Vom Glück einer wohlhabenden und schwielenlosen Geburt eines Journalisten in seiner Komforthängematte

Jan Fleischhauer will Faulpelzen unter Hartz-IV-Empfängern den Hahn zudrehen

von Alexander Wallasch (Kommentare: 7)

Was bei der Empörung über Hartz-IV-Empfänger bei Fleischhauer so besonders abstößt, ist dieser arrogante Tonfall. Einen, den man sich tatsächlich erst einmal erarbeiten muss.© Quelle: janfleischhauer.de/

Der Focus-Journalist Jan Fleischhauer hat Hartz-IV-Bezieher aufs Korn genommen und ihnen Faulheit vorgeworfen. Faulheit als eine Art verklöppelte Kritik an der Sozialpolitik der Ampel. Aber was soll das? Geht es nur darum, Rot-Grün zu kritisieren, notfalls auch auf Kosten der ärmsten Schweine?

Eine Spurensuche entlang einer elitären Hängematte, aus der heraus es sich so gut über die Asozialen in den sozialen Hängematten schimpfen lässt:

Jan Fleischhauer war sein halbes Leben lang Redakteur und Kolumnist beim Spiegel. Heute schreibt er für den Focus. Fleischhauers Vater war Leiter der Öffentlichkeitsarbeit des NDR in Hamburg und Geschäftsführer der Deutschen Fernsehlotterie, seine Mutter SPD-Mitglied.

Seine linke Herkunft vergoldete der Journalist mit einem vielgelesenen Buch, dass seine privilegierte linke Herkunft auf die Schippe nimmt: Aufgewachsen ist Fleischhauer im wohlhabenden Hamburger Stadtteil Wellingsbüttel, hier lässt es sich gut links sein, hier liegt der Ausländeranteil bei 7 Prozent (Hamburger Durchschnitt 17,7 Prozent), der Anteil der Hartz-IV-Empfänger liegt bei 1,6 Prozent (Hamburger Durchschnitt 9,9 Prozent) und die Arbeitslosenquote bei 2,9 Prozent (Hamburger Durchschnitt bei 6,4 Prozent in 2020).

Der Journalist wuchs also in einer Art Hamburger Binnen-Sylt auf, dort, wo man sich heute gern links, divers und regenbogig gibt, aber wenn die Unterschicht zu nahe kommt, wird man schnell hysterisch.

So wie in Duvenstedt, einem weiteren Sylt mitten in Hamburg, wo man den Kaviarlöffel ausnahmsweise mal zur Seite legte und sich über ein geplantes Containerdorf für Ukraineflüchtlinge erzürnt, das – natürlich – in Duvenstedt am völlig falschen Ort entstehen soll.

Fleischhauer wählt FDP, er besuchte die Henri-Nannen-Schule, war Mitglied der Atlantik-Brücke. Aber auch das wohl nur so halbherzig, wenn er seinen Abgang dort damit erklärt, man habe ihn wegen Verzugs bei den Mitgliedsbeiträgen von der Mitgliederliste gestrichen.

Fleischhauer ist also der Wellingsbütteler Punk aus gutem Haus.

Wie ernst es Fleischhauer mit einer weiteren Mitgliedschaft ist, weiß man nicht – jedenfalls ist Fleischhauer Teil einer Bürgerinitiative, die den Abschnitt der Straße „Unter den Linden“, an dem die russische Botschaft liegt in „Wolodomyr-Selenskyi-Platz“ umbenennen will, so eine typische Bürgerinitiative Gutbetuchter, die zwar keine Wohncontainer mit Ukrainern in Sicht- und Hörweite haben wollen, aber gerne medienwirksam ihr Gewissen beruhigen möchten, parallel vielleicht zu zwei südamerikanischen Kinderpatenschaften á fünfzig Euro.

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Als die Mutter seiner Kinder ihre Sachen packte, schrieb Fleischhauer ein Buch darüber. Deshalb darf man auch hier darüber berichten. Tränen vergossen hatte der Journalist über den Verlust, schreibt er, im Fahrstuhl im Spiegel-Haus in Gegenwart einer Ressortleiterin. Und schwere betäubende Psychopharmaka (Tavor) eingeworfen, um sich zurückzuträumen in das, was er in seinem Buch als sein höchstes Glück beschrieben hat:

Wenn sich Jan Fleischhauer an den schönsten Moment seiner Ehe- und Familienzeit erinnert, sieht er sich auf dem Dach des gemeinsamen Penthouses in der Hängematte schaukeln und in die Wolken schauen. Dort oben fühlt er sich frei und geborgen. Mit sich alleine. Wattiert in dem sicheren Gefühl, dass seine Frau ihm ein Stockwerk tiefer im Kinderzimmer den schaukelnden Silberrücken freihält. Verliebt in die Idee Familie, aber dann doch immer sorgsam außen vor.

