In „tageszeitung“ wird Alleinkriegsschuld Deutschlands zu Fake News erklärt

Nazi-Gau bei der taz: Adolf Hitler nicht Schuld am Zweiten Weltkrieg

von Alexander Wallasch (Kommentare: 1)

Der Supergau in Worten: „Die tatsächliche Geschichte des Zweiten Weltkrieges ist, dass Stalin diesen Krieg geplant hatte (…) Er hatte diesen Krieg geplant – lange bevor Hitler an die Macht kam.“© Quelle: © Quelle: Wikimedia Commons / Taz-Logo, Pixabay / OpenClipart-Vectors und WikiImages, Bildmontage: Alexander Wallasch

Stellen sie sich bitte einmal folgende Schlagzeile vor: „taz (tageszeitung) widerlegt Alleinkriegsschuld von Hitlerdeutschland am Zweiten Weltkrieg“. Klingt idiotisch? Ist aber genauso passiert. Nein, nicht als Überschrift, aber inhaltlich.

Aber wie kam es zu diesem erstaunlichen Geschichtsrevisionismus des linksgrünen Blattes aus Berlin?

Die taz hatte zum Jahrestag des Sieges über Hitlerdeutschland eine Solidaritätsaktion mit der russischen Zeitung Novaya Gazeta gemacht und der Printausgabe Artikel auf Deutsch, Russisch und Ukrainisch der in Russland unter Repressionen leidenden Zeitung beigelegt. Die Redakteure der Novaya Gazeta mussten Russland verlassen. Die taz gibt jenem Blatt ein Forum, das von ihr als „eine der letzten Bastionen des unabhängigen Journalismus“ vorgestellt wird.

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Dann der Supergau für die Berliner linksgrünen Haltungsjournalisten: Sie bekommen einen Text aus dem Team von Novaya Gazeta, den sie nach eigenen Maßstäben zwingend zensieren müssten. Weil das aber im Zusammenhang mit dem Sinn und Zweck der Solidaritätsaktion eine echte Blamage bzw. eine vollkommene Umkehrung der Solidaritätsidee wäre, entscheidet sich die taz, einen Gegenartikel zu veröffentlichen.

Um was ging es im Artikel der verfolgten russischen Kollegen? Stein des Anstoßes wurde ein Beitrag der Novaya Gazeta-Autorin Julia Latynina. Sie ist Putin-Kritikerin. Aber nicht nur das. Latynina ist auch islamkritisch und – um Gottes willen!  – sie glaubt nicht an den Klimawandel.

„Junge Welt“ – ein ideologisches Bruderblatt der taz – war die Solidaritätsaktion jetzt folgende ätzende Schlagzeile über die Kollegen wert: „Faschoplattform des Tages: Taz“. Was für eine Selbstzerfleischung. Und was für ein Outing, was für ein Friendly Fire.  

Jetzt aber endlich zum Stein des Anstoßes, mitten hinein in dieses wahrheitssuchende Faschoherz der taz aus Berlin. Was hatte Julia Latynina zur Veröffentlichung für die deutsche Zeitung geschrieben?

„Die tatsächliche Geschichte des Zweiten Weltkrieges ist, dass Stalin diesen Krieg geplant hatte, der die ganze Welt erfassen und erst enden sollte, wenn auch noch die letzte argentinische Sowjetrepublik ein Teil der UdSSR geworden sein würde. Er hatte diesen Krieg geplant – lange bevor Hitler an die Macht kam.“

Für die Redaktion in Berlin muss eine Welt zusammengebrochen sein. Man wollte doch nur helfen. Und dann passierte es ausgerechnet der taz, dass die Alleinkriegsschuld Deutschlands am Zweiten Weltkrieg zu Fake News erklärt wurde.

Ach was, die Narrative der alten Rechten in Deutschland brachen wieder auf, zusammengefasst im taz-Artikel: Hitlers Überfall auf Russland – das Unternehmen Barbarossa – mit 24 Millionen toten Sowjetbürgern in der Folge war nur eine Selbstverteidigung des Deutschen Reiches, Hitler war dem Überfall Russlands lediglich zuvorgekommen.

Dieser Blick auf den Zweiten Weltkrieg war bei der alten Rechten in den 1960er bis 1980er Jahren besonders populär. Damals gab es etliche Verlage und Publikationen, die sich unter anderem auch damit befassten, dass die Sowjetunion schon Anfang der 1930er Jahre unter Stalin massiv aufgerüstet haben soll.

Diese Sichtweise wurde unter dem Begriff „Präventivkriegsthese“ bekannt. Und da wird es dann richtig verworren, denn so eine Präventivkriegsthese ist auch Argumentation Putins für seinen Angriff auf die Ukraine.

Interessant wird es da, wo man versuchen will, den industriell durchgeführten Massenmord an Millionen Juden und Andersdenkenden in dieser These unterzubringen. Ebenso, wie die Idee Hitlers von einem Lebensraum im Osten. War der deutsche Herrenrasse-Wahn eine ideologische Speerspitze des Überfalls auf die Sowjetunion?

Einige Sowjetbürger, die unter Stalin schwer gelitten hatten, begrüßten die Wehrmacht tatsächlich als Befreier:

„Eine neue Auswertung von Dokumenten und Augenzeugenberichten aus dem Nordwesten Russlands belegt, dass gerade die ländliche Bevölkerung Russlands die deutschen Truppen sogar freudig begrüßten – als Befreier von Stalins Terrorherrschaft und Landreform.“

Leider fanden sich die so Gequälten nur im nächsten menschenvernichtenden System wieder. Noch dazu in einem, das seinen Vernichtungswillen und seine Grausamkeiten noch deutsch-bürokratisch organisiert hat. „Brot und Salz“ verschwand schnell und die Deutschen hinterließen verbrannte Erde.

