Harter Vorwurf: Hetzpropaganda mit Methoden, "die gegen alle journalistischen Standards verstoßen"

Julian Reichelt: „Brutale Aktivisten beim Spiegel wollten mich politisch und gesellschaftlich auslöschen“

von Alexander Wallasch (Kommentare: 1)

Laut Julian Reichelt haben „diffuse Vorwürfe und Kampfbegriffe wie ‚Machtmissbrauch‘ nur ein Ziel: „Menschen vernichten, die das links-woke Gesellschaftsprojekt, das viele Journalisten, Politiker und Aktivisten gemeinsam verfolgen, kritisieren und es hinterfragen.“© Quelle: Youtube / Screenshot

Bild-Chef Julian Reichelt brachte eine schlüpfrige Spiegel-Story aus dem Hinterhof des Journalismus zu Fall. Jetzt wurde diese „Story“ Geschichte des Jahres beim Stern-Preis.

Jeder, der schon einmal über Jahre oder gar Jahrzehnte bei einem Unternehmen beschäftigt war, der weiß um das einschneidende Erlebnis, wenn er seine Arbeitsstelle verliert und gehen muss, ohne gehen zu wollen. Die Betroffenen können oft kaum genau sagen, was schlimmer ist: Die Trennung von einem Partner oder der Verlust der Arbeit, der Kollegen, des Austausches, der Verlust der Arbeit als Legitimation des Daseins über eine Tätigkeit.

Es fängt beim geknickten Selbstbewusstsein an, geht über das Gefühl, nicht mehr gewollt oder gebraucht zu werden, hin zur Sorge, wie der Lebensunterhalt weiter bestritten werden soll. Bis hin zu teils schweren gesundheitlichen Problemen – Nicht nur Angst essen Seele auf, wenn sich jemand in Europa über seine Arbeit definiert, dann ist es sicher der Deutsche.

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Kurz gesagt: Der Rauswurf von Julian Reichelt bei der Bildzeitung hat über den Boulevardmoment eine Schwere, die viele Menschen sehr gut kennen. Hier kann sich Reichelt, der sich gerade neu erfinden muss, einer gewissen Solidarität sicher sein, vollkommen unabhängig von der Stelle, die jemand in einem Unternehmen bekleidet.

Ein befreundeter Sozialarbeiter kennt diese Schicksale aus nächster Nähe:

„Diese Menschen sind plötzlich ganz klein geworden. In der Beratung muss viel Zeit dafür verwendet werden, die unter der lähmenden Verzweiflung verschütteten Potenziale wieder freizulegen. Oft am schlimmsten wird mir das Gefühl beschrieben, nicht mehr am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können. Es fehlt hier nicht nur an finanziellen Mitteln: Viele Freundschaften brechen weg, die sich über Geld definiert haben, über gemeinsame Reisen und Freizeitgestaltung.“

Klar könnte man jetzt sagen, bei Reichelt ist es Jammern auf hohem Niveau, aber das ist nun mal sein Niveau, die Klippe ist hier womöglich noch höher, der öffentliche Fokus ganz sicher brutal. Und es kommen weitere Demütigungen dazu.

Die etablierten Medien, dieses abgeschottete Paradies, aus dem Reichelt verstoßen wurde, treten nach. Und er wurde verstoßen, das kann man so knapp formulieren, weil er das Potenzial erkannt hatte, wieder echten Journalismus zu machen versus einer regierungsnahen Berichterstattung.

Die Altmedien feiern sich gerade selbst mit der Verleihung des Stern-Preises, der früher Henri-Nannen-Preis hieß, und jetzt nicht mehr so heißen soll, weil der Stern-Gründer, dieses große Vorbild mehrerer Journalisten-Generationen, bald einhundert Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg und fünfundzwanzig Jahre nach seinen Ableben über seine Arbeit in der NS-Diktatur gestolpert ist.

Julian Reichelts „Fall“ hat hier keine Ähnlichkeiten, eher schon mit dem Fall Julian Assange, dem Frauen schwere Vorwürfe machten – bis hin zur Vergewaltigung. Bei Reichelt soll es sexuelle Belästigung oder Nötigung gewesen sein, der Springer-Konzern untersuchte selbst und sprach Reichelt vom Verdacht frei. Der Journalist nahm seine Arbeit wieder auf.

Aber dann veröffentlichte eine Gruppe jetzt dafür mit dem Stern-Preis ausgezeichneter Kollegen beim Spiegel den Artikel „Warum Julian Reichelt gehen musste“. Dort heißt es im Intro: „Nach einem überstandenen Compliance-Verfahren galt »Bild«-Chefredakteur Julian Reichelt als rehabilitiert. Erkenntnisse aus monatelangen Recherchen sorgten für seinen Abgang.“ Der Spiegel nennt den Artikel „Geschichte des Jahres“.

Das eigentlich verstörende an diesem Artikel sind nicht die Details des dort geschilderten angeblichen Umgangs Reichelts mit Frauen – den Anstoß gab hier übrigens keine Geringere als die New York Times mit einem Bericht über Reichelt – nein, schlimmer ist, dass der viel ungeheurere Verdacht im jetzt preisausgezeichneten Artikel nicht einmal angekratzt wird:

Dass nämlich Reichelts Abgang etwas mit seinem Versuch einer Abkehr von dieser Hofberichterstattung der Altmedien für die Bundesregierung zu tun haben könnte. Also dieses so schwer kontaminierten Innenverhältnis, das man gemeinhin als polit-medialen Komplex bezeichnet.

Wer als Journalist den jetzt preisausgezeichneten Spiegel-Artikel liest, der muss sich zwangsläufig fremdschämen für die Kollegen.

Hier geht es nicht um die Aufdeckung irgendwelcher strafrelevanter Momente im Leben des Julian Reichelt, hier geht es um Schlüpfrigkeiten, um Geschichten von der Besetzungscouch, um Frauen, die sich in einer – natürlich – von Männern dominierten Arbeitswelt haben demütigen lassen. Da sollen Journalistinnen und Volontärinnen mit Reichelt verkehrt haben, für einen Job, für einen bessere Stellung im Unternehmen, auch wenn sie dafür keine Befähigung hatten.

Und natürlich muss man fragen, warum Frauen so etwas mitmachen. Eine Opfer-Täter-Umkehr zu behaupten ist abwegig. Niemals. Denn wohlgemerkt: Hier geht es in erster Linie ja nicht darum, sich auf etwas einzulassen, aus Angst seinen Job zu verlieren, sondern darum, einen besseren zu bekommen. So zumindest die Geschichte im Spiegel, die, da darf man sicher sein, vom Spiegel-Gründer Rudolf Augstein niemals abgedruckt worden wäre, aber der Spiegel von heute konnte nicht widerstehen, wo es gegen Reichelt ging.

Jetzt ist diese schmierige Story „Geschichte des Jahres“ geworden, als wäre sonst nichts Bedeutenderes passiert in Deutschland und in der Welt, was Journalisten zu einer Geschichte des Jahres hätte motivieren oder hintreiben können.

Was für ein tiefer Fall vor allem der Medienlandschaft in Deutschland. Sie stürzen einen Henry Nannen post mortem wegen dessen Nazivergangenheit und machen – bleiben wir beim Spiegel – beispielsweise eine Melanie Amann zur Co-Chefredakteurin. Was für Offenbarungseide.

Julian Reichelt wird also neuerlich angegangen, gerade hatte er sich selbstbewusst neu aufgestellt, hier soll wohl gleich das frische Pflänzchen zertreten werden, die Altmedien wollen alles, nur keinen neuen Reichelt als Phoenix aus der Asche.

Julian Reichelt hat einen Brief an das Wettbewerbsteam geschickt, in dem er schwere Vorwürfe erhebt. Reichelt wehrt sich hier so: „Die Geschichte besteht aus Verleumdungen und Erfindungen, die sowohl persönlich, als auch politisch motiviert waren."

Und bevor hier darüber hinweggegangen wird: Reichelt liefert in seinem Schreiben an das Wettbewerbsteam auch einen Schmunzelmoment, wo er erwähnt, das Urteil im Fall Johnny Depp hätte ihm Mut gemacht, sich zur Wehr zu setzen. Ist das ausgeprägter Größenwahn? Gemessen an der Aufmerksamkeit für seinen „Fall“ bis hin zur New York Times vielleicht gar nicht einmal.

Reichelt schreibt in seinem Brief unter anderem:

„Der brutale Aktivismus, den 'Journalisten' wie die des Spiegel gegen Menschen betreiben, die aus ihrer Sicht politisch und gesellschaftlich ausgelöscht gehören, ist gefährlich für unser Land und unsere Gesellschaft. Diffuse Vorwürfe und Kampfbegriffe wie 'Machtmissbrauch' , die ohne jeden Beweis erhoben und verwendet werden, haben nur ein Ziel: Menschen vernichten, die das links-woke Gesellschaftsprojekt, das viele Journalisten, Politiker und Aktivisten gemeinsam verfolgen, kritisieren und es hinterfragen. Nahezu alle Menschen außerhalb der politisch-medialen Blase Berlin durchschauen dieses abstoßende Spiel. Sie wissen und spüren, dass es für eine Gesellschaft bedrohlich ist, wenn Menschen mundtot gemacht werden. Sie wissen, dass es jeden treffen kann. (…)

Was ich in meinem Beruf am meisten liebe, war nie die Marke BILD, sondern mein Glaube an das, was Journalismus sein muss: Respektlos gegenüber Autoritäten unbequem und unbeugsam zu recherchieren und auszusprechen, was ich als Missstände in diesem Land erkenne, was unzählige Menschen als Missstände erkennen. Dafür habe ich einen hohen Preis gezahlt, aber das wird mich nicht aufhalten. (…)

Journalistenpreise sind - zu allererst durch die unsäglichen Relotius-Methoden des Spiegel - ohnehin in Verruf geraten. Wir sollten sie nicht in die Hände skrupelloser Aktivisten geben, die Zitate erfinden und sogar bereit sind, ihre Quellen zu verraten."

So viel zu Julian Reichelts Reaktion auf den Versuch der Altmedienbranche, über diese groteske Preisverleihung seine neuen Projekte zu torpedieren, seine Arbeit zu diskreditieren, bevor daraus etwas Bedrohliches für die Altmedien erwachsen könnte.

Solche Versuche allerdings sind Vertretern der Alternativen Medien nicht neu. Wenn der Kriegsreporter Reichelt glaubt, er befände sich gerade an der Front, dann soll er Kollegen jenes aufrechten Journalismus befragen, die schon seit Jahren in diesem Jauchegewitter stehen.

Er soll mit Leuten wie dem Verleger Roland Tichy sprechen und sich mal erzählen lassen, gegen was man sich hier wehren musste, während die Bildzeitung einer ihrer Ausgaben unter Reichelt-Vorgänger Kai Dieckmann „Refugees Welcome“-Aufkleber beilegte.

Ach so: Dieckmann verließ am 31. Januar 2017 nach 30 Jahren den Springer-Verlag. Wenige Monate vorher hatte eine Springer-Mitarbeiterin bei der Staatsanwaltschaft Potsdam Anzeige wegen sexueller Belästigung gegen Dieckmann gestellt. Der hätte sie nach einer Klausurtagung in Potsdam im Sommer 2016 beim Baden belästigt. Dieckmann bestritt die Vorwürfe. Die Ermittlungen wurden später eingestellt.

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