenniveau“, weil sie gar nicht in der Lage wären, zu beantworten, „was denn nun die strategische Zielsetzung des aktuellen Welten- und Wertekampfs“ sei.

Das ist so wunderbar, dass man die Zündschnur nochmal anzündet möchte, weil der Wumms so schön war. Und als hätte Fischer es gehört, legt er nochmal an:

„Das strategische Programm, es seien möglichst lange möglichst viele Waffen zu liefern bis zum vollständigen triumphalen Sieg des ukrainischen Brudervolks, scheint mir defizitär zu sein.“

Das Finale geht dann so:

„Freier, offener, kritischer Journalismus ist ein Teil dessen, was als »unsere Werte« derzeit, wie behauptet wird, am Dnipro zu verteidigen ist. Wenn jeder Anflug kritischer Distanz nur mehr als Verrat oder Feindpropaganda denunziert wird, ist ein Erfolg dieser Werteordnung allerdings unwahrscheinlich.“

Ach, hatte ich schon erwähnt, dass der Spiegel sich bemüßigt sah, eine Gegenrede zu schalten, um den entfesselten Richter Fischer wieder einzufangen?

Das Intro zur Gegenrede klingt dann so:

„Die deutsche Berichterstattung zu Russlands Überfall auf die Ukraine sei beherrscht von Russenhassern, behauptet SPIEGEL-Kolumnist Thomas Fischer. Sein Gefühl hat mit der Wirklichkeit wenig zu tun.“

Und der Autor, der zu dieser Gegenrede verdonnert wurde oder es freiwillig machte, klingt so patzig, wie erwartbar und so abgedroschen, wie langweilig:

„Das Lamento ist nicht neu, dass deutsche Medien praktisch alle gleich und regierungsfreundlich berichten würden. Nur macht die Wiederholung die Behauptungen nicht wahrhaftiger.“

Hilfreich zur Einordnung auch der Schlusssatz dieser Gegenrede als peinlich entlarvende Pflichtübung:

„Nur warum er die »heutigen Welterklärer und Kriegsberichterstatter« partout »400 Kilometer hinter der Front« weiß, bleibt rätselhaft: Was wollen die denn alle in der ukrainischen Stadt Poltawa?“

Ach Gott, da hat der Herr Fischer eine Kilometerzahl falsch abgelesen und damit soll nun seine Generalabrechnung ad absurdum geführt werden? Was für ein herrliches Gemetzel von Thomas Fischer und was für ein lächerliches Gewimmer, das ihm nachgeschmissen wird.

Und nur zur Sicherheit und als Wink an die geneigten Kommentatoren: Ich habe keine Ahnung, wie sich Richter Fischer zum mRNA-Spritzen aufgestellt hat, aber es ist mir für den Moment einmal herzlich egal.

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