Warum Jan Fleischhauer hier überhaupt so ausführlich erzählt wird? Weil der Journalist sich aktuell bei Focus eine Entgleisung gestattet hat, die man nicht unkommentiert lassen darf, auch wenn einige, die sich den alternativen Medien zuordnen, glauben, Fleischhauer wäre „doch einer von uns“, wie es mir mal ein Kollege mahnend erklären wollte, als ich kritisch, aber durchaus noch wohlwollend eine noch frühere Entgleisung von Fleischhauer auf Twitter kommentierte.

Jetzt hat sich Fleischhauer aus seiner imaginären Wellingsbütteler-gute-Herkunft-Hängematte heraus die Hartz-IV-Bezieher aufs Korn genommen und ihnen vielfach Faulheit vorgeworfen. Faulheit als eine Art verklöppelte Kritik an der Sozialpolitik der Ampel. Hauptsache Rot-Grün kritisieren, notfalls auch auf Kosten der ärmsten Schweine?

Fleischhauer fragt in seiner Focus-Kolumne: „Warum gibt es bei 1, 7 Millionen freien Jobs noch immer 1, 6 Millionen Dauerarbeitslose?“

Der Spiegel/Focus-Mann vermisst schmerzlich den so vertrauten Service in der Gastronomie, im Hotelgewerbe und am Flughafen. Überall fehle nun Personal, während sich Hartz-IV-Bezieher lieber in der sozialen Hängematte ausruhen würden, weiß Fleischhauer:

„Wir reden hier nicht von Spezialaufgaben, sondern von einfachen Tätigkeiten, also Jobs, die jeder erledigen kann, der über zwei Hände verfügt.“

Aber das galt schon immer kritisch, wenn sich Hand ohne Schwielen aus der Hängematte heraus darüber aufregen, dass sich das Gegenüber keine Schwielen holt.

Übrigens: Schon 2018 stellte der jahrzehntelange Arbeitgeber von Fleischhauer, der Spiegel, fest, dass über die Hälfte der Hartz-IV-Empfänger Migrationshintergrund hat.

Für die Beurteilung der Frage nach der Motivation zu Schwielen an den Händen ist das erheblich. Aber zur großen Überraschung findet sich in der Focus-Kolumne ausgerechnet dazu kein Sterbenswörtchen, da möchte Fleischhauer die Weste lieber sauber behalten, bloß nichts riskieren, keine Pferde unnötig scheu machen, die Komfortzone nicht verlassen.

So allerdings entsteht das schräge Bild von jemanden, der mit den bestehenden Verhältnissen, mit Klassenunterschieden und vor allem mit seiner eigenen elitären Zugehörigkeit eigentlich ganz zufrieden ist – Eben das Glück einer wohlhabenden Geburt an einem sonnigen Frühsommertag Anfang Mai 1962.

Fleischhauer schreibt hier Absätze, die man so 2022 nicht mehr für möglich gehalten hätte, Zeilen, wie aus einer anderen Welt, und wie sie leider an Arroganz kaum mehr zu überbieten sind:

„Um Koffer zu entladen oder Tische abzudecken, braucht es kein Abitur und keine Vorkenntnisse. Man muss noch nicht einmal die deutsche Sprache beherrschen. Alles, was man benötigt, ist ein gesundes Kreuz und den Willen, sich nützlich zu machen.“

Und weiter weiß der Journalist zu berichten:

„Das Restaurant in Dresden hat nur noch drei Tage die Woche geöffnet.“

Ja klar, die restliche Zeit ist dort, wo Fleischhauer sein Ra(w)re-Fleisch bestellt, ein Buffet für Hartz-IV-Empfänger aufgebaut mit Selbstbedienung und All-you-can-eat. Nein, natürlich nicht.

Und der Focus-Kolumnist versteht nicht, warum nicht viel mehr kontrolliert wird, den Müßiggang der Faulpelze zu unterbinden:

„Ein noch größeres Rätsel ist, dass niemand eins und eins zusammenzählt und einen Blick auf diejenigen wirft, die nicht arbeiten gehen, obwohl sie arbeiten könnten.“

Den Hintergrund vieler Menschen, die Fleischhauer offensichtlich vielfach für Faulpelze hält, erzählt beispielsweise die Tagesschau so:

„Danach hat die Zahl aller Insolvenzen in Deutschland um fast 60 Prozent zugenommen. Im Jahr 2021 wurden insgesamt 122.100 Insolvenzfälle registriert. Im Vorjahr waren es 76.730 Fälle. Dieser steile Anstieg war ausschließlich auf ein deutliches Plus der Verbraucherinsolvenzen von 80,9 Prozent sowie der ‚sonstigen‘ Insolvenzen von 70,2 Prozent zurückzuführen.“

Was bei der Empörung über Hartz-IV-Empfänger bei Fleischhauer so besonders abstößt, ist dieser arrogante Tonfall. Einen, den man sich tatsächlich erst einmal erarbeiten muss.

Wie viele Schulterklopfer gleichgesinnter Dachterrassenmenschen braucht es eigentlich, bis man fest daran glaubt, dass man seine Lebensumstände nicht Wellingsbüttel zu verdanken hat, sondern einer Genialität, die man nun für sich selbst akzeptiert hat?