Der ukrainische Botschafter Melnyk forderte zuletzt ein zweites Mahnmal in Berlin für die Millionen von Nazi-Deutschland ermordeten Ukrainer unter den Sowjetbürgern. Stalin hatte schon vor Hitler Millionen Ukrainer durch Aushungern hingerichtet. Dieser Völkermord ist in die Geschichte eingegangen unter dem Begriff „Holodomor“.

Besonders tragisch hier, dass es der Sowjetherrschaft hinter dem Eisernen Vorhang über viele Jahrzehnte hinweg gelungen war, die Aufarbeitung und Erinnerung an diesen Völkermord Stalins zu unterdrücken. Der Tagesspiegel schreibt maximal Furchtbares über den Holodomor, das klingt wie aus einem Horrorfilm:

„Zeitzeugen leben nur noch wenige. Was sie erzählen, lässt das Blut in den Adern gefrieren. Die Menschen stritten sich in ihrer Not um Baumrinden, Blätter, Knospen und Kaulquappen. Mütter töteten aus Verzweiflung ihre Kinder, um sich von deren Fleisch zu ernähren.“

Aus dem Grauen der Geschichte noch einmal zurück zur neuen Geschichtsschreibung in der taz. Die linke Junge Welt schreibt über den Supergau der taz:

„Der Text liest sich, als habe sich jemand mit buchstäblich allen rechten Lügen über die Sowjetunion auf eine Tastatur übergeben. Und vor vier Jahren stand in der Taz, jene Latynina führe einen 'Kreuzzug gegen Linke, Migranten, Menschenrechtler und das allgemeine Wahlrecht'. Aber wen juckt das noch. 'Putin verkörpert sowohl Hitler als auch Stalin gleichzeitig' – das ist der Sound, der jetzt zählt.“

Es gibt hier nur zwei Möglichkeiten, wie das der taz passieren konnte: Üble Schlamperei oder strotzende Dummheit. Zugegebenermaßen wäre es ein absolutes No-Go gewesen, einer unter Putin bekämpften und zensierten Novaya Gazeta eine Art Exil anzubieten, nur um diese dann ebenfalls zu zensieren.

Also was machte die taz? Sie schrieb einen Gegenartikel eines ihrer Redakteure im deutschen Teil der Zeitung und klebt ihn online ganz zentral über die Seite der Novaya Gazeta wie einen Warnhinweis davor, was im Folgenden zu lesen sein wird. Die Autorin Latynina wurde bei der taz auch online als Autorin angelegt.

Stefan Reinicke, der Parlamentskorrespondent der taz, übernahm diese Aufgabe und schrieb im Intro über den Artikel, der die Solidaritätsadresse sprengte:

„Das Feindbild Stalin verdrängt den rassistischen Kern des NS-Kriegs im Osten. Eine Replik auf die Thesen der 'Nowaja Gaseta'-Autorin Julia Latynina.“

Leider verheddert sich Reinicke in seiner Replik dann vollends in diesen miteinander verknoteten ideologischen Lautäußerungen und fügt lediglich eine weitere hinzu. So erfährt man, dass in Putins Russland dem Volk erklärt wird, dass Hitler Jude war. Die Replik der taz will hier das Original von Julia Latynina in der Nowaja Gaseta offenbar noch übertreffen.

Diese Geschichte einer für die taz schrecklich missglückten Zusammenarbeit hat aber noch viel weitreichendere Konsequenzen: Damit wurde nämlich automatisch die Debatte um Nazis in der Ukraine wieder neu eröffnet, welche vom deutschen polit-medialen Komplex bisher doch so erfolgreich gedeckelt wurde.

Und Reinicke stellt Fragen, die man mehrfach lesen muss, um ansatzweise zu verstehen, was die taz überhaupt will, nur um dann festzustellen, sie weiß es selbst nicht mehr. Die Replik ist reinstes Gaga: „Ist das eine originelle These, die wir erwägen sollten, im Bewusstsein, dass seit dem 24. Februar gründliche Selbstüberprüfung nötig ist?“

Und was macht man also bei der taz mit der russischen Autorin? Sie wird teilamnestiert:

„In diesem trüben Fahrwasser segelt Latynina, die eine gewisse Vorliebe für schrille Meinungen hat.“

Aber wie soll so eine Amnestie funktionieren, wenn die taz selbst noch 2018 über die nun taufrische neue taz-Autorin schrieb, sie „führt aber ebenso einen Kreuzzug gegen Linke, Migranten, Menschenrechtler und das allgemeine Wahlrecht“.

Nachsatz:

Ich selbst war übrigens ebenfalls vielfacher Autor der taz. Und ich habe von 2008 bis Ende 2016 eine ganze Reihe ganzseitiger oder mehrseitiger Reportagen und Artikel für die taz geschrieben. Die Zusammenarbeit mit den Redakteuren dort war immer angenehm und professionell. Ich schrieb über einen Bauern, der keine Frau findet, über einen Braunschweiger Geistlichen, der sich an einer alten Frau bereichert haben soll und so zu „Luthers Alptraum“ wurde. Und ich schrieb über eine Frau, die in einer Asylunterkunft als Reinigungskraft arbeitete und Erschreckendes von dort berichtete.

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