Trend-Bio-Obst-Versand stoppt Flüchtlingshilfe, um „Rolle in dieser humanitären Krise erneut zu beurteilen“

In der Ukraine wachsen keine Mangos – CrowdFarming oder CrowdFraming?

von Alexander Wallasch (Kommentare: 1)

Hier glaubt der Konsument gerne, was er glauben möchte, er akzeptiert die charmanten werblichen Tricksereien, weil er an das Gesamtkonzept glaubt, daran glauben will, weil es so perfekt zu seiner inneren Haltung passt.© Quelle: Screenshot / crowdfarming.com

Ein aktuell sehr erfolgreicher direktvermarktender Bio-Obst-Versand hat seine groß angelegten Hilfslieferungen an die Ukraine vorerst eingestellt. Wie es dazu kam und warum die Ukraine keine Bio-Obst-Geschenke mehr bekommt, gleich im Folgenden, vorab ein paar Informationen zum Unternehmen:

Fast jeder hat schon irgendwann einmal via E-Mail oder Banner in den Sozialen Medien Werbung von „CrowdFarming“ bekommen. Ich bin selbst Kunde. Ich bin aber auch Opfer: Der werbliche Dauerbeschuss hatte mich irgendwann mürbe gemacht. Die Produkte, welche ich geliefert bekam, waren allerdings so gut, dass es bei mir rückblickend dieser werblichen Penetration gar nicht bedurft hätte.

Ich bekam im vergangenen Herbst eine Kiste Bio-Mangos zugesandt, die während des Verzehrs eine echte Geschmacksexplosion auslösten. Kindheitserinnerungen wurden wach. Nein, es waren nicht meine ersten Mangos, aber es fühlte sich beinahe so an: Aromen, Düfte und eine Süße, die schwindelig machte.

„CrowdFarming“ wirbt damit, Bio-Lebensmittel ohne Zwischenhändler direkt vom Bauern zu verschicken – „sozial fair“ soll es obendrauf zugehen. In einem Satz: Hier werden Klischees dieser linksgrünen Prenzlauer-Berg-Verschwurbelung gleich kistenweise bedient.

Wer Mangos bestellt, kann bei „CrowdFarming“ auch gleich seinen eigenen Mangobaum adoptieren und ihm einen Namen geben, ein Namensschild wird an „seinen“ Baum gehängt. Was allerdings mutmaßlich nicht dazu führt, dass man exakt die Früchte von diesem Baum geliefert bekommt. Aber zu diesem Geschäft gehört eben die Imagination, dass es doch sein könnte. Es gehört dazu, dass es der Kunde gerne glauben will, wider besseren Wissens.

Ein Motto dieser Initiative lautet: „Multilokales Denken statt Globalisierung“. Auf der Website des Unternehmens bzw. der Initiative findet sich auch ein pastellfarben gestalteter Transparenzbericht, das macht man heute so.

Und auch wenn das die eigentliche Idee von „CrowdFarming“ ist, die Kisten werden nicht beim Bauern direkt verpackt und an mich geschickt. Auch hier wird die Frucht aus beispielsweise Spanien per LKW verschickt und dann erst bei uns zentral verpackt und versandt. Allerdings, so heißt es, ohne die üblichen Discountertricks wie künstliches Nachreifen nach unreifer Ernte usw.

Transparenzbericht CrowdFarming

Zusammengefasst: Hier glaubt der Konsument gerne, was er glauben möchte, er akzeptiert die charmanten werblichen Tricksereien, weil er an das Gesamtkonzept glaubt, daran glauben will, weil es so perfekt zu seiner inneren Haltung passt. Bonus obendrauf: Das Produkt ist real und lecker, es hält was es verspricht, sogar noch im politisch-korrekten Gewand.

Das ist „CrowdFarming“. Da überrascht es wenig, dass dieses Unternehmen auch Spenden in die Ukraine und für Ukrainer in Deutschland organisiert hat.

Aber damit ist es jetzt vorbei. Nachdem „CrowdFarming“ nach Selbstbekunden bis heute „190 Tonnen frische Früchte sowie andere Lebensmittel wie Nüsse, Reis und Olivenöl“ an drei verschiedene Organisationen geschickt hat, an die Caritas, die Polnische Lebensmittelbank und World Central Kitchen (von Chefkoch José Andrés), stellt „CrowdFarming“ diese Lieferungen für Ukraine-Flüchtlinge jetzt ein.

Und das Unternehmen liefert in einer Rundmail an Freunde und Kunden eine Begründung gleich mit:

„Nach dieser Lieferung werden wir die Lebensmittelspenden für die Geflüchteten in der Ukraine vorübergehend einstellen, um unsere Rolle in dieser humanitären Krise erneut zu beurteilen. In den letzten drei Monaten haben wir beobachtet, wie sich die Lebensmittelversorgung verbessert hat und wie sich Systeme entwickeln konnten, die auch die lokale Wirtschaft unterstützen. Gleichzeitig hat sich in den letzten Wochen unser Versandvolumen verringert, so dass der Transport weniger effizient ist. Wir arbeiten derzeit an der Entwicklung der nächsten CrowdGiving-Initiative, um weiterhin mit vereinten Kräften einen Beitrag zur Ernährungssicherheit leisten zu können.“

Was hier so transparent daherkommt, ist es in Wirklichkeit nicht. Es drückt sich nur so aus, mehr Schein als Sein. Das verringerte Versandvolumen meint demnach eigentlich eine sinkende Bereitschaft der Kundschaft, auch eine Kiste extra zu kaufen für die Ukraine.

Und so funktionierte bisher, was jetzt nicht mehr so richtig flutscht:

„1. Wähle ein Produkt von dieser Seite aus und lege es in deinen Warenkorb.
2. Gib eine Lieferadresse (in Polen) an: Du kannst die Sendung an jemanden schicken, den du kennst und der Geflüchtete aufnimmt, oder dein Paket direkt an die Lebensmittelbank Żywności in Warschau schicken.
3. Wir holen die Lebensmittel direkt beim Landwirt ab und veranlassen den Versand. Du erhältst eine Bestätigung, wenn deine Lieferung angekommen ist.“

Der Kunde bezahlt das Obst – sichtbar sind hier keine Vergünstigungen gegenüber dem sonstigen Einkauf für den Eigenbedarf, aber „CrowdFarming“ betont dennoch, dass man „die gesamten Logistikkosten“ finanzieren würde.

Ihre Unterstützung zählt

Mit PayPal

Wer also vier Kilo Reis an ukrainische Flüchtlinge in Polen verschenken will, der zahlt dafür bei CrowdFarming 13,56 Euro. Dafür kommt beim Flüchtling in Not dann sowas wie der beste Reis der Welt an, direkt aus dem spanischen Naturpark Albufera. Empfohlen wird der Reis übrigens „für spanische Gerichte, insbesondere Paella“.

Oder der Kunde, welcher Flüchtlingen in der Ukraine helfen will, schickt drei Kilo Walnüsse, diese Hilfe kostet ihn bei CrowdFarming 28,04 Euro. Dafür bekommt der ukrainische Flüchtling in Polen allerdings Walnüsse, die „alle ihre organoleptischen Eigenschaften bis zum Juli des Folgejahres nach der Ernte“ behalten. CrowdFarminjg erzählt auch, wo die Nüsse herkommen: „Unsere Hauptfinca trägt den Namen La Plana; sie liegt in unmittelbarer Nähe des Flusses Segre, nahe am Mittelmeer und etwa 80 km von den katalanischen Pyrenäen entfernt.“

Oder wie wäre es mit fünf Liter Extra natives Olivenöl von Campillo de Júlia? Für die Lieferung dieser fünf Liter Olivenöl nach Polen für ukrainische Flüchtlinge zahlt der hilfsbereite Deutsche 46.96 Euro und erfährt obendrauf, dass die Oliven für dieses Öl aus einer „vogelfreundlichen Ernte“ entstammen.

Der mutmaßliche Durstige wird hier mit Champagner bedient und der Hungrige erhält ein Kavierfrühstück – solche Assoziationen könnte bekommen, wer hier gewillt ist, mal ein paar Sekunden darüber nachzudenken, was er da eigentlich treibt, wenn er solche Hilfszahlungen anweist.

Möglicherweise ist CrowdFarming mittlerweile selbst aufgegangen, dass sie hier an die äußersten Grenzen ihres Businessplans gestoßen sind. Ab einem bestimmten Punkt ist nämlich auch die Akzeptanz der Kunden vom Prenzlauer Berg endlich, was dieses besonders attraktive Luftschloss angeht.

„CrowdFarming“ möchte nach dieser Lieferung „die Lebensmittelspenden für die Geflüchteten in der Ukraine vorübergehend einstellen, um unsere Rolle in dieser humanitären Krise erneut zu beurteilen“.

Wenn die CrowdFarmer ihre Beurteilung abgeschlossen haben, reichen wir diese hier gerne nach.

Einen Kommentar schreiben

Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen. Aufgrund von zunehmendem SPAM ist eine Anmeldung erforderlich. Wir bitten dies zu entschuldigen.

Kommentare