Jan Fleischhauer zeichnet vor allem seine zur Schau gestellte hochgezogene Augenbraue aus. Diesem Mann scheint nichts ernst, nichts erscheint ihm wichtig. Und wo er sich engagiert, geht’s um einen albernen Namenswechsel einer Straße vor der russischen Botschaft.

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Aber es geht um mehr. Es geht um den Verlust einer Gemeinschaft. Um ein Deutschland, das Fleischhauer einen Lebenskomfort ermöglicht hat, von dem er nicht nur glaubt, ihn verdient zu haben, nein, er wird noch wütend darüber, dass ein anderer neben ihm 449 Euro Regelsatz monatlich erhält für Nichtstun, aber mutmaßlich am Flughafen Fleischhauers Koffer schleppen, im Dresdner Restaurant Fleischhauers Rinderfilet servieren oder Fleischauers Semmel ausliefern könnte.

Das alles, während der gepuderte Herr aus Wellingsbüttel sich von der Anstrengung seiner vier Kolumnen im Monat erholen muss über den Dächern der Stadt in der Hängematte mit Blick in die vorbeiziehenden Wolken. Hoffentlich nur, so könnte unser Protagonist beten, spielt das Wetter mit.

Und wer hier noch kein Erregungspotenzial sieht, der möge folgende Fleischhauer-Sätze lesen, die man sich gegenseitig vorlesen muss, um in Gänze zu verstehen, wie asozial hier über Bedürftige geschrieben wird:

„Oder der Mann, dessen Unternehmen in den Strudel der Pandemie gerät. Selbstverständlich träumen alle von einer Rückkehr in die Arbeitswelt, die sich dann irgendwie nie materialisiert, allen Bewerbungsschreiben zum Trotz. Das ist die sentimentale Sicht auf die Dauerarbeitslosigkeit. Die andere wäre, dass wir es mit Menschen zu tun haben, die schon so lange einer geregelten Beschäftigung entwöhnt sind, dass sie gar nicht mehr wissen, was Arbeit ist.

Fleischhauer stakst unbeholfen um den großen Elefanten mit Migrationshintergrund und beschwert sich gleichzeitig über einen Spiegel-Artikel:

„Aber nicht an einer Stelle wird erwähnt, dass es tausende Arbeitslose gibt, die man sofort an den Flughafen schicken könnte, um den Betrieb in Gang zu halten.“

Aber wer so wenig Empathie für seine Mitbürger aufbringt, wer sich so sehr in seiner Wohlfühloase verfangen hat, dass er schon selbst daran glaubt, er sei irgendetwas Besonderes, der glaubt am Ende sogar, die eigene Arbeit, die wöchentliche Kolumne, hätte irgendeinen gesellschaftsrelevanten Mehrwert über das Potenzial zur Unterhaltung hinaus.

Dabei waren und sind es solche regierungsnahen Blätter wie Spiegel und Focus, die den Graben quer durch die Gesellschaft erst möglich und so massiv vertieft haben.

Absatz für Absatz steigert sich noch der Zynismus des Kolumnisten, der jetzt vollkommen davon überzeugt scheint, dass seine Leser seine Verachtung gegenüber Millionen Deutschen schon mittragen werden:

„Es war immer ein Missverständnis, dass die sogenannten unteren Lohngruppen besonderes Verständnis für das Leben auf Stütze aufbringen würden. Sozialromantik ist auch eine Klassenfrage. Je weiter man weg ist, desto leichter fällt das Mitleid.“

Von welchem Mitleid spricht Fleischhauer? Das alles erinnert leider sehr an diese Doppelmoral christlicher Kanzelpfaffen: Wasser predigen, Wein trinken. Für Fleischauer sind sie alle „Schlawiner und Drückeberger“.

Weil aber Fleischhauer am Ende selbst ahnt, dass er der vollkommen Falsche ist, Hartz-IV-Empfänger zu beschimpfen, holt er sich Menschen zur Hilfe, mit denen er in seinem Leben nie Berührungspunkte gehabt haben dürfte – er schreibt:

„Wer sein Leben hart gearbeitet hat, weiß sehr genau, wo die Grenze verläuft zwischen Faulenzern, die nicht arbeiten wollen, und Malochern, die einfach Pech hatten.“

Die viel spannendere Frage allerdings, die Jan Fleischhauer in seiner Focus-Wochenkolumne aufgeworfen hat, ist eine andere:

Wo verläuft eigentlich die Grenze zwischen Zynikern, denen nichts mehr heilig ist, die die Bodenhaftung verloren haben, die Gemeinschaft nur von oben herab denken mögen und jenen, die den Laden wirklich am Laufen halten mit Schwielen an den Händen und schwerem Rücken?

Und leider lässt dann auch Fleischhauers Fazit nicht erkennen, dass es beim Aufschreiben solcher Ungeheuerlichkeiten irgendeine wenigstens minimale Selbsterkenntnis gab:

„Wer angesichts von 1,7 Millionen verwaisten Stellen keinen Arbeitsplatz findet, ist entweder arbeitsunfähig oder arbeitsunwillig. Einen anderen Schluss lässt die Lage nicht zu“.